Astronomische Einheit

Physikalische Einheit
Einheitenname Astronomische Einheit
Einheitenzeichen \mathrm{AE, AU, au, ua}
Physikalische Größe(n) Länge
Formelzeichen l
Dimension {\mathsf {L}}
System Zum Gebrauch mit dem SI zugelassen
In SI-Einheiten \mathrm{1 \, AE = 149.597.870.700 \; m}
(exakt)
Abgeleitet von Erdbahnradius

Die Astronomische Einheit (abgekürzt AE, international au für englisch astronomical unit) ist ein Längenmaß in der Astronomie. Die AE hat definitionsgemäß eine Länge von exakt 149 597 870 700 Metern und entspricht etwa dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne.

Die Astronomische Einheit ist neben dem Lichtjahr und dem Parsec die wichtigste Einheit unter den astronomischen Maßeinheiten. Sie gehört nicht zum Internationalen Einheitensystem, ist zum Gebrauch mit dem SI aber zugelassen. Sie ist keine gesetzliche Maßeinheit.

Die Astronomische Einheit war historisch von großer Bedeutung für die Astronomie, da die meisten Entfernungsbestimmungen aufgrund der verwendeten Methoden das Ergebnis unmittelbar in AE und nicht in Metern lieferten. Mittlerweile ist jedoch der Umrechenfaktor zwischen AE und Metern so genau bekannt, dass die Verwendung der AE keine Genauigkeitsvorteile mehr bietet. Im Jahre 2012 wurde daher die frühere, von der Gravitationskonstante der Sonne abgeleitete Definition aufgegeben und die AE einfach als eine bestimmte Anzahl von Metern neu definiert. Damit hat die AE ihre ursprüngliche astrophysikalische Bedeutung verloren und ist nur noch eine konventionelle Längeneinheit. Entfernungen innerhalb des Sonnensystems werden jedoch immer noch meist in AE angegeben, da sich so bequeme Zahlenwerte ergeben.

Das Internationale Büro für Maß und Gewicht empfiehlt für die Astronomische Einheit das Einheitenzeichen ua; die Internationale Astronomische Union (IAU) sieht für sie das Einheitenzeichen au vor. Im Gegensatz dazu hat sich in der deutschsprachigen Literatur die Verwendung von AE und AU durchgesetzt.

Ausgedrückt in anderen interstellaren Längenmaßen ergibt sich für die Astronomische Einheit folgende Größenrelation:

1 AE = 499,004784 Lichtsekunden
1 AE = 1,58125074 · 10⁻⁵ Lichtjahre
1 AE = 4,84813681 · 10⁻⁶ pc
1 AE = tan(1″) pc

Definition

Die AE war ursprünglich als die Länge der großen Halbachse der Erdbahn definiert, später als Radius einer Kreisbahn, auf der ein hypothetischer masseloser Körper die Sonne in einem vorgegebenen Zeitraum umrundete (nähere Details werden im →Abschnitt Geschichte erläutert).

Am 30. August 2012 beschloss die in Peking tagende 28. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union in „Resolution B2“,

“… that the astronomical unit be re-defined to be a conventional unit of length equal to 149 597 870 700 m exactly, […]”
„… dass die Astronomische Einheit neu definiert werde als eine konventionelle Längeneinheit, welche exakt 149 597 870 700 m entspricht, […]“

Gemäß dieser Neudefinition ist die AE nun keine durch Messung zu ermittelnde Eigenschaft des Sonnensystems mehr, sie ist einfach eine Strecke mit einer per Definition exakt festgelegten Länge in Metern. Der gewählte Zahlenwert entspricht dem bis dahin besten Messwert von 149 597 870 700 m ± 3 m.

Die vorherige Definition der AE beruhte auf der Gaußschen Gravitationskonstanten, welche, wenn sie unter Verwendung der Längeneinheit „1 AE“, der Zeiteinheit „1 Tag“ und der Masseneinheit „1 Sonnenmasse“ ausgedrückt wurde, einen per Konvention fix vorgegebenen Zahlenwert hatte (siehe →Abschnitt Definition von 1976). Welchen Zahlenwert die so definierte Längeneinheit „1 AE“ annahm, wenn sie in SI-Einheiten (also in Metern) ausgedrückt werden sollte, musste durch Beobachtung der Planetenbewegungen ermittelt werden. Infolge der Neudefinition ist die Länge der AE in Metern nun festgelegt; die Gaußsche Gravitationskonstante wird nicht mehr benötigt und ist künftig nicht mehr Bestandteil der astronomischen Konstantensysteme.

Der Zahlenwert der in astronomischen Maßeinheiten ausgedrückten Heliozentrischen Gravitationskonstanten GM_{\odot } war gemäß der vorherigen Definition als Konstante festgelegt. In die Berechnung ihres Zahlenwertes in SI-Einheiten ging jedoch der jeweils aktuelle durch Beobachtung bestimmte Zahlenwert für die Länge der Astronomischen Einheit ein, so dass eine Neuvermessung der AE auch ein verändertes GM_{\odot } nach sich ziehen konnte. Die aufgrund moderner Messungen möglich gewordene direkte Bestimmung von GM_{\odot } in SI-Einheiten macht diesen Umweg über die AE überflüssig. Außerdem ist denkbar, dass eine mögliche zeitliche Änderung von GM_{\odot } in absehbarer Zeit in den Bereich der Messbarkeit rücken könnte. Dies hätte nach der vorherigen Definition die Einführung einer zeitlich veränderlichen AE erfordert, was sich nach der neuen Definition aber erübrigt. Neuere Messungen (2011) deuten bereits eine geringfügige Abnahme von GM_{\odot } an.

Die Genauigkeit moderner Positionsmessungen im Sonnensystem ist so hoch, dass relativistische Korrekturen berücksichtigt werden müssen. Die Übertragung der vorherigen Definition in einen relativistischen Begriffsrahmen hätte zusätzliche Konventionen erfordert und eine vom Bezugssystem abhängige Länge der AE ergeben. Die neu definierte AE hingegen hat in allen relativistischen Bezugssystemen dieselbe Länge. Die Resolution legt explizit fest, dass dieselbe Definition für alle relativistischen Zeitskalen (z.B. TCB, TDB, TCG, TT, usw.) verwendet werden soll.

Geschichte

Die AE als Längeneinheit

Die Umlaufzeiten der Planeten sind leicht zu beobachten und waren schon frühen Astronomen sehr genau bekannt. Mit Hilfe des Dritten Keplerschen Gesetzes ließ sich aus dem Verhältnis der Umlaufzeiten zweier Planeten mit praktisch derselben Genauigkeit auf das Verhältnis ihrer Bahnradien schließen. Die damaligen Ephemeriden konnten daher mit hoher Genauigkeit berechnen, wievielmal z.B. Mars zu einem gegebenen Zeitpunkt weiter von der Sonne entfernt war als die Erde. Man wählte die große Halbachse der Erdbahn als Längenmaß, nannte sie „Astronomische Einheit“ und konnte anstelle der umständlichen Ausdrucksweise „Mars ist heute 1,438mal so weit von der Sonne entfernt wie die große Halbachse der Erdbahn lang ist“ gleichbedeutend einfach sagen „Mars ist heute 1,438 AE von der Sonne entfernt“. Die in dieser Form als AE ausgedrückten Entfernungen (eigentlich die Verhältnisse zweier Entfernungen zueinander) waren recht genau bestimmbar, in irdischen Längenmaßen wie z.B. Meilen oder Metern waren die Entfernungen jedoch nur recht ungenau bekannt. Für wissenschaftliche Zwecke bot sich daher die Verwendung der AE als Längeneinheit an, wofür sie jedoch auch einer hinreichend genauen Definition bedurfte.

Erste Definition

Gemäß dem Dritten Keplerschen Gesetz gilt für die Umlaufdauer U_{P} eines Planeten der Masse M_{P}, welcher die Sonne (Masse M_{\odot }) auf einer Bahn mit der großen Halbachse a_{P} umläuft:

{\frac  {U_{{\mathrm  {P}}}^{2}}{a_{{\mathrm  {P}}}^{3}}}={\frac  {4\,\pi ^{2}}{G\cdot (M_{\odot }+M_{{\mathrm  {P}}})}} (1)  

Für zwei Planeten P1 und P2 folgt daraus:

{\frac  {U_{{\mathrm  {P1}}}^{2}}{U_{{\mathrm  {P2}}}^{2}}}\cdot {\frac  {M_{\odot }+M_{{\mathrm  {P1}}}}{M_{\odot }+M_{{\mathrm  {P2}}}}}={\frac  {a_{{\mathrm  {P1}}}^{3}}{a_{{\mathrm  {P2}}}^{3}}} (2)  

Dieses Gesetz enthält nur Verhältnisse der Umlaufzeiten, der Massen und der großen Halbachsen. Das Zweite Keplersche Gesetz enthält in ähnlicher Weise nur eine Aussage über die Verhältnisse der vom Fahrstrahl in bestimmten Zeitintervallen überstrichenen Flächen. Diese Gesetze liefern die Positionen der Planeten daher zunächst in einem noch unbestimmten Maßstab. Man kann deshalb die Einheiten der vorkommenden Längen, Zeitintervalle und Massen so wählen, dass sie die Rechnungen möglichst einfach gestalten. In der klassischen Astronomie wählte man üblicherweise als astronomische Längeneinheit die Länge der großen Halbachse der Erdbahn (1 AE), als astronomische Masseneinheit die Masse der Sonne 1 M und als astronomische Zeiteinheit den Tag 1 d.

Da die Positionen der Himmelskörper an der scheinbaren Himmelskugel (also die Richtungswinkel, unter denen sie dem Beobachter erscheinen) von absoluten Maßstäben unabhängig sind, konnten die Astronomen mit diesen relativen Maßstäben bereits hochpräzise Positionsastronomie betreiben. Die Entfernung eines Planeten konnte außerdem für einen gewünschten Zeitpunkt mit hoher Genauigkeit in Astronomischen Einheiten angegeben werden, die Entfernung in Metern hingegen weit weniger genau, da die Länge der Astronomischen Einheit in Metern nur mäßig genau bekannt war. Ähnlich konnten die Massen der Planeten recht genau in Sonnenmassen angegeben werden, deutlich weniger genau in Kilogramm.

Erst in den letzten Jahrzehnten wurde es möglich, auch Entfernungen mit hoher Genauigkeit zu messen (z.B. mittels Laser-Entfernungsmessung zum Mond, mittels Radar-Entfernungsmessung zu Merkur, Venus und Mars, oder mittels Messung der Signallaufzeiten zu Raumsonden).

Gaußsche Gravitationskonstante

Der Zahlenwert der Gravitationskonstanten G in der Gleichung  (1) hängt von der Wahl der Einheiten für die vorkommenden physikalischen Größen ab. Für die Umlaufdauer des Planeten P folgt aus jener Gleichung durch Umstellen:

U_{{\mathrm  {P}}}={\frac  {2\pi \cdot a_{{\mathrm  {P}}}^{{\frac  {3}{2}}}}{{\sqrt  {G}}\cdot {\sqrt  {M_{\odot }(1+{\frac  {M_{{\mathrm  {P}}}}{M_{\odot }}})}}}} (3)  

Mit den Abkürzungen

k := \sqrt{G} und \mu_\mathrm{P} := \frac{M_\mathrm{P}}{M_\odot} (4)  

ergibt sich:

U_{{\mathrm  {P}}}={\frac  {2\pi \cdot a_{{\mathrm  {P}}}^{{\frac  {3}{2}}}}{k\cdot {\sqrt  {M_{\odot }(1+\mu _{{\mathrm  {P}}})}}}} (5)  

C. F. Gauß bestimmte 1809 den Wert der Gravitationskonstanten k in astronomischen Maßeinheiten (große Halbachse der Erdbahn als Längeneinheit AE, mittlerer Sonnentag als Zeiteinheit d, Sonnenmasse als Masseneinheit M_{\odot }), indem er die Formel auf die Erde E als Planet P anwandte

a_{{\mathrm  {P}}}=a_{{\mathrm  {E}}}=1\ {\mathrm  {AE}} (6)  
M_{\odot }=1\;{\mathrm  {M_{\odot }}} (7)  

und die damals besten Zahlenwerte für U_{E} und \mu _{E} einsetzte:

U_{{\mathrm  {P}}}=U_{{\mathrm  {E}}}=365{,}2563835\;{\mathrm  {d}} (8) (siderisches Jahr)
\mu _{{\mathrm  {P}}}=\mu _{{\mathrm  {E}}}={\frac  {1}{354710}}=0{,}0000028192 (9)  
k={\frac  {2\pi \cdot a_{{\mathrm  {E}}}^{{\frac  {3}{2}}}}{U_{{\mathrm  {E}}}\cdot {\sqrt  {{\mathrm  {M_{\odot }}}\left(1+\mu _{{\mathrm  {E}}}\right)}}}}=0{,}017\,202\,098\,95\ {\frac  {{\mathrm  {AE}}^{{\frac  {3}{2}}}}{{\mathrm  {d}}\,{\sqrt  {{\mathrm  {M_{\odot }}}}}}} (10)

Dieser Zahlenwert der Gravitationskonstanten in astronomischen Maßeinheiten wurde in der Folge als Standardwert für zahlreiche astronomische Berechnungen verwendet.

Definition von 1976

Mit stets verbesserter Kenntnis von U_{E} und \mu _{E} hätte auch der Zahlenwert von k ständig verbessert werden können. Der gaußsche Wert lag jedoch bald zahlreichen fundamentalen Tabellen zugrunde, welche bei jeder Veränderung von k hätten neu berechnet werden müssen. Eine Alternative bestand darin, in der Gleichung

U_{{\mathrm  {E}}}={\frac  {2\pi \cdot a_{{\mathrm  {E}}}^{{\frac  {3}{2}}}}{k\cdot {\sqrt  {1+\mu _{{\mathrm  {E}}}}}}} (11)  

den Zahlenwert von k beizubehalten und stattdessen die Längeneinheit, in der a_{E} gemessen wird, so anzupassen, dass der in der neuen Längeneinheit gemessene neue Zahlenwert von a_{E} die Gleichung auch für die neuen Werte von U_{E} und \mu _{E} wieder erfüllt (ein Beispiel folgt im nächsten Abschnitt). Die große Halbachse a_{E} der Erdbahn verlor damit ihren definierenden Status: Sie hatte in astronomischen Maßeinheiten nicht mehr strikt die Länge 1 AE. Die Längeneinheit, bezüglich welcher a_{E} den die Gleichung erfüllenden Zahlenwert annahm, war die neue AE. Damit lautete die Definition von 1976:

„Die astronomische Längeneinheit ist jene Länge (A), für welche die gaußsche Gravitationskonstante (k) den Wert 0,017 202 098 95 annimmt, wenn die Maßeinheiten die Astronomischen Einheiten der Länge, der Masse und der Zeit sind. […]“

Da die Definition der AE damit aber ohnehin nicht mehr unmittelbar durch die Erdbahn gegeben war, lösten sich die Astronomen auch von der Erdmasse \mu _{E} und bezogen die neue Definition auf einen fiktiven Körper f mit vernachlässigbar kleiner Masse:

\mu_\mathrm{f} \, \rightarrow \, 0 (12)  

Denkt man sich einen solchen fiktiven Körper auf einer ungestörten Bahn, welche dem Gesetz  (1) gehorcht und deren große Halbachse gleich der zu bestimmenden neuen Längeneinheit ist

a_{{\mathrm  {f}}}=1{\mathrm  {AE}} (13)  

so gilt für ihn

U_{{\mathrm  {f}}}={\frac  {2\pi \cdot 1^{{\frac  {3}{2}}}}{k\cdot {\sqrt  {1+0}}}}={\frac  {2\pi }{k}} (14)  

Dieser definierende Körper hat also eine Umlaufdauer von

2\pi /k=365{,}256898326\dots Tagen (15) (sogen. Gaußsches Jahr)

Die fiktive Bahn lässt sich ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit als kreisförmig annehmen. Die Definition der AE lässt sich daher auch gleichbedeutend formulieren als

Die Astronomische Einheit AE ist der Radius einer kreisförmigen Umlaufbahn, auf welcher ein Körper mit vernachlässigbarer Masse und frei von Störungen in 2\cdot \pi /k Tagen ein Zentralgestirn umläuft, wobei k die gaußsche Gravitationskonstante ist.

Die Praxis, den Zahlenwert von k festzuhalten und durch ihn die AE zu definieren, war inoffiziell seit dem 19. Jahrhundert üblich. Sie wurde 1938 offiziell von der IAU übernommen, als sie auf der 6. Generalversammlung den gaußschen Zahlenwert für k per Resolution festschrieb. 1976 erfolgte auf der 28. Generalversammlung erstmals eine explizite textliche Definition.

Erdbahn und AE

Für die Umlaufzeiten der Erde E und des definierenden fiktiven Körpers f liefert das Dritte Keplergesetz  (2):

{\frac  {U_{{\mathrm  {E}}}^{2}}{U_{{\mathrm  {f}}}^{2}}}\cdot {\frac  {M_{\odot }+M_{{\mathrm  {E}}}}{M_{\odot }+0}}={\frac  {a_{{\mathrm  {E}}}^{3}}{a_{{\mathrm  {f}}}^{3}}}={\frac  {a_{{\mathrm  {E}}}^{3}}{1{\mathrm  {AE}}^{3}}} (21)  

Auflösen nach a_{E} und Einsetzen der aktuellen Zahlenwerte

\mu _{{\mathrm  {E}}}=1/328900{,}561400 (22)  

und

U_{{\mathrm  {E}}}=365{,}256363\,{\mathrm  {d}} (23)  

ergibt

a_{{\mathrm  {E}}}={\sqrt[ {3}]{{\frac  {U_{{\mathrm  {E}}}^{2}}{(2\pi /k)^{2}}}\cdot (1+\mu _{{\mathrm  {E}}})}}=1{,}000000036\,{\mathrm  {AE}} (24)  

Aus dem Verhältnis der Umlaufzeiten beider Körper folgt also das Verhältnis ihrer großen Halbachsen  (21). Die eine davon definiert aber gerade die Astronomische Einheit; das Ergebnis ist also die in AE ausgedrückte große Halbachse der Erdbahn, welche nun etwas größer ist als 1 AE.

Setzt man diese neuen Zahlenwerte für a_{E}, U_{E} und \mu _{E} anstelle der alten gaußschen Werte in die gaußsche Formel  (10) ein, so erhält man nach wie vor den gaußschen Zahlenwert für k. Wenn der in Tagen gemessenen Umlaufzeit der genannte Zahlenwert U_{E} und der in Sonnenmassen gemessenen Erdmasse der genannte Zahlenwert \mu _{E} beigelegt werden, dann sind die Voraussetzungen der IAU-Definition also erfüllt, wenn die in AE gemessene große Halbachse der Erdbahn den Zahlenwert 1,000000036 erhält. Jene Längeneinheit, in der die große Halbachse gemessen werden muss, um diesen Zahlenwert anzunehmen, ist die mit den aktuellen Werten von U_{E} und \mu _{E} kompatible aktuelle AE. Gelingt es, die Länge der großen Halbachse in Metern zu ermitteln, so ist über diesen Zusammenhang auch die Länge der AE in Metern bekannt.

Heliozentrische Gravitationskonstante

Rechnet man Umlaufzeit U_{f} und große Halbachse a_{f}=1AE des fiktiven masselosen Körpers von astronomischen Maßeinheiten wieder nach SI-Einheiten um

1\,{\mathrm  {d}}=86400\ {\mathrm  {s}}, (31)  
1\,{\mathrm  {AE}}=L\ {\mathrm  {m}} (32)  

und setzt das Ergebnis in Gleichung  (1) ein, so ergibt sich:

{\frac  {(U_{{\mathrm  {f}}}\cdot 86400\,{\mathrm  {{\frac  {s}{d}}}})^{2}}{(1{\mathrm  {AE}}\cdot L\,{\mathrm  {{\frac  {m}{AE}}}})^{3}}}={\frac  {4\,\pi ^{2}}{G\cdot M_{\odot }}} (33)  

wobei L der noch zu bestimmende Umrechnungsfaktor von Astronomischen Einheiten in Meter ist. Einsetzen von

U_\mathrm{f} = 2 \pi / k (34)  

und Auflösen nach GM_{\odot } liefert:

GM_{\odot }=k^{2}\cdot {\frac  {(L\,{\mathrm  {{\frac  {m}{AE}}}})^{3}}{(86400\,{\mathrm  {{\frac  {s}{d}}}})^{2}}} (35)  

(Die heliozentrische Gravitationskonstante GM_{\odot } ist das Produkt aus der newtonschen Gravitationskonstanten G und der Sonnenmasse M_{\odot }. Sie lässt sich aus der Vermessung der Planetenbahnen ableiten und ist mit wesentlich höherer Genauigkeit bekannt als ihre beiden Einzelfaktoren.)

Die eben genannte Formel stellt nichts anderes dar als die Umrechnung von (in astronomischen Maßeinheiten) nach G bzw. GM_{\odot } (in SI-Einheiten). In astronomischen Maßeinheiten hat k stets denselben von der Definition der AE festgelegten Zahlenwert. In SI-Einheiten hängt der Zahlenwert von GM_{\odot } ab von dem jeweils aktuellen durch Beobachtung bestimmten Zahlenwert für die Länge L der Astronomischen Einheit.

Nicht vorgesehen ist in der 1976er Definition eine eventuelle physikalisch reale Veränderlichkeit von GM_{\odot }, etwa durch eine kosmologische Veränderlichkeit von G oder den Masseverlust der Sonne. Sollte es infolge gesteigerter Messgenauigkeit notwendig werden, ein zeitlich veränderliches GM_{\odot } zu beschreiben, so könnte dies (da k ja laut Definition auf seinem gegebenen Zahlenwert fixiert ist) nur durch die sehr unbefriedigende Verwendung einer zeitlich veränderlichen AE geschehen.

Die Neudefinition der AE von 2012 entkoppelt GM und AE und eröffnet so den Weg zur direkten Messung von GM_{\odot } (und seiner eventuellen Veränderlichkeit) in SI-Einheiten. Der Umweg über die AE ist nicht mehr nötig. Eine Änderung des Zahlenwertes L der AE infolge einer Neubestimmung hat keine Änderung des Zahlenwertes von GM_{\odot } mehr zur Folge.

Messung

Um die Länge der AE in Metern zu ermitteln, war es notwendig, die in AE bekannten Entfernungen zu den Planeten oder zur Sonne in Metern zu messen. Dies konnte bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts nur durch Triangulationen mit optischen Mitteln geschehen. Die AE wurde hauptsächlich aus hochgenauen Winkelmessungen (Parallaxen) abgeleitet, die von möglichst weit voneinander entfernten Sternwarten aus zu den Planeten Venus und Mars sowie zu erdnahen Asteroiden durchgeführt wurden.

Seit einigen Jahrzehnten können Entfernungen im Sonnensystem direkt gemessen werden. Der moderne Wert der AE wurde mittels Radar- und anderen Distanzmessungen von der Erde zu den Nachbarplaneten und zu Raumsonden bestimmt. Aus der Vermessung der „mittleren Bewegungen“ (d.h. der mittleren Geschwindigkeiten) oder der Umlaufperioden der Planeten, welche sich sehr genau bestimmen lassen, folgen über das Dritte Keplergesetz (in der newtonschen Fassung inklusive relativistischer Korrekturen) mit derselben Genauigkeit die großen Halbachsen der Planeten in AE. Die Abstandsmessungen zu den Planeten mittels Radar bestimmen deren Bahngeometrie und damit die großen Halbachsen ihrer Bahnen in Metern; das Verhältnis zur Länge der großen Halbachsen in AE liefert die Länge der AE in Metern sowie den Zahlenwert von GM_{\odot } in {\mathrm  {m^{3}/s^{2}}}.

Die folgende Tabelle listet unter anderem einige moderne Ephemeriden auf, die durch Anpassung der physikalischen Bewegungsgleichungen an umfangreiches Beobachtungsmaterial gewonnen wurden. Jede solche Anpassung liefert unter anderem wie eben beschrieben einen Zahlenwert für den Skalenfaktor des Sonnensystems, welcher die Länge der AE in Metern angibt (die jeweils genannten Unsicherheiten sind in der Regel formale Unsicherheiten, die im Zuge der Anpassung aus der Konsistenz der Messdaten untereinander abgeschätzt werden und die meist zu optimistisch ausfallen. Ein realistischeres Bild der Unsicherheiten gewinnt man durch Vergleich der Ergebnisse untereinander):

AE Quelle bzw. Ephemeride
149 597 850 km ± 400 km Radar zur Venus, Pettengill 1962
149 598 845 km ± 250 km Radar zur Venus, Muhleman 1962
149 597 870 km ± 2 km IAU (1976) - System astronomischer Konstanten
149 597 870 684 m ± 30 m JPL DE102, Newhall 1983
149 597 870 660 m ± 2 m JPL DE118, DE200, Standish 1990
149 597 870 620 m ± 180 m Krasinsky 1993
149 597 870 691 m ± 6 m JPL DE405, Standish 1998
149 597 870 691,2 m ± 0,2 m IAA EPM2000, Pitjeva 2000
149 597 870 697,4 m ± 0,3 m JPL DE410, Standish 2003
149 597 870 696,0 m ± 0,1 m IAA EPM2004, Pitjeva 2004
149 597 870 700,85… m JPL DE414, Standish 2006
149 597 870 700 m ± 3 m Mittelwert; Pitjeva und Standish 2009

Die Ephemeride DE405 des Jet Propulsion Laboratory liegt derzeit zahlreichen Jahrbüchern und sonstigen Ephemeridenwerken zugrunde. Der aus ihr abgeleitete Zahlenwert von 149 597 870 691 m für die AE war daher für mehrere Jahre der gebräuchlichste Standardwert. Er wurde auch vom Internationaler Erdrotationsdienst empfohlen.

Streng genommen ist der genannte Zahlenwert nicht der SI-Wert, da den Berechnungen der Planetenbewegungen die auf den Schwerpunkt des Sonnensystems bezogene Zeitskala TDB zugrunde gelegt wird, während die SI-Sekunde sich definitionsgemäß auf die Erdoberfläche (genauer: das Geoid) bezieht und aus relativistischen Gründen etwas schneller läuft. Rechnet man den TDB-Wert auf strikte SI-Einheiten um, so ergibt sich beispielsweise:

Zeitskala AE
TDB 149 597 870 691 m
SI 149 597 871 464 m

Die 27. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union beschloss im Jahre 2009, im Rahmen des „IAU 2009 System of Astronomical Constants“ den aus damaligen besten Messungen abgeleiteten Mittelwert von 149 597 870 700 m ± 3 m zur allgemeinen Verwendung zu empfehlen.

Die 28. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union beschloss im Jahre 2012, von der bisherigen Definition abzugehen (nach welcher die Länge der Astronomischen Einheit in Metern stets das Ergebnis einer Messung gewesen war) und die Astronomische Einheit einfach als eine Strecke der Länge 149 597 870 700 m (exakt) neu zu definieren.

Veränderlichkeit der gaußschen AE

Die im Jahre 2012 neu definierte AE ist durch einen festen Zahlenwert festgelegt und damit per Definition unveränderlich. Die über die Gaußsche Konstante definierte frühere AE jedoch ist ein durch Messung zu bestimmender Skalenfaktor des Sonnensystems, der möglicherweise auch Veränderungen des Sonnensystems widerspiegelt. Messungen zur Bestimmung der AE im früheren Sinne können daher durchaus zur Aufdeckung solcher eventueller Veränderungen noch nützlich sein.

Auswertungen von Radarmessungen scheinen anzudeuten, dass der Skalenfaktor des Sonnensystems langsam zunimmt. Es werden Änderungsraten von (15 ± 4) Meter/Jahrhundert, (7 ± 2) Meter/Jahrhundert und (1,2 ± 1,1) Meter/Jahrhundert genannt; die Ursache ist bislang unbekannt.

Bislang lässt sich nicht ausschließen, dass es sich lediglich um systematische Fehler in den Beobachtungen handelt. Bei der Berechnung der Planetenbahnen oder der Signalausbreitung unberücksichtigt gebliebene Effekte werden für weniger wahrscheinlich gehalten. Erklärungsversuche im Rahmen exotischerer Gravitationstheorien wie zum Beispiel der String-Theorie werden derzeit als „hoch spekulativ“ angesehen.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 07.07. 2024