Kopplungskonstante

Als Kopplungskonstante wird in der Physik eine Konstante bezeichnet, welche die Stärke einer fundamentalen Wechselwirkung festlegt.

In der Quantenfeldtheorie (QFT) werden Wechselwirkungen durch Austauschteilchen, die Eichbosonen, vermittelt. Die Kopplungskonstanten bestimmen in diesem Fall die Stärke der Kopplung der Austauschbosonen an die dazugehörigen Ladungen. Für jede der vier Grundkräfte gibt es eine Kopplungskonstante. Im Allgemeinen kann ein Elementarteilchen mehrere verschiedenartige Ladungen tragen und deshalb auch an verschiedene Eichbosonen koppeln. Ein Quark zum Beispiel besitzt eine elektrische Ladung und eine Farbladung.

Aufgrund von Quantenfluktuationen sind die Kopplungskonstanten der Quantenfeldtheorie energieabhängig, d.h. die Kopplungsstärke kann bei höheren Energien zunehmen (Beispiel: Quantenelektrodynamik) oder abnehmen (Beispiel: Quantenchromodynamik). Diesen Effekt bezeichnet man auch als das Laufen (engl. running) der Kopplungskonstante.

Dimensionslose Kopplungskonstanten

Die Lagrange- oder Hamilton-Funktion (in der Quantenmechanik auch der Hamiltonoperator) lassen sich gewöhnlich aufteilen in einen kinetischen Anteil und einen Wechselwirkungsanteil, entsprechend kinetischer (oder Bewegungs-)Energie und potentieller (oder Lage-)Energie. Von besonderer Bedeutung sind Kopplungskonstanten, welche so skaliert sind, dass sie das Verhältnis des Wechselwirkungsanteils zum kinetischen Anteil, oder aber auch das Verhältnis zweier Wechselwirkungsanteile zum Ausdruck bringen. Solche Kopplungskonstanten sind dimensionslos. Die Bedeutung der dimensionslosen Kopplungskonstanten liegt darin, dass Störungsreihen Potenzreihen in den dimensionslosen Kopplungskonstanten sind. Die Größe einer dimensionslosen Kopplungskonstante bestimmt das Konvergenzverhalten der Störungsreihe.

Übersicht der Kräfte und der dazugehörigen Eichbosonen und Ladungen

Wechselwirkung Eichboson(en) Ladung Kopplungskonstante
Starke Wechselwirkung Gluonen (8 verschiedene) Farbladung \textstyle \alpha _{{\mathrm  {s}}}
Elektromagnetische Wechselwirkung Photon \textstyle \gamma Elektrische Ladung \textstyle \alpha (Feinstrukturkonstante, hier auch \textstyle \alpha _{{{\mathrm  {em}}}})
Schwache Wechselwirkung \textstyle W^{+}-, \textstyle W^{-}- und \textstyle Z^{0}-Boson nicht definierbar \textstyle \alpha _{{\mathrm  {W}}}
Gravitation Graviton (hypothetisch) Masse \textstyle \alpha _{{\mathrm  {G}}}

Feinstrukturkonstante

Bei der elektromagnetischen Wechselwirkung ist die dimensionslose Kopplungskonstante gegeben durch die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante \textstyle \alpha und wird in diesem Zusammenhang auch als \textstyle \alpha _{{\mathrm  {em}}} bezeichnet:

{\displaystyle \alpha _{\mathrm {em} }={\frac {e^{2}}{2\varepsilon _{0}hc}}={\frac {e^{2}}{4\pi \varepsilon _{0}\hbar c}}={\frac {e^{2}}{q_{\mathrm {P} }^{2}}}={\frac {1}{137.035999084(21)}}=0.0072973525693(11)}

(Dabei ist {\displaystyle q_{\mathrm {P} }} die Planckladung, e die Ladung des Elektrons (Elementarladung), \varepsilon _{0} die Permittivität des Vakuums, c die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit und h das Plancksche Wirkungsquantum bzw. \hbar =h/2\pi das reduzierte plancksche Wirkungsquantum.)

Die Feinstrukturkonstante beschreibt u.a. die Stärke der elektromagnetischen Kraft zwischen zwei Elementarladungen.

Eichkopplung

In einer nicht-Abelschen Eichtheorie erscheint der Eichkopplungsparameter g in der Lagrange-Funktion gemäß gewisser Konventionen als

{\displaystyle -{\frac {1}{4g^{2}}}\operatorname {Tr} G_{\mu \nu }G^{\mu \nu }}.

(wobei G der Eichfeld-Tensor ist)

Nach einer anderen gebräuchlichen Konvention wird G so skaliert, dass der Koeffizient des kinetischen Terms −1/4 ist und g tritt in der kovarianten Ableitung auf.

Das ist ähnlich zu verstehen wie die dimensionslose Version der elektrischen Ladung:

{\displaystyle g_{\mathrm {em} }={\frac {e}{\sqrt {\varepsilon _{0}\hbar c}}}={\sqrt {4\pi \alpha _{\mathrm {em} }}}\approx 0{,}30282212\ .}

Mit der obigen Beziehung für die Feinstrukturkonstante α ist

e={\sqrt  {4\pi \varepsilon _{0}\hbar c\alpha _{{\mathrm  {em}}}}}

Mit der Planck-Ladung

{\displaystyle q_{\mathrm {P} }={\sqrt {\hbar c4\pi \varepsilon _{0}}}}

folgt

{\displaystyle e/q_{\mathrm {P} }={\sqrt {\alpha _{\mathrm {em} }}}\approx 1/{\sqrt {137,\dots }}}

beziehungsweise

{\displaystyle \alpha _{\mathrm {em} }=\left({\frac {e}{q_{\mathrm {P} }}}\right)^{2}\;.}

Auf diese Weise ist im elektromagnetischen Fall die (dimensionsbehaftete) Kopplungsstärke e mit der dimensionslosen Kopplungskonstanten α verknüpft.

Schwache und starke Kopplung

Eine Quantenfeldtheorie mit einer dimensionslosen Kopplungskonstanten α, wenn α ≪ 1 (d.h. wenn α wesentlich kleiner als 1) wird schwach gekoppelt genannt. In diesem Fall wird die Theorie in Potenzreihen nach α beschrieben (Störungstheorie oder perturbative Theorie). Ein Beispiel ist der Elektromagnetismus. Wenn die Kopplungskonstante von der Größenordnung 1 oder größer ist, heißt die Theorie stark gekoppelt. Ein Beispiel für letzteres ist die Hadronische Theorie der Starken Wechselwirkung. In diesem Fall müssen zur Untersuchung nicht-perturbative Methoden, also Methoden jenseits der Störungstheorie, benutzt werden.

Elektroschwache Wechselwirkung

Im Rahmen der elektroschwachen Theorie (Glashow-Weinberg-Salam-Theorie, GWS) findet man für die schwache Kopplungskonstante \textstyle \alpha _{{W}} in Analogie zur Feinstrukturkonstanten (s.o.):

{\displaystyle \alpha _{W}={\frac {g^{2}}{2\varepsilon _{0}hc}}={\frac {g^{2}}{4\pi \varepsilon _{0}\hbar c}}=\left({\frac {g}{q_{\mathrm {P} }}}\right)^{2}\approx 0{,}03156}

Die Kopplungsstärken e und g sind über den Weinbergwinkel {\displaystyle \theta _{\mathrm {W} }}

{\displaystyle e=g\cdot \sin \theta _{\mathrm {W} }}

verknüpft. Damit gilt

{\displaystyle \alpha _{\mathrm {em} }=\alpha _{\mathrm {W} }\cdot \sin ^{2}\theta _{\mathrm {W} }}

Die schwache Wechselwirkung wirkt auf Teilchen (Fermionen), indem diese an die Austauschbosonen der schwachen Wechselwirkung W^{+}-, W^{-}- und Z^{0} (W-Bosonen und Z-Boson) koppeln. Für die ersten beiden ist die Kopplungsstärke gleich, für das Z^{0} ist sie durch den schwachen Isospin T_3, die Ladungszahl des Fermions z_{f}=q/e und den Weinbergwinkel {\displaystyle \theta _{\mathrm {W} }} modifiziert:

{\displaystyle g_{Z}(f)={\frac {g}{\cos \theta _{\mathrm {W} }}}\cdot \left(T_{3}-z_{f}\cdot \sin ^{2}\theta _{\mathrm {W} }\right)}

Bezüglich der schwachen Wechselwirkung gibt es einen Unterschied, wie linkshändige und rechtshändige elementare Fermionen an der schwachen Wechselwirkung teilnehmen. Weiter ist die Kopplung an W± und Z0 unterschiedlich. Antiteilchen der umgekehrten Händigkeit und Ladung verhalten sich aber wieder analog zu ihren normalen Partnern (CP-Invarianz).

Laufende Kopplung und Symanziksche Beta-Funktion

Man kann eine Quantenfeldtheorie bei kurzen Zeiten und Distanzen prüfen, indem man die Wellenlänge oder den Impuls der benutzten Probe ändert. Bei hohen Frequenzen, d.h. kurzen Zeiten, sieht man, dass an jedem Prozess virtuelle Teilchen teilhaben. Der Grund, warum diese scheinbare Verletzung des Energieerhaltungssatzes möglich ist, ist die heisenbergsche Unschärferelation

\Delta E\Delta t\geq \hbar ,

die solche kurzzeitigen Verletzungen erlaubt. Diese Bemerkung trifft aber nur auf bestimmte Formulierungen der QFT zu, nämlich die kanonische Quantisierung im Wechselwirkungsbild. Alternativ kann man dasselbe Ereignis mittels „virtueller“ Teilchen beschreiben, die bezüglich Massenschale off shell gehen. Solche Prozesse renormieren die Kopplung und machen sie abhängig von der Energieskala \mu , bei der die Kopplung beobachtet wird. Die Abhängigkeit der Kopplung g(\mu ) von der Energieskala wird als laufende Kopplung (eng.: running coupling) bezeichnet. Die Theorie der laufenden Kopplung wird vermöge der Renormierungsgruppe (RG) beschrieben.

In einer Quantenfeldtheorie (QFT) wird dieses Laufen eines Kopplungsparameters g nach Kurt Symanzik mit einer Symanzikschen Beta-Funktion β(g) beschrieben. Diese ist definiert durch die Beziehung:

\beta (g)=\mu \,{\frac  {\partial g}{\partial \mu }}={\frac  {\partial g}{\partial \ln \mu }}.

Wenn die Beta-Funktionen einer QFT verschwinden (d.h. konstant Null sind), dann ist diese Theorie skaleninvariant.

Die Kopplungsparameter einer QFT können laufen, auch dann wenn das korrespondierende klassische Feld skaleninvariant ist. In diesem Fall besagt die nicht-verschwindende Beta-Funktion, dass die klassische Skaleninvarianz anomal ist.

QED und der Landau-Pol

Wenn die Beta-Funktion positiv ist, dann wächst die zugehörige Kopplung mit zunehmender Energie. Ein Beispiel ist die Quantenelektrodynamik (QED), bei der man mit Hilfe der Störungstheorie findet, dass die Beta-Funktion positiv ist. Genauer gesagt, gilt α ≈ 1/137 (Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante), während man auf der Skala des Z-Bosons, also bei etwa 90 GeV, α ≈ 1/127 misst.

Darüber hinaus zeigt uns die störungstheoretische Beta-Funktion, dass die Kopplung fortgesetzt zunimmt, und somit die QED bei hohen Energien stark gekoppelt ist. Tatsächlich wird die so ermittelte Kopplung offenbar bereits bei einer gewissen endlichen Energie unendlich. Dieses Phänomen wurde zuerst von Lew Landau festgestellt und wird daher Landau-Pol genannt. Natürlich kann man nicht erwarten, dass die störungstheoretische Beta-Funktion exakte Ergebnisse bei starker Kopplung liefert, und daher ist es wahrscheinlich, dass der Landau-Pol ein Artefakt der unangebrachten Anwendung der Störungstheorie ist. Das wahre Skalenverhalten von \textstyle \alpha bei großen Energien ist unbekannt.

QCD und Asymptotische Freiheit

In nicht-Abelschen Eichtheorien kann die Beta-Funktion negativ werden, was zuerst von Frank Wilczek, David Politzer und David J. Gross herausgefunden wurde. Ein Beispiel dafür ist die Beta-Funktion für die Quantenchromodynamik (QCD). Das hat zur Folge, dass die QCD-Kopplung bei hohen Energien abnimmt. Genau gesagt, nimmt die Kopplung logarithmisch ab, ein Phänomen, das asymptotische Freiheit genannt wird. Die Kopplung nimmt näherungsweise ab wie

{\displaystyle \alpha _{s}(k^{2})\ {\stackrel {\mathrm {def} }{=}}\ {\frac {g_{s}^{2}(k^{2})}{4\pi }}\approx {\frac {1}{\beta _{0}\ln(k^{2}/\Lambda ^{2})}}.}

Dabei ist {\displaystyle \beta _{0}=11-{\tfrac {2}{3}}n_{f}} eine von Wilczek, Gross und Politzer bestimmte Konstante mit der Anzahl der unter der QCD geladenen Fermionen n_{f}. \Lambda ist kein UV-Cutoff, sondern eine durch das Renormierungsschema bestimmte Massenskala; QCD kann nur jenseits dieser Skala störungstheoretisch behandelt werden.

Umgekehrt nimmt die Kopplung mit abnehmender Energie zu. Sie wird bei niedrigen Energien so stark, dass die Störungstheorie hier nicht mehr anwendbar ist.

Stringtheorie

Eine bemerkenswert abweichende Situation gibt es in der Stringtheorie. Die störungstheoretische Beschreibung der Stringtheorie hängt von der String-Kopplungskonstanten ab. Jedoch sind in der Stringtheorie diese Kopplungskonstanten keine vorbestimmten, anzupassenden oder universellen Parameter, stattdessen sind sie Skalarfelder, die von der Position in Raum und Zeit abhängen können, deren Werte also dynamisch festgelegt sind.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.08. 2022