Produkt-σ-Algebra

Eine Produkt-σ-Algebra, auch Kolmogorowsche σ-Algebra genannt, ist ein Begriff aus der Maßtheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Produkt-σ-Algebren erlauben die Definition von Produktmaßen, die den intuitiven Volumenbegriff auf höherdimensionale Räume verallgemeinern.

Definition

Gegeben sei eine Grundmenge, die das kartesische Produkt \textstyle \Omega =\prod _{{i\in I}}\Omega _{i} für eine nichtleere Indexmenge I sei. Jede der Mengen \Omega _{i} sei zudem mit einer σ-Algebra {\mathcal  {A}}_{i} versehen. Die Produkt-σ-Algebra von (\mathcal{A}_i)_{i\in I} (oder auch Kolmogorowsche σ-Algebra) ist dann definiert als

\bigotimes _{{i\in I}}{\mathcal  {A}}_{i}:=\sigma \left(\{\pi _{i}^{{-1}}(A_{i})\,|\,i\in I,\,A_{i}\in {\mathcal  {A}}_{i}\}\right),

wobei \textstyle \pi _{i}\colon \Omega \rightarrow \Omega _{i} die Projektion auf die i-te Komponente bezeichnet. Das Paar

\biggl(\prod_{i\in I}\Omega_i,\bigotimes_{i\in I}\mathcal{A}_i\biggr)

bildet einen Messraum, der auch als messbares Produkt der Familie ((\Omega_i,\mathcal{A}_i))_{i\in I} bezeichnet wird.

Notationskonventionen

Ist I=\{1,2\}, so schreibt man häufig auch \mathcal{A}_1\otimes\mathcal{A}_2 statt \textstyle\bigotimes_{i=1}^2\mathcal{A}_i.

Ist \mathcal{A}_i=\mathcal{A} für alle i\in I, so verwendet man teilweise auch die Notation \mathcal{A}^{\otimes I} für die entsprechende Produkt-σ-Algebra.

Alternative Definitionen

Mittels messbarer Funktionen

Die Produkt-σ-Algebra lässt sich auch als die kleinste σ-Algebra definieren, bezüglich derer die Projektionen auf die einzelnen Komponenten messbar sind. Da Messbarkeit nur auf einem Erzeuger \mathcal{E}_i der σ-Algebren \mathcal{A}_i überprüft werden muss, ergibt sich damit

\bigotimes_{i \in I} \mathcal{A}_i = \sigma\biggl(\bigcup_{i \in I}\pi_i^{-1}(\mathcal{A}_i)\biggr) = \sigma\biggl(\bigcup_{i\in I}\pi_i^{-1}(\mathcal{E}_i)\biggr).

Damit ist die Produkt-σ-Algebra der {\mathcal  {A}}_{i} die Initial-σ-Algebra {\mathcal  {I}} der \pi _{i}:

{\mathcal  {I}}(\pi _{i},\,i\in I)=\bigotimes _{{i\in I}}{\mathcal  {A}}_{i}.

Als Produkt von Familien

Fasst man zwei σ-Algebren {\mathcal  {A}}_{1},{\mathcal  {A}}_{2} als Mengenalgebren auf und bildet das Produkt dieser Algebren {\mathcal  {C}}:={\mathcal  {A}}_{1}\boxtimes {\mathcal  {A}}_{2}, so ist {\mathcal  {C}} wieder eine Algebra und ein Erzeuger der Produkt-σ-Algebra:

{\mathcal  {A}}_{1}\otimes {\mathcal  {A}}_{2}=\sigma ({\mathcal  {A}}_{1}\boxtimes {\mathcal  {A}}_{2}).

Verallgemeinert auf dies auf größere Indexmengen, so gilt: Ist I abzählbar (oder endlich), so gilt

\bigotimes_{i \in I} \mathcal{A}_i = \sigma\biggl(\prod'_{i \in I}\mathcal{A}_i\biggr),

wobei

\prod'_{i \in I}\mathcal{A}_i = \biggl\{\prod_{i\in I}A_i\mid (A_i)_{i\in I}\in\prod_{i\in I}\mathcal{A}_i\biggr\}

das Produkt der Familie (\mathcal{A}_i)_{i\in I} ist. Man beachte, dass das Produkt zweier σ-Algebren \mathcal{A}_1 und \mathcal{A}_2 im Allgemeinen keine σ-Algebra ist. Jedoch ist {\mathcal  {A}}_{1}\times {\mathcal  {A}}_{2} ein Halbring und insbesondere \cap -stabil.

Zylindermengen

Alternativ kann man für beliebige Indexmengen die Produkt-σ-Algebra auch als die von den Zylindermengen erzeugte σ-Algebra definieren. Dabei sind die Zylindermengen die Urbilder der Elemente einer σ-Algebra unter der kanonischen Projektion.

Beispiele

{\mathcal  {A}}_{1}\otimes {\mathcal  {A}}_{2}=\{\emptyset ,\{(K,a),(K,b)\},\{(Z,a),(Z,b)\},\{(K,b),(Z,b),(K,a),(Z,a)\}\}
\mathcal{B}(\R^n) = \bigotimes_{i=1}^n\mathcal{B}(\R)
Sie ist die kleinste σ-Algebra, die alle Mengen der Art \{A_{1}\times A_{2}\times \dots \times A_{n}\,|\,A_{i}\in {\mathcal  {B}}(\mathbb{R} )\} enthält.

Anwendungen

Produkt-σ-Algebren sind die Grundlage für die Theorie der Produktmaße, die wiederum die Grundlage für den allgemeinen Satz von Fubini bilden.

Für die Stochastik sind Produkt-σ-Algebren von fundamentaler Bedeutung, um Aussagen über die Existenz von Produkt-Wahrscheinlichkeitsmaßen und Produkt-Wahrscheinlichkeitsräumen zu machen. Diese sind zum einen wichtig, um mehrstufige Zufallsexperimente zu beschreiben, und zum anderen grundlegend für die Theorie stochastischer Prozesse.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 28.09. 2021