Modulare Funktion (harmonische Analyse)

Die modulare Funktion ist ein Begriff aus der harmonischen Analyse, das heißt aus der Theorie der lokalkompakten Gruppen. Die modulare Funktion misst eine links-rechts-Asymmetrie der Gruppe.

Definition

Es sei G eine lokalkompakte Gruppe. Dann gibt es bekanntlich ein linksinvariantes Haarsches Maß \mu auf G. Linksinvarianz bedeutet dabei, dass {\displaystyle \mu (tA)=\mu (A)} für alle {\displaystyle t\in G} und alle Borelmengen A\subset G. Daraus folgt im Allgemeinen nicht, dass \mu auch rechtsinvariant ist, das heißt, es kann durchaus {\displaystyle \mu (At)\not =\mu (A)} gelten.

Für festes t\in G ist die Abbildung {\displaystyle \mu _{t}:\,A\mapsto \mu (At)} ebenfalls ein linksinvariantes Haarsches Maß, wie man leicht bestätigen kann. Da ein solches bis auf eine Konstante eindeutig bestimmt ist, gibt es eine Zahl {\displaystyle \Delta _{G}(t)\in \mathbb {R} ^{+}} mit {\displaystyle \mu _{t}\,=\,\Delta _{G}(t)\mu }, das heißt {\displaystyle \mu (At)\,=\,\Delta _{G}(t)\mu (A)} für alle messbaren A\subset G.

Auf diese Weise erhält man eine Abbildung {\displaystyle \Delta _{G}:G\rightarrow \mathbb {R} ^{+}}, die sich als unabhängig von der Wahl des linksinvarianten Haarschen Maßes \mu erweist und ein stetiger Homomorphismus von G in die multiplikative Gruppe \R^+ ist. {\displaystyle \Delta _{G}} heißt die modulare Funktion von G

Unimodulare Gruppen

Gruppen, für die die modulare Funktion gleich der konstanten Funktion {\displaystyle \Delta _{G}(t)=1} für alle t\in G ist, nennt man unimodular. Das sind genau diejenigen Gruppen, für die ein linksinvariantes Haarsches Maß auch rechtsinvariant ist. Drei wichtige Typen lokalkompakter Gruppen sind automatisch unimodular:

Ein Beispiel für eine unimodulare, lokalkompakte Gruppe, die unter keinen dieser drei Typen fällt, ist die allgemeine lineare Gruppe GL(n,\mathbb{R} ). Ein links- und rechts-invariantes Maß ist durch

{\displaystyle \mu (A)=\int _{A}{\frac {1}{|\det(u)|}}\,\mathrm {d} \lambda (u)}

gegeben, wobei \lambda das Lebesguemaß auf \mathbb{R} ^{{n^{2}}} ist.

Beispiel

Wir geben hier ein Beispiel für eine nicht-triviale modulare Funktion. Es sei G die lokalkompakte Gruppe aller 2\times 2-Matrizen {\displaystyle {\begin{pmatrix}a&b\\0&1\end{pmatrix}}} mit {\displaystyle a,b\in \mathbb {R} ,a>0}. Ein links-invariantes Haarsches Maß ist durch {\displaystyle \mu (A)=\int _{\mathbb {R} }\int _{\mathbb {R} ^{+}}{\frac {1}{a^{2}}}\,\mathrm {d} a\mathrm {d} b} gegeben, ein rechtsinvariantes durch {\displaystyle \nu (A)=\int _{\mathbb {R} }\int _{\mathbb {R} ^{+}}{\frac {1}{a}}\,\mathrm {d} a\mathrm {d} b}. Damit ergibt sich {\displaystyle \Delta _{G}({\begin{pmatrix}a&b\\0&1\end{pmatrix}})\,=\,{\frac {1}{a}}}.

Rechenregeln

Es sei G eine lokalkompakte Gruppe mit linksinvariantem Haarschen Maß \mu . Für eine Funktion {\displaystyle f:G\rightarrow R} sei {\displaystyle f_{s}(t)\,:=\,f(ts^{-1})}, die sogenannte Translation von f um s.

Ist \chi _{A} die charakteristische Funktion der Borelmenge A, so ist {\displaystyle (\chi _{A})_{s}=\chi _{As}} und daher nach Konstruktion der modularen Funktion

{\displaystyle \int (\chi _{A})_{s}(t)\mathrm {d} \mu (t)=\int \chi _{As}(t)\mathrm {d} \mu (t)=\mu (As)=\Delta _{G}(s)\mu (A)=\Delta _{G}(s)\int \chi _{A}(t)\mathrm {d} \mu (t)}.

Mit den üblichen maßtheoretischen Schlüssen erhält man daraus für jede \mu -integrierbare Funktion f:

{\displaystyle \int f_{s}(t)\mathrm {d} \mu (t)=\Delta _{G}(s)\int f(t)\mathrm {d} \mu (t)}.

Weiter tritt die modulare Funktion auf, wenn man über invertierte Argumente integriert. Für \mu -integrierbare Funktionen f auf G gilt

{\displaystyle \int f(t^{-1})\Delta _{G}(t^{-1})\mathrm {d} \mu (t)\,=\,\int f(t)\mathrm {d} \mu (t)}.

Schließlich kommt die modulare Funktion in der Definition der Involution auf der Faltungsalgebra L^1(G) vor. Auf dem L^{1}-Raum über (G,\mu ) definiere man für Funktion {\displaystyle f,g\in L^{1}(G)}

{\displaystyle f\star g(t)\,:=\int f(s)g(s^{-1}t)\mathrm {d} \mu (s)}

{\displaystyle f^{*}(t):=\Delta _{G}(t^{-1}){\overline {f(t^{-1})}}}.

Dabei ist f\star g nur fast überall definiert, nämlich dort, wo das Integral existiert, und der Querstrich steht für die komplexe Konjugation. Mit dem durch \star definierten sogenannten Faltungsprodukt und der Abbildung f\mapsto f^* wird L^1(G) zu einer Banachalgebra mit isometrischer Involution. Die Untersuchung dieser Banachalgebra ist ein wichtiges Instrument der harmonischen Analyse.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 09.11. 2020