Heisenberg-Modell
Das Heisenberg-Modell (nach Werner Heisenberg) in der quantenmechanischen Formulierung ist ein in der theoretischen Physik viel benutztes mathematisches Modell zur Beschreibung von Ferromagnetismus (sowie Antiferromagnetismus und Ferrimagnetismus) in Festkörpern. Ziel der Betrachtung ist es, experimentell beobachtete Effekte wie die spontane Magnetisierung und die kritischen Exponenten an den Phasenübergängen zu modellieren.
Das Modell ist zur qualitativen Beschreibung von Ferromagnetismus in Isolatoren geeignet, versagt aber bei den meisten Metallen (hier ist das Hubbard-Modell besser geeignet).
Formulierung
1928 haben Werner Heisenberg
und Paul
Dirac
erkannt, dass Ferromagnetismus in einem Festkörper durch einen effektiven Hamiltonoperator
beschrieben werden kann, der die quantenmechanischen Ortsfunktionen nicht
enthält, da er lediglich aus wechselwirkenden lokalisierten Elektronenspins auf dem
Kristallgitter
aufgebaut ist. Die Wechselwirkung ist dabei (zunächst) reduziert auf
benachbarte Spins (Nächste-Nachbar-Wechselwirkung). Im Gegensatz
zum klassischen
Heisenberg-Modell werden die Spins durch Vektoroperatoren
ausgedrückt und gehorchen den Regeln der Quantenmechanik:
Dabei
- sind
und
die quantenmechanischen Spinoperatoren zu gegebener Spinquantenzahl
(
)
- beziehen sich die Indizes
und
auf die Gitterpositionen, wobei das Gitter eine Kette (eindimensionales Heisenberg-Modell), ein zweidimensionales Gitter (z.B. ein hexagonales Gitter) oder eine dreidimensionale Anordnung (z.B. ein kubisches Gitter) sein kann. Der Spin hingegen ist beim Heisenberg-Modell immer dreidimensional, weshalb es auch als Spezialfall des n-Vektor-Modells mit
bezeichnet wird.
- wird die Austauschwechselwirkung
zwischen den lokalisierten Spins durch die Coulomb-Abstoßung
und das Pauli-Prinzip
verursacht und bei Beschränkung auf Nächste-Nachbar-Wechselwirkung und Isotropie
(s.u.) mit einer einzigen Kopplungskonstante
ausgedrückt, der Austauschenergie.
Das Modell kann durch eine Verallgemeinerung der Heitler-London-Näherung für die Bildung zweiatomiger Moleküle begründet werden (siehe das einschlägige Unterkapitel in Magnetismus). Für eindimensionale Systeme kann es exakt gelöst werden (s.u.); in zwei und drei Dimensionen gibt es dagegen nur genäherte Lösungen, z.B. mit Quanten-Monte-Carlo-Methoden.
Erläuterungen
Der Ferromagnetismus von Isolatoren wird bewirkt von lokalisierten magnetischen
Momenten, die einer unvollständig gefüllten Elektronenschale (3d,
4d, 4f oder 5f) zuzuschreiben sind. Diesen lokalisierten magnetischen
Momenten
ist ein Drehimpuls
zugeordnet, der mit dem jeweiligen Spin
ausgedrückt werden kann:
mit
- dem Bohrschen
Magneton
- dem Landé-Faktor
- dem Spinvektor
, der gegeben ist über die Spin-1/2-Operatoren.
Die Austauschwechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten kann so durch
die zugehörigen Spins ausgedrückt werden. Die Austauschwechselwirkung simuliert
also die Coulombabstoßung und das Pauliprinzip. Die Kopplungskonstanten
zwischen den lokalisierten Spins werden daher auch Austauschintegrale
genannt. Man nimmt an, dass die Austauschintegrale nur für benachbarte Spins
merklich von null verschieden sind. Insgesamt erhält man so also einen
effektiven Hamiltonoperator, der darauf ausgelegt ist, lediglich den
Ferromagnetismus bei Isolatoren zu erklären:
Verallgemeinerungen
Das Heisenberg-Modell kann verallgemeinert werden, indem man die Kopplungskonstante richtungsabhängig macht (d.h. indem man von isotropen zu anisotropen Systemen übergeht).
Ein Spezialfall des verallgemeinerten Heisenberg-Modells ist das
XXZ-Modell, das seinen Namen daher hat, dass die Kopplungskonstante in
zwei Richtungen übereinstimmt (d.h. )
und in z-Richtung davon abweicht (
):
Das Heisenberg-Modell und seine Spezialfälle werden oft im Zusammenhang mit
einem angelegten Magnetfeld
in z-Richtung betrachtet. Der Hamiltonian lautet dann:
Eine weitere Verallgemeinerung beinhaltet die Einbeziehung von Kopplungen
nicht nur zwischen nächsten Nachbarn sowie von Inhomogenitäten,
:
Die Übergänge zum XY-Modell und zum Ising-Modell lassen sich am besten im n-Vektor-Modell darstellen.
Modell im k-Raum
Zur Analyse des Modells und zur Betrachtung der Anregungen ist es sinnvoll,
das Modell im k-Raum
zu betrachten. Die Transformation (diskrete
Fouriertransformation) für die Spinoperatoren
lautet:
Das verallgemeinerte Heisenbergmodell im Magnetfeld ohne
Richtungsabhängigkeit
mit
und
lässt sich dann schreiben als
wobei auch die Austauschintegrale von der Kreiswellenzahl
abhängen:
Grundzustand
In diesem Abschnitt wird der Grundzustand des verallgemeinerte Heisenberg-Modells im Magnetfeld ohne Richtungsabhängigkeit betrachtet. Der Grundzustand ist der Eigenzustand des Systems mit der geringsten Energie. Dieser ist stark abhängig von den Vorzeichen der Kopplungskonstanten:
Ferromagnetischer Grundzustand
Für
ist es für die Spins energetisch günstiger, sich in dieselbe Richtung
auszurichten, und man spricht von einem ferromagnetischen Grundzustand
.
Unter Drehung aller Spinvektoren ändert sich das Heisenberg-Modell nicht, es ist
also invariant unter einer Rotation.
Aufgrund der Rotationsinvarianz ist keine Richtung ausgezeichnet, daher wird die
Ausrichtung in z-Richtung angenommen. Die Richtung im Festkörper wird durch Anisotropien oder durch ein
schwaches angelegtes Magnetfeld
bestimmt. Spezialisiert man noch
dann kann die Energie des Grundzustands angegeben werden als:
Dabei wurde der Eigenwert
des -Operators
als
benutzt. Für das Spin-1/2-Heisenberg-Modell ist
.
Ferri- bzw. antiferromagnetischer Grundzustand
Für
ist es energetisch günstiger, wenn benachbarte Spins in unterschiedliche
Richtungen zeigen. Der Grundzustand ist daher stark vom unterliegenden
Kristallgitter abhängig, er kann u.a. antiferromagnetisch
oder ferrimagnetisch
sein. Für spezielle Kristallgitter kann es zu magnetischer Frustration kommen,
siehe geometrische
Frustration und Spin-Glas.
Magnonen und Spinwellen
In diesem Abschnitt werden die Anregungen aus dem ferromagnetischen Grundzustand des verallgemeinerten Heisenberg-Modells im Magnetfeld ohne Richtungsabhängigkeit betrachtet. Die Anregungszustände werden dem Quasiteilchen Magnon zugeordnet. Es handelt sich dabei um kollektive Anregungen des gesamten Kristallgitters, die demnach auch als Spinwellen bezeichnet werden.
Die einmalige Anwendung des -Operators
auf den ferromagnetischen Grundzustand gibt einen angeregten Eigenzustand des
Heisenberg-Modells und wird (normierter) Ein-Magnonenzustand genannt:
Die zugehörige Energie des Zustands ist gegeben als:
Die Anregungsenergie
wird dem Magnon-Quasiteilchen zugeschrieben. Betrachtet man den Erwartungswert des
-Operators
auf diesen Zustand, so erhält man:
Dabei ist die linke Seite der Gleichung nicht mehr vom Platz i
abhängig. Anschaulich bedeutet dies, dass die Anregung aus dem Grundzustand
(Ein-Magnonenzustand) nicht durch das einfache Umklappen eines Spins auf einem
Gitterplatz erzeugt wird, sondern dass der Ein-Magnonenzustand über das Gitter
gleichmäßig verteilt ist. Daher wird der Zustand
als kollektive Anregung angesehen und als Spinwelle bezeichnet.
1D-Heisenberg-Modell
Im eindimensionalen Heisenberg-Modell sind die Spins aufgereiht auf einer Kette. Bei periodischen Randbedingungen ist die Kette zu einem Ring geschlossen. Die Eigenzustände und Eigenenergien für das eindimensionale Heisenberg-Modell wurden 1931 von Hans Bethe mit dem Bethe-Ansatz exakt bestimmt.
Eigenvektoren und Eigenzustände
Da der -Operator
mit dem Hamiltonoperator kommutiert, zerfällt der ganze Hilbertraum in verschiedene
Unterräume, die einzeln diagonalisiert werden können.
Die verschiedenen Unterräume können durch ihre
Quantenzahlen beschrieben werden. Das heißt, dass die Eigenvektoren
Superpositionen aus Basiszuständen mit derselben
Quantenzahl sind. Im Bethe-Ansatz werden diese Zustände mittels der umgeklappten
Zustände vom ferromagnetischen Grundzustand klassifiziert. Zum Beispiel wird der
Zustand mit zwei umgeklappten Spins (also
)
an den Gitterplätzen
und
angegeben als:
Die Eigenvektoren in einem Unterraum mit einer
Quantenzahl
sind Superpositionen aus allen möglichen Zuständen
Die Koeffizienten sind ebene Wellen und durch den Bethe-Ansatz gegeben:
Die Parameter können über die Gleichungen des Bethe-Ansatzes bestimmt werden:
Die Eigenvektoren sind gegeben durch alle Kombinationen der
Bethe-Quantenzahlen ,
die die Gleichungen des Bethe-Ansatzes erfüllen. Eine Klassifikation der
Eigenvektoren ist also über die Bethe-Quantenzahlen möglich. Die Bestimmung
aller Eigenvektoren ist allerdings nicht trivial. Die zugehörige Energie des
Zustands ist gegeben als:
Jordan-Wigner-Transformation
Das 1D-Heisenberg-Modell kann bei periodischen Randbedingungen mittels einer
Jordan-Wigner-Transformation
auf spinlose Fermionen
auf einer Kette mit lediglich nächster Nachbarwechselwirkung abgebildet werden.
Der Hamiltonian
des 1D-Heisenberg Modells kann demnach geschrieben werden als:
Die
sind Erzeugungs-
und Vernichtungsoperatoren für spinlose Fermionen.
Literatur
- Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik. Band 7 – Vielteilchen-Theorie. Springer Verlag.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.04. 2023