Identitätssatz für holomorphe Funktionen

Der Identitätssatz für holomorphe Funktionen ist ein wichtiger Satz der Funktionentheorie. Er besagt, dass aufgrund der starken Einschränkungen an holomorphe Funktionen oft schon die lokale Gleichheit zweier solcher Funktionen ausreicht, um diese auch global zu folgern.

Identitätssatz

Seien f und g holomorphe Funktionen auf einer Umgebung U von z_{0} und sei z_{0} ein Häufungspunkt der Koinzidenzmenge \{z\in U\mid f(z)=g(z)\}, dann existiert eine Umgebung V von z_{0} mit f(z)=g(z) auf ganz V.

Identitätssatz für Gebiete

Für Gebiete, insbesondere da sie zusammenhängend sind, lässt sich die Aussage des Identitätssatzes leicht verschärfen und wird auch fundamentaler Satz der Funktionentheorie genannt.

Aussage

Seien G\subseteq {\mathbb  {C}} ein Gebiet und f und g auf diesem Gebiet holomorphe Funktionen. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

  1. f(z)=g(z) für alle z\in G, das heißt die Funktionen stimmen auf dem ganzen Gebiet überein.
  2. Die Koinzidenzmenge \{z\in G\mid f(z)=g(z)\} hat einen Häufungspunkt in G.
  3. Es gibt ein z\in G, so dass f^{{(n)}}(z)=g^{{(n)}}(z) für alle n\in \mathbb {N} _{0}, das heißt in einem Punkt von G stimmen die Funktionen und alle ihre Ableitungen überein.

Beweis

Holomorphe Funktionen sind analytisch, d.h. lokal jeweils durch ihre Taylorreihe darstellbar.

Beispiel

Beim zweiten Punkt ist es essentiell, dass der Häufungspunkt im Gebiet G und nicht auf dessen Rand liegt. Betrachte dazu folgendes Beispiel:

Die Funktion \sin({\tfrac  {1}{z}}) ist holomorph auf {\mathbb  {C}}\setminus \{0\}, die Folge z_{n}={\tfrac  {1}{n\pi }} liegt darin und konvergiert gegen 0. Also ist 0 ein Häufungspunkt der Folge (z_{n}) und es gilt \sin({\tfrac  {1}{z_{n}}})=\sin(n\pi )=0, aber natürlich gilt auch \sin({\tfrac  {1}{z}})\not \equiv 0. Also stimmt \sin({\tfrac  {1}{z}}) auf der Menge der z_{n} (die den Häufungspunkt 0 besitzt) mit der Nullfunktion überein, aber offensichtlich nicht auf ganz {\mathbb  {C}}\setminus \{0\}.

Folgerungen

Eindeutige Fortsetzbarkeit reeller Funktionen
 
Eine wesentliche Folgerung aus dem Identitätssatz ist die eindeutige Fortsetzbarkeit reeller Funktionen:
Kann man eine reelle Funktion holomorph auf die komplexe Ebene fortsetzen (dies ist im Allgemeinen nicht möglich), so ist diese Fortsetzung eindeutig.
Der komplexe Sinus ist daher wirklich die einzige holomorphe Fortsetzung des reellen Sinus. Insbesondere gelten auch die Additionstheoreme für den komplexen Sinus.
Sonderfall g=0
 
Ein Sonderfall des Identitätssatzes für Gebiete, der sehr häufig angewendet wird, ergibt sich mit g=0:
Hat die Nullstellenmenge von f in einem Gebiet G einen Häufungspunkt, so gilt f\equiv 0 auf ganz G.
Nullteilerfreiheit des Rings der holomorphen Funktionen
 
Der Ring der holomorphen Funktionen auf einem Gebiet G ist nullteilerfrei, d.h. aus fg\equiv 0 folgt stets f\equiv 0 oder g\equiv 0. Seien hierzu f,g\colon G\to {\mathbb  {C}} holomorph mit f\not \equiv 0 und fg\equiv 0. Dann gibt es einen Punkt z_{0} in G und eine Umgebung U von z_{0} mit f(z)\neq 0 für alle z\in U. Dann gilt aber g|_{U}\equiv 0, und somit g\equiv 0 nach dem Sonderfall.
Identitätssatz für Potenzreihen
 
Es seien
{\displaystyle \sum _{\nu =0}^{\infty }a_{\nu }(x-x_{0})^{\nu }}  und  {\displaystyle \sum _{\nu =0}^{\infty }b_{\nu }(x-x_{0})^{\nu }}
zwei Potenzreihen um den gleichen Entwicklungspunkt x_{0} mit reellen oder komplexen Koeffizienten a_{\nu } bzw. b_{\nu } und einem gemeinsamen nichttrivialen Konvergenzbereich I. Stimmen die Werte für alle x_{n} einer Folge (x_{n}) mit {\displaystyle I\ni x_{n}\neq x_{0}} und {\displaystyle x_{n}\rightarrow x_{0}} überein, so sind die Reihen identisch, d.h.
{\displaystyle a_{\nu }=b_{\nu }\qquad (\nu \in \mathbb {N} _{0})}
Der Beweis ergibt sich induktiv über gliedweise Differentiation einer Potenzreihe aus dem Identitätssatz für holomorphe Funktionen.
Identitätssatz für Polynome
 
Der Identitätssatz für Polynome ist ein Spezialfall des Identitätssatzes für Potenzreihen und ist Grundlage für den Koeffizientenvergleich.

Mehrere Veränderliche

In der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher treten Nullstellenmengen mit Häufungspunkten auf. Die holomorphe Funktion {\displaystyle \mathbb {C} ^{2}\rightarrow \mathbb {C} ,(z_{1},z_{2})\mapsto z_{1}-z_{2}} verschwindet auf der Geraden {\displaystyle \{(z,z)\mid z\in \mathbb {C} \}} ohne selbst die Nullfunktion zu sein. In der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher gilt ein Identitätssatz in folgender Form:

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.08. 2020