Polynomdivision
Die Polynomdivision, auch Partialdivision genannt, ist ein mathematisches Rechenverfahren. Das Verfahren verläuft analog zur üblichen und in der Schule gelehrten Division von Zahlen mit Rest, nur dass hier statt zweier Zahlen zwei Polynome durch einander dividiert werden und als Ergebnis wieder zwei Polynome – der „Ganzteil“ und der Rest der Division – stehen.
Allgemein
Informell
Im Folgenden seien
und
natürliche
Zahlen einschließlich Null (
)
und der Einfachheit halber die Größen
und
stets ganze
Zahlen, also Elemente von
.
Hat man nun zwei Polynome, etwa
und
so kann man sie unter gewissen formalen Voraussetzungen ähnlich wie ganze Zahlen durcheinander dividieren, also die Rechenaufgabe
lösen. Im Ergebnis finden sich dann zwei Polynome: Ein Polynom ,
das dem Ganzzahlquotienten in der Zahlendivision mit Rest entspricht, und ein
Polynom
,
das sich nicht mehr weiter durch
teilen lässt und das dem Rest
in der Zahlendivision entspricht:
oder in Analogie zur Schulschreibweise
Das Verfahren zum Auffinden dieser Lösung, bestehend aus
und
,
ist die Polynomdivision.
Dass sich hiernach
nicht weiter durch
teilen lässt, ist gleichbedeutend damit, dass der Polynomgrad von
kleiner ist als der von
,
weshalb dies in der formalen Definition der Rechenvorschrift (Algorithmus) auch als Abbruchbedingung
gefordert wird. In der Zahlendivision mit Rest wird stattdessen
gefordert, dass der Rest kleiner als der Divisor
ist. Beide Nebenbedingungen sorgen im jeweiligen Verfahren dafür, dass der Rest
eindeutig
bestimmt ist.
Bei der formalen Definition des Verfahrens werden einige zusätzliche
Bedingungen beachtet. Das kommt daher, dass man Polynome im Allgemeinen viel
weitläufiger definieren kann, als es hier zur einfacheren Erklärung geschehen
ist oder man es zum Beispiel aus der Schule kennt. Die Koeffizienten eines
Polynoms etwa können dann aus beliebigen Ringen stammen. Dann dürfen
aber wiederum die Koeffizienten der beiden Polynome nicht aus
verschiedenen Ringen stammen. Daher definiert man, dass die Polynome in einem
gemeinsamen Polynomring
liegen müssen. Auch reicht es nicht mehr zu fordern, dass der „höchste“
Koeffizient (Leitkoeffizient)
von
nur ungleich Null sein müsse. Vielmehr muss man fordern, dass er zudem eine Einheit
des Ringes sein muss. Oder es wird das unten beschriebene Verfahren der Pseudo-Division
angewendet.
Formal
Bei der Polynomdivision sind zwei Polynome
und
eines Polynomringes
gegeben, wobei
ein kommutativer
Ring mit
und der Leitkoeffizient von
eine Einheit in
ist, und es wird die Gleichung
nach den gesuchten Polynomen
und
gelöst, und zwar so, dass der Grad von
kleiner als der von
ist.
Anmerkungen
- Wegen
sind die Polynome
und
in
eindeutig bestimmt.
- Die Polynomdivision ist im Allgemeinen keine innere
Verknüpfung auf
, da sich als Ergebnis der Division zweier Polynome im Allgemeinen nicht ein einzelnes, sondern zwei Polynome in
ergeben und sich somit keine Zuordnung der Form
machen lässt. Ist das jedoch im Einzelfall möglich, so wird
zu einem Körper mit der Polynomdivision als Umkehrung der Polynommultiplikation.
- Ist die Polynomdivision für jedes beliebige Paar von zwei Polynomen
aus
möglich, so wird
zu einem euklidischen Ring bzgl. der Polynomgrad-Funktion. Das ist genau dann der Fall, wenn
ein Körper ist.
- Es existiert eine verallgemeinerte
Polynomdivision in multivariablen Polynomringen
, wenn
ein Körper ist. Dabei werden einige Abstriche in Kauf genommen, wie beispielsweise die Eindeutigkeit.
Anwendungen
- Eine Anwendung ist das Lösen
von Gleichungen höheren Grades.
Wenn
eine Lösung (Nullstelle)
bekannt ist, findet die Polynomdivision Anwendung, um den Grad der Gleichung um Eins zu senken. Diese Vorgehensweise wird „Abspalten einer Nullstelle“ genannt.
- Eine weitere Anwendung findet die Polynomdivision bei der Kurvendiskussion mit der Bestimmung der Näherungskurven einer rationalen Funktion.
- Bei der Partialbruchzerlegung rationaler Funktionen wird die Polynomdivision ebenfalls benötigt.
- Bei der Berechnung von Prüfsummen findet die Polynomdivision über dem Ring der ganzen Zahlen modulo 2 AnwendungCRC-Polynom.
- Nach erfolgter Polynomdivision kann man dasselbe Verfahren auf Divisor und Rest erneut anwenden und so einen weiteren Rest berechnen, und so weiter. Man erhält dann eine sogenannte Polynomrestfolge.
Berechnung
Manueller Ablauf
Das Verfahren funktioniert für Polynome mit ganzzahligen Koeffizienten genau so wie die schriftliche Division ganzer Zahlen mit Rest und kann mit dem gleichen Schema gelöst werden. Hier werden die einzelnen Schritte am Beispiel
erläutert:
- Wie bei der Division ganzer Zahlen wird zuerst der Summand höchsten Grades
des Polynoms
eliminiert. Dazu wird zunächst der Summand höchsten Grades von
durch den Summanden höchsten Grades von
dividiert. Das Ergebnis ist
. Danach wird
mit
multipliziert und von
subtrahiert.
-
- Es bleibt der Rest
.
- Jetzt wird von diesem Rest der Summand höchsten Grades eliminiert, bis ein
Rest entsteht, der nicht mehr weiter eliminiert werden kann, weil der Grad des
Rests kleiner als der Grad von
ist.
Pseudo-Division
Die oben beschriebene Methode zur Polynomdivision ist nur dann anwendbar,
wenn der Leitkoeffizient des Divisors
eine Einheit
im Grundring ist. Das ist immer der Fall, wenn der Grundring gleichzeitig auch
ein Körper
ist. Über allgemeinen Grundringen muss das jedoch nicht immer der Fall sein.
Deswegen wird eine sogenannte Pseudo-Division definiert, die über allen Integritätsringen
funktioniert. Gelöst wird dabei nicht die obige Gleichung, sondern die leicht
variierte Gleichung
wobei die Polynome
und
vorgegeben sind und eine Konstante
sowie Polynome
und
gesucht werden. Auch hier soll wieder der Grad von
kleiner als derjenige von
sein.
Das Vorgehen ist ähnlich der normalen Polynomdivision. Allerdings werden im
Divisionsschritt nicht nur das Polynom ,
sondern auch
mit geeigneten Faktoren multipliziert, um zu erreichen, dass sich die
Leitkoeffizienten gegenseitig herauslöschen.
Beispiel
Als Beispiel soll eine Pseudo-Division im Polynomring
über den ganzen Zahlen durchgeführt werden. Seien
Eine normale Polynomdivision ist hier nicht möglich, da ,
der Leitkoeffizienten von
,
in
nicht invertierbar
ist. Wir können aber
mit
multiplizieren. Nun kann man
mit
multipliziert abziehen und erhält
Der Grad von
ist dabei kleiner als derjenige von
aber noch nicht kleiner als der von
.
Ziehen wir nun von diesem Zwischenergebnis
-mal
ab, erhalten wir
Da
als konstantes Polynom einen kleineren Grad als
besitzt, sind wir hier fertig. Rückwärts einsetzen ergibt
oder umgeformt
Eine Probe bestätigt dies.
Algorithmus
Das Vorgehen soll nun noch durch den Algorithmus illustriert werden. Dieser
rekursive Algorithmus hat als
Argumente zwei Polynome
und
,
wobei
nicht das Nullpolynom sein darf, sowie die Variable
,
bezüglich der die Pseudodivision zu erfolgen hat. Das Ergebnis ist ein Tripel
bestehend aus Polynomen
und
sowie einer Konstanten
,
so dass
und
gilt.
pseudoDivision(p, q, x) = if d < 0 then (1, 0, p) else (c * a, c * t + s, r) where d = grad(p, x) - grad(q, x) a = lcoeff(q, x) b = lcoeff(p, x) t = b*xd (c,q,r) = pseudoDivision(a*p - t*q, q, x)
Hierbei liefert
den Grad sowie
den Leitkoeffizienten eines Polynomes. Man kann noch weitere Verbesserungen am
Algorithmus vornehmen, indem man etwa wie im Beispiel die Multiplikation mit x
unterlässt, wenn sie nicht notwendig ist.
Horner-Schema
Häufig muss eine Polynomdivision durch einen Linearfaktor
mit Leitkoeffizient 1
erfolgen. Dies kann schneller mit Horner-Schema
(zur Funktionswert-Berechnung eines Polynoms) erfolgen. Interessant ist die
Umkehrung: man kann mit der Polynomdivision auch Funktionswerte bestimmen.
Beispiel:
mit
Polynomdivision liefert:
Nach Multiplikation mit
sieht man, dass der Rest 22 der Funktionswert
ist.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 25.02. 2020