Gauß-Newton-Verfahren
Das Gauß-Newton-Verfahren (nach Carl Friedrich Gauß und Isaac Newton) ist ein numerisches Verfahren zur Lösung nichtlinearer Minimierungsprobleme nach der Methode der kleinsten Quadrate. Das Verfahren ist verwandt mit dem Newton-Verfahren zur Lösung nichtlinearer Optimierungsprobleme, hat jedoch den Vorteil, dass die für das Newton-Verfahren notwendige Berechnung der 2. Ableitung entfällt. Speziell für große Probleme mit mehreren zehntausend Parametern ist die Berechnung der 2. Ableitung oft ein limitierender Faktor.
Das Optimierungsproblem
Das Gauß-Newton-Verfahren löst Probleme, bei denen das Minimum einer Summe von Quadraten stetig differenzierbarer Funktionen gesucht ist, also
mit . Mit der euklidischen Norm lässt sich das auch schreiben als
mit . Probleme dieser Form kommen in der Praxis häufig vor, insbesondere ist das nichtlineare Problem äquivalent zur Minimierung von unter der Voraussetzung, dass eine Nullstelle besitzt. Ist eine lineare Abbildung, ergibt sich der Standardfall der Methode der kleinsten Quadrate mit linearer Modellfunktion.
Die Methode
Die Grundidee des Gauß-Newton-Verfahrens besteht darin, die Zielfunktion zu linearisieren und die Linearisierung im Sinne der kleinsten Quadrate zu optimieren. Die Linearisierung, also die Taylorentwicklung 1. Ordnung, von im Punkt lautet
- .
Die Matrix ist die Jacobi-Matrix und wird oft mit bezeichnet. Man erhält das lineare kleinste-Quadrate Problem
- ,
mit Gradient .
Nullsetzen des Gradienten liefert die sogenannten Normalgleichungen
mit der expliziten Lösung
- .
Daraus ergibt sich direkt der Gauß-Newton-Iterationsschritt
-
,
wobei deutlich macht, dass die Jacobi-Matrix an der Stelle ausgewertet wird und eine Schrittweite ist.
Um das lineare Gleichungssystem im Gauß-Newton-Iterationsschritt zu lösen gibt es verschiedene Möglichkeiten abhängig von der Problemgröße und der Struktur:
- Kleine Probleme () werden am besten mit der QR-Zerlegung gelöst
- Für große Probleme bietet sich die Cholesky-Zerlegung an, da die Matrix per Konstruktion symmetrisch ist. Für dünnbesetzte gibt es speziell angepasste Cholesky-Varianten
- Als allgemeine Möglichkeit kann das CG-Verfahren verwendet werden, wobei hier üblicherweise eine Vorkonditionierung notwendig ist
Konvergenz
Der Update-Vektor im Gauß-Newton-Iterationsschritt hat die Form , wobei . Wenn vollen Rang hat, so ist und damit auch positiv definit. Andererseits ist der Gradient des quadratischen Problems , somit ist eine Abstiegsrichtung, d.h. es gilt . Daraus folgt (bei geeigneter Wahl der Schrittweite ) die Konvergenz der Gauß-Newton-Methode zu einem stationären Punkt. Aus dieser Darstellung lässt sich auch erkennen, dass die Gauß-Newton Methode im Wesentlichen ein skaliertes Gradientenverfahren mit der positiv definiten Skalierungsmatrix ist.
Über die Konvergenzgeschwindigkeit kann im Allgemeinen keine Aussage getroffen werden. Falls der Startpunkt sehr weit vom Optimum entfernt ist oder die Matrix schlecht konditioniert ist, so konvergiert die Gauß-Newton-Methode beliebig langsam. Ist der Startpunkt hingegen genügend nahe am Optimum, so kann man zeigen, dass die Gauß-Newton-Methode quadratisch konvergiert.
Erweiterung
Um das Verhalten im Fall von schlecht konditionierten bzw. singulären zu verbessern, kann der Gauß-Newton-Iterationsschritt folgendermaßen modifiziert werden
- ,
wobei die Diagonalmatrix so gewählt wird, dass positiv definit ist. Mit der Wahl , also einem skalaren Vielfachen der Identitätsmatrix, erhält man den Levenberg-Marquardt-Algorithmus.
Beispiel
Die Rosenbrock-Funktion
wird häufig als Test für Optimierungsmethoden verwendet, da sie wegen des schmalen und flachen Tals, in welchem iterative Methoden nur kleine Schritte machen können, eine Herausforderung darstellt. Die Konstanten werden üblicherweise mit gewählt, das globale Optimum liegt in diesem Fall bei mit dem Funktionswert .
Um die Gauß-Newton-Methode anzuwenden, muss die Rosenbrock-Funktion zunächst in die Form "Summe von Quadraten von Funktionen" gebracht werden. Da die Rosenbrock-Funktion bereits aus einer Summe von zwei Termen besteht wählt man den Ansatz
und
- .
Das Gauß-Newton-Problem für die Rosenbrock-Funktion lautet somit
- wobei .
Die Jacobi-Matrix ergibt sich als und damit ist . Da vollen Rang hat ist positiv definit und die Inverse existiert. Zur Bestimmung der Schrittweite kommt folgende einfache Liniensuche zum Einsatz:
- Starte mit
- Berechne den neuen Punkt mit
- Wenn setze und gehe zur nächsten Iteration
- Ansonsten halbiere und gehe zu 2.
Die Liniensuche erzwingt dass der neue Funktionswert kleiner als der vorherige ist, sie terminiert garantiert (mit ev. sehr kleinem ) da eine Abstiegsrichtung ist.
Als Startpunkt wird gewählt. Die Gauß-Newton-Methode konvergiert in wenigen Iterationen zum globalen Optimum:
0 | (0, -0.1) | 2 |
1 | (0.1250, -0.0875) | 1.8291 |
2 | (0.2344, -0.0473) | 1.6306 |
3 | (0.4258, 0.0680) | 1.6131 |
4 | (0.5693, 0.2186) | 1.3000 |
5 | (0.7847, 0.5166) | 1.0300 |
6 | (1.0, 0.9536) | 0.2150 |
7 | (1.0, 1.0) | 1.1212e-27 |
Das Gradientenverfahren (mit derselben Liniensuche) liefert im Vergleich dazu folgendes Ergebnis, es findet selbst nach 500 Iterationen nicht zum Optimum:
0 | (0, -0.1) | 2 |
1 | (0.0156, 0.0562) | 1.2827 |
2 | (0.0337, -0.0313) | 1.0386 |
3 | (0.0454, 0.0194) | 0.9411 |
4 | (0.0628, -0.0077) | 0.8918 |
5 | (0.0875, 0.0286) | 0.8765 |
500 | (0.8513, 0.7233) | 0.0223 |
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.02. 2023