Hypergeometrische Verteilung

Wahrscheinlichkeitsfunktion der hypergeometrischen Verteilung für n=20.Rot: M=20,N=60;Blau: M=20,N=30; Grün: M=50,N=60.

Die hypergeometrische Verteilung ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung in der Stochastik. Sie ist univariat und zählt zu den diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen. In Abgrenzung zur allgemeinen hypergeometrischen Verteilung wird sie auch klassische hypergeometrische Verteilung genannt.

Einer dichotomen Grundgesamtheit werden in einer Stichprobe zufällig n Elemente ohne Zurücklegen entnommen. Die hypergeometrische Verteilung gibt dann Auskunft darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit in der Stichprobe eine bestimmte Anzahl von Elementen vorkommt, die die gewünschte Eigenschaft haben. Bedeutung kommt dieser Verteilung daher etwa bei Qualitätskontrollen zu.

Die hypergeometrische Verteilung wird modellhaft dem Urnenmodell ohne Zurücklegen zugeordnet (siehe auch Kombination ohne Wiederholung). Man betrachtet speziell in diesem Zusammenhang eine Urne mit zwei Sorten Kugeln. Es werden n Kugeln ohne Zurücklegen entnommen. Die Zufallsvariable X ist die Zahl der Kugeln der ersten Sorte in dieser Stichprobe.

Die hypergeometrische Verteilung beschreibt also die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei N gegebenen Elementen („Grundgesamtheit des Umfangs N“), von denen M die gewünschte Eigenschaft besitzen, beim Herausgreifen von n Probestücken („Stichprobe des Umfangs n“) genau k Treffer erzielt werden, d.h. die Wahrscheinlichkeit für X=k Erfolge in n Versuchen.

Beispiel 1: In einer Urne befinden sich 30 Kugeln, 20 davon sind blau, also sind 10 nicht blau. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit p, bei einer Stichprobe von zwanzig Kugeln genau dreizehn blaue Kugeln zu ziehen (ohne Zurücklegen)? Antwort: p = 0.3096. Dies entspricht dem blauen Balken bei k = 13 im Diagramm "Wahrscheinlichkeitsfunktion der hypergeometrischen Verteilung für n = 20".

Beispiel 2: In einer Urne befinden sich 45 Kugeln, 20 davon sind gelb. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit p, bei einer Stichprobe von zehn Kugeln genau vier gelbe Kugeln zu ziehen? Antwort: p = 0.269. Das Beispiel wird unten durchgerechnet.

Definition

Die hypergeometrische Verteilung ist abhängig von drei Parametern:

Die Verteilung gibt nun Auskunft darüber, wie wahrscheinlich es ist, dass sich k Elemente mit der zu prüfenden Eigenschaft (Erfolge bzw. Treffer) in der Stichprobe befinden. Der Ergebnisraum \Omega ist daher \{\max\{0,n+M-N\},\dotsc,\min\{n,M\}\}.

Eine diskrete Zufallsgröße X unterliegt der hypergeometrischen Verteilung mit den Parametern M, N und n, wenn sie die Wahrscheinlichkeiten

h(k|N;M;n):=P(X=k)={\frac  {\displaystyle {M \choose k}{N-M \choose n-k}}{\displaystyle {N \choose n}}}

für k\in \Omega besitzt. Dabei bezeichnet {\tbinom  Nn} den BinomialkoeffizientenN über n“. Man schreibt dann X\sim Hyp_{{N,M,n}} oder X\sim H(N,M,n).

Die Verteilungsfunktion H(k\mid N;M;n) gibt dann die Wahrscheinlichkeit an, dass höchstens k Elemente mit der zu prüfenden Eigenschaft in der Stichprobe sind. Diese kumulierte Wahrscheinlichkeit ist die Summe

H(k|N;M;n):=P\left(X\leq k\right)=\sum _{{y=0}}^{k}h\left(y\mid N;M;n\right)=\sum _{{y=0}}^{k}{\frac  {\displaystyle {M \choose y}{\displaystyle {N-M} \choose {n-y}}}{\displaystyle {N \choose n}}}.

Alternative Parametrisierung

Gelegentlich wird auch als Wahrscheinlichkeitsfunktion

Hyp_{{B_{1},B_{2},n}}(\{k\}):={\frac  {\displaystyle {B_{2} \choose k}{B_{1} \choose n-k}}{\displaystyle {B_{1}+B_{2} \choose n}}}

verwendet. Diese geht mit N=B_{1}+B_{2} und M=B_{2} in die obige Variante über.

Eigenschaften der hypergeometrischen Verteilung

Symmetrien

Es gelten folgende Symmetrien:

Erwartungswert

Der Erwartungswert der hypergeometrisch verteilten Zufallsvariable X ist

\operatorname {E}(X)=\sum _{{k=0}}^{n}k{\frac  {\displaystyle {M \choose k}{\displaystyle {N-M} \choose {n-k}}}{\displaystyle {N \choose n}}}=n{\frac  {M}{N}}.

Modus

Der Modus der hypergeometrischen Verteilung ist

\left\lfloor {\frac  {(n+1)(M+1)}{N+2}}\right\rfloor .

Dabei ist \lfloor \cdot \rfloor die Gaußklammer.

Varianz

Die Varianz der hypergeometrisch verteilten Zufallsvariable X ist

\operatorname {Var}(X)=\sum _{{k=0}}^{n}k^{2}{\frac  {\displaystyle {M \choose k}{\displaystyle {N-M} \choose {n-k}}}{\displaystyle {N \choose n}}}-\left(n{\frac  {M}{N}}\right)^{2}=n\,{\frac  {M}{N}}\left(1-{\frac  {M}{N}}\right){\frac  {N-n}{N-1}},

wobei der letzte Bruch der so genannte Korrekturfaktor (Endlichkeitskorrektur) beim Modell ohne Zurücklegen ist.

Schiefe

Die Schiefe der hypergeometrischen Verteilung ist

\operatorname {v}(X)={\frac  {(N-2M)(N-1)^{{\frac  {1}{2}}}(N-2n)}{[nM(N-M)(N-n)]^{{\frac  {1}{2}}}(N-2)}}.

Charakteristische Funktion

Die charakteristische Funktion hat die folgende Form:

\phi _{{X}}(t)={{{N-M \choose n}\,_{2}F_{1}(-n,-M;N-M-n+1;e^{{it}})} \over {N \choose n}}

Wobei _{2}F_{1}(\cdot ;\cdot ;\cdot ) die gaußsche hypergeometrische Funktion bezeichnet.

Momenterzeugende Funktion

Auch die momenterzeugende Funktion lässt sich mittels der hypergeometrischen Funktion ausdrücken:

{\displaystyle M_{X}(t)={\frac {{N-M \choose n}\,_{2}F_{1}(-n,-M;N-M-n+1;e^{t})}{N \choose n}}}

Wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion

Die wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion ist gegeben als

{\displaystyle m_{X}(t)={\frac {{N-M \choose n}\,_{2}F_{1}(-n,-M;N-M-n+1;t)}{N \choose n}}}

Beziehung zu anderen Verteilungen

Beziehung zur Binomialverteilung

Im Gegensatz zur Binomialverteilung werden bei der hypergeometrischen Verteilung die Stichproben nicht wieder in das Reservoir zur erneuten Auswahl zurückgelegt. Ist der Umfang n der Stichprobe im Vergleich zum Umfang N der Grundgesamtheit relativ klein (etwa n/N<0{,}05), unterscheiden sich die durch die Binomialverteilung bzw. die hypergeometrische Verteilung berechneten Wahrscheinlichkeiten nicht wesentlich voneinander. In diesen Fällen wird dann oft die Approximation durch die mathematisch einfacher zu handhabende Binomialverteilung vorgenommen.

Beziehung zur Pólya-Verteilung

Die hypergeometrische Verteilung ist ein Spezialfall der Pólya-Verteilung (wähle IMG class="text" style="width: 7.07ex; height: 2.34ex; vertical-align: -0.5ex;" alt="c=-1" src="/svg/ed535569ecdb4d4ad9352903f57ff19e6f80cb63.svg">).

Beziehung zum Urnenmodell

Die hypergeometrische Verteilung entsteht aus der diskreten Gleichverteilung durch das Urnenmodell. Aus einer Urne mit insgesamt  N Kugeln sind  M eingefärbt und es werden n Kugeln gezogen. Die hypergeometrische Verteilung gibt für {\displaystyle \max\{0,n+M-N\}\leq k\leq \min\{n,M\}} die Wahrscheinlichkeit an, dass k gefärbte Kugeln gezogen werden. Andernfalls kann auch mit der Binomialverteilung in der Praxis modelliert werden. Siehe hierzu auch das Beispiel.

Beziehung zur multivariaten hypergeometrischen Verteilung

Die multivariate hypergeometrische Verteilung ist eine Verallgemeinerung der hypergeometrischen Verteilung. Sie beantwortet die Frage nach der Anzahl der gezogenen Kugeln einer Farbe aus einer Urne, wenn diese mehr als zwei unterscheidbare Farben von Kugeln enthält. Für zwei Farben stimmt sie mit der hypergeometrischen Verteilung überein.

Beispiele

Diverse Beispiele

In einem Behälter befinden sich 45 Kugeln, davon sind 20 gelb. Es werden 10 Kugeln ohne Zurücklegen entnommen.

Die hypergeometrische Verteilung gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass genau x = 0, 1, 2, 3, …, 10 der entnommenen Kugeln gelb sind.

Ein Beispiel für die praktische Anwendung der hypergeometrischen Verteilung ist das Lotto: Beim Zahlenlotto gibt es 49 nummerierte Kugeln; davon werden bei der Auslosung 6 gezogen; auf dem Lottoschein werden 6 Zahlen angekreuzt.

h(x|49;6;6) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, genau x = 0, 1, 2, 3, …, 6 „Treffer“ zu erzielen.

Ausführliches Rechenbeispiel für die Kugeln

farbige Kugeln

Zu dem oben aufgeführten Beispiel der farbigen Kugeln soll die Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, dass genau 4 gelbe Kugeln resultieren.

Gesamtanzahl der Kugeln N=45
Anzahl mit der Eigenschaft „gelb“ M=20
Umfang der Stichprobe n=10
Davon angestrebt gelb x=4

Also h(4|45,20,10).

Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus:

Anzahl der Möglichkeiten, genau 4 gelbe (und damit genau 6 violette) Kugeln auszuwählen
geteilt durch
Anzahl der Möglichkeiten, genau 10 Kugeln beliebiger Farbe auszuwählen

Es gibt

{M \choose x}={20 \choose 4}=4\,845

Möglichkeiten, genau 4 gelbe Kugeln auszuwählen.

Es gibt

{{N-M} \choose {n-x}}={25 \choose 6}=177\,100

Möglichkeiten, genau 6 violette Kugeln auszuwählen.

Da jede „gelbe Möglichkeit“ mit jeder „violetten Möglichkeit“ kombiniert werden kann, ergeben sich

{M \choose x}\cdot {{N-M} \choose {n-x}}=4\,845\cdot 177\,100=858\,049\,500

Möglichkeiten für genau 4 gelbe und 6 violette Kugeln.

Es gibt insgesamt

 { N \choose n } = { 45 \choose 10 } = 3\,190\,187\,286

Möglichkeiten, 10 Kugeln zu ziehen.

Wir erhalten also die Wahrscheinlichkeit

P(X=4)=h(4|45;20;10)={\frac  {{20 \choose 4}{25 \choose 6}}{{45 \choose 10}}}={\frac  {4\,845\cdot 177\,100}{3\,190\,187\,286}}\approx 0{,}2690,

das heißt, in rund 27 Prozent der Fälle werden genau 4 gelbe (und 6 violette) Kugeln entnommen.

Alternativ kann das Ergebnis auch mit folgender Gleichung gefunden werden

P(X=4)=h(4|45;10;20)={\frac  {{10 \choose 4}{35 \choose 16}}{{45 \choose 20}}}\approx 0{,}2690

Es befinden sich in der Stichprobe vom Umfang n = 10 nämlich 4 gelbe Kugeln. Die restlichen gelben Kugeln (16) befinden sich in den 35 übriggebliebenen Kugeln, die nicht zur Stichprobe gehören.

Zahlenwerte zu den Beispielen

h(x|45;20;10)
x Anzahl möglicher
Ergebnisse
Wahrscheinlichkeit
in %
0 3.268.760 0,1024
1 40.859.500 1,2807
2 205.499.250 6,4416
3 547.998.000 17,1776
4 858.049.500 26,8965
5 823.727.520 25,8207
6 490.314.000 15,3694
7 178.296.000 5,5889
8 37.791.000 1,1846
9 4.199.000 0,1316
10 184.756 0,0058
3.190.187.286 100,0000
Erwartungswert 4,4444
Varianz 1,9641
 
h(x|45;10;20)
x Anzahl möglicher
Ergebnisse
Wahrscheinlichkeit
in %
0 3.247.943.160 0,1024
1 40.599.289.500 1,2808
2 204.190.544.250 6,4416
3 544.508.118.000 17,1776
4 852.585.079.500 26,8965
5 818.481.676.320 25,8207
6 487.191.474.000 15,3694
7 177.160.536.000 5,5889
8 37.550.331.000 1,1846
9 4.172.259.000 0,1316
10 183.579.396 0,0058
11 … 20 0 0
3.169.870.830.126 100,0000
Erwartungswert 4,4444
Varianz 1,9641
h(x|49;6;6)
x Anzahl möglicher
Ergebnisse
Wahrscheinlichkeit
in %
0 6.096.454 43,5965
1 5.775.588 41,3019
2 1.851.150 13,2378
3 246.820 1,765
4 13.545 0,0969
5 258 0,0018
6 1 0,0000072
13.983.816 100,0000
Erwartungswert 0,7347
Varianz 0,5776
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.02. 2022