Kristall

Abb. 1: Schema des Kristallgitters von Kochsalz (Natriumchlorid). In jeder Raumrichtung wechseln Natriumatome (grau) regelmäßig mit Chloratomen (grün) ab. Die eingezeichneten Oktaeder zeigen je ein Atom mit seinen sechs nächsten Nachbaratomen. Die Kantenlänge der Oktaeder (Abstand von einem Atom zum nächsten Atom des gleichen Elements) beträgt 0,56 Nanometer.

Ein Kristall ist ein Festkörper, dessen Bausteine – z.B. Atome, Ionen oder Moleküle – nicht zufällig, sondern regelmäßig in einer Kristallstruktur angeordnet sind. Bekannte kristalline Materialien sind Kochsalz, Zucker, Minerale und Schnee – aber auch die Metalle.

Die Wissenschaft, welche die Eigenschaften und Formen von Kristallen erforscht, ist die Kristallographie.

Genauere Definition, Unterscheidungen

Ein Kristall ist ein homogener Körper, denn er ist stofflich und physikalisch einheitlich. Aber viele physikalische Eigenschaften sind von der Raumrichtung abhängig, d.h. ein Kristall ist anisotrop.

Vor 1992 wurden Kristalle definiert als dreidimensional periodisch aus gleichbleibenden Struktureinheiten aufgebaut. Diese Struktureinheit heißt Einheitszelle oder Elementarzelle.

Seit 1992 ist ein Kristall gemäß der Internationalen Kristallographischen Union IUCr durch seine diskreten Beugungsordnungen (bei Beleuchtung mit Röntgenstrahlen) definiert. Er weist also eine Fernordnung auf, ist aber nicht zwangsläufig periodisch. Diese Definition wurde durch die 1984 entdeckten Quasikristalle erzwungen, die eine Untergruppe der aperiodischen Kristalle bilden. Gleichwohl bilden die periodischen Kristalle die bei weitem größte Untergruppe der Kristalle.

Abb. 2: Idiomorphe, annähernd würfelförmige Halit-Kristalle

Je nach Ausprägung der äußeren Form unterscheidet man

Der idiomorphe Kristall weist in seiner äußeren Form auf die jeweilige Kristallstruktur hin. Deshalb sind z.B. ungestört gewachsene Natriumchloridkristalle (Kochsalz, Mineral Halit) würfelförmig. Auch bei idiomorphen Kristallen liegt in der Natur meist eine gewisse Verzerrung vor, d. h. die Kantenlängen (nicht aber die Winkel) können von der Idealform deutlich abweichen (vgl. Gesetz der Winkelkonstanz).

Die äußere Form eines Kristalls wird durch die voneinander unabhängigen Merkmale Kristallhabitus und Kristalltracht bestimmt. Die Kristallflächen werden ebenso wie Gitterebenen durch Millersche Indizes beschrieben.

Da die charakteristische Eigenschaft von Kristallen die regelmäßige Anordnung in allen drei Raumrichtungen ist, sind auch Körper denkbar, deren Bausteine sich nur in einer oder zwei Raumrichtungen wiederholen. Dann lässt sich von eindimensionalen und zweidimensionalen Kristallen sprechen. In der Natur kommen Membranproteine vor, die sich als zweidimensionale Kristalle in der Biomembran anordnen. Ein Beispiel ist Bacteriorhodopsin. In der Strukturbiologie werden 2D-Kristalle gezüchtet, um die Atompositionen der kristallisierten Makromoleküle mittels Elektronen-Kryomikroskopie zu ermitteln.

Abb. 3: Ein zweidimensionaler Quasikristall: Die Penrose-Parkettierung wiederholt sich bei einer vollständigen Drehung fünf mal (fünfzählige Rotationssymmetrie), aber nicht bei einer Verschiebung. Sie besitzt also keine translationssymmetrische Fernordnung.

Außer Kristallen gibt es auch Körper, die keine innere Fernordnung haben und amorph genannt werden. Ein Beispiel ist Glas (auch sogenanntes Bleikristall und anderes Kristallglas).

Wenn eine Flüssigkeit anisotrop ist und dadurch einige Eigenschaften eines Kristalls aufweist, handelt es sich um einen Flüssigkristall.

Wortherkunft

Der Begriff Kristall stammt von dem griechischen Wort κρύσταλλος (krýstallos, zu κρύος krýos „Eiseskälte, Frost, Eis“). Es bedeutet zunächst, bei Homer, „Eis“ – später dann auch alles dem Eis Ähnliche, Helle und Durchsichtige. Insbesondere der Bergkristall, aber auch farbige Edelsteine und Glas werden so genannt (z.B. bei Strabon und Claudius Aelianus).

Bei dem bereits im antiken Griechenland betriebenen Bergbau wurden wahrscheinlich Quarz-Kristalle entdeckt. Sie wurden für Eis gehalten, das bei so tiefen Temperaturen entstanden sein müsse, dass es nicht mehr schmelzen könne. Diese Ansicht war bis ins frühe Mittelalter verbreitet. Über das lateinische crystallus hat sich die althochdeutsche Bezeichnung kristallo gebildet, die sich im Laufe der Zeit zu Kristall gewandelt hat. Im 19. Jahrhundert war Krystall gebräuchlich.

Struktur und Klassifikation periodischer Kristalle

Abb. 4: Chromalaun (KCr(SO4)2·12H2O) Oktaeder (2,5 cm Kantenlänge)

Die Richtung und die Länge der Vektoren, um die eine Kristallstruktur verschoben werden kann, so dass sich die Atompositionen wiederholen, beschreiben die Achsen des Kristallgitters (oder kurz Kristallachsen). Daher wird die Struktur jeder Kristallart mit einem eigenen, spezifischen Koordinatensystem, dem Achsensystem, dargestellt. Neben der Verschiebung kann eine Kristallstruktur auch gedanklich um diese Achsen gedreht werden, bis sich die gedrehte Struktur mit der ursprünglichen Struktur deckt. Weil die Translationssymmetrie erhalten bleiben muss, können nur Drehsymmetrien vorkommen, die in einer vollständigen Drehung (360°) eine, zwei, drei, vier oder sechs Wiederholungen beschreiben. Es wird dabei von 1-zähligen, 2-, 3-, 4- oder 6-zähligen Achsen gesprochen. Es gibt Kristalle, die außer Drehachsen und Translationen weitere Symmetrieelemente aufweisen, nämlich Spiegelebenen und Inversionszentren, sowie Kopplungen zwischen diesen Symmetrien zu Drehachsen mit Inversion, Gleitspiegelungen und Schraubenachsen.

Für die Klassifizierung von Kristallen werden die Symmetrieeigenschaften verwendet. Dabei ist die Anzahl der denkbaren Kombinations- und Kopplungsmöglichkeiten von Symmetrieelementen beschränkt (siehe auch Gruppentheorie). Es gibt bei zweidimensionalen Kristallen 17 ebene kristallographische Gruppen und bei dreidimensionalen Kristallen 230 kristallographische Raumgruppen, die vollständig in den International Tables for Crystallography, Vol. A aufgeführt sind.

Wird ein neuer Kristall untersucht, ist die Raumgruppe zunächst unbekannt. Bei der Beschreibung der äußeren Form des Kristalls lässt er sich nur einer von 32 Punktgruppen oder Kristallklassen zuordnen. Diese Punktgruppen beschreiben die makroskopischen Symmetrieeigenschaften der Kristalle und fassen diejenigen Raumgruppen zusammen, die sich nur in der Translationssymmetrie unterscheiden. Die Translation spielt bei der äußeren Betrachtung von Kristallen keine Rolle. Weil die Winkel zwischen den Kristallflächen für jede Kristallart gleich sind und oft mit einer Rotationssymmetrie vereinbar sind (z.B. 90° bei Halit mit vierfacher Rotationssymmetrie), werden zur Beschreibung der Kristallmorphologie sieben Kristallsysteme verwendet, bei denen sich die Lage und relative Länge der Zellachsen unterscheiden. Ein Kristall ist je nach Zugehörigkeit zum entsprechenden Kristallsystem triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal oder kubisch.

Auguste Bravais klassifizierte die verschiedenen möglichen Translationsgitter. Diese Gitter bestehen aus gleichen Parallelepipeden, deren Ecken die Gitterpunkte darstellen. Um die Symmetrie von bestimmten Gittern beschreiben zu können, ließ er neben primitiven Elementarzellen (mit einem Gitterpunkt pro Zelle) auch größere Elementarzellen zu, die flächen- oder innenzentriert sind. Ein Beispiel für eine flächenzentrierte Elementarzelle ist in Abb. 5 gezeigt. Es gibt im dreidimensionalen Raum 14 Bravais-Gitter.

Abb. 5: Die kleinstmögliche Zelle im Gitter des Halits ist ein Rhomboeder (blau). Erst die flächenzentriere Elementarzelle (schwarz) macht die kubische Symmetrie des Gitters deutlich.

Bei der Kristallstrukturanalyse lassen sich die Streumuster der Röntgenbeugung in elf zentrosymmetrische Punktgruppen einteilen, die Lauegruppen oder Laueklassen genannt werden. Denn auch bei nicht-zentrosymmetrischen Kristallstrukturen entstehen zentrosymmetrische Beugungsmuster, da die Reflexe als Friedelpaare mit normalerweise gleicher Intensität auftreten. Die Lauegruppen lassen sich demnach herleiten, indem ein Symmetriezentrum zu der Punktgruppe des Kristalls hinzugefügt wird.

Die Kristallstruktur ist nicht stoffspezifisch, das heißt eine Substanz mit bestimmter chemischer Zusammensetzung kann je nach äußeren Bedingungen (Druck, Temperatur) unterschiedliche thermodynamisch stabile Strukturen besitzen. Die verschiedene Kristallstrukturen derselben Substanz werden Modifikationen genannt; die Existenz verschiedener Modifikationen heißt Polymorphie. Die Modifikationen stellen unterschiedliche Phasen im Sinne der physikalischen Chemie dar, deren Stabilitätsbereiche in Phasendiagrammen dargestellt werden können. Die einzelnen Modifikation bzw. Phasen einer Substanz werden, neben eventuell vorhandenen Eigennamen, üblicherweise mit kleinen griechischen Buchstaben durchnummeriert (beim Eisen z.B. α- (Ferrit), γ- (Austenit), δ-, ε-Eisen; vgl. Eisen-Kohlenstoff-Diagramm).

Kristallisation

Ein Kristall kann entstehen, wenn die Temperatur einer Schmelze langsam genug unter den Schmelzpunkt sinkt und daraufhin die thermische Bewegung der einzelnen Atome einen so geringen Wert annimmt, dass die gegenseitigen Bindungen durch Schwingungen nicht mehr aufgebrochen werden können – es kommt zur Bildung eines einheitlichen Gitters, das durch Fernordnung geprägt ist. Das einheitliche Gitter hat eine geringere freie Enthalpie als das amorphe Glas, welches lediglich über eine Nahordnung verfügt. Man bezeichnet diesen Vorgang als Kristallisation.

Die Bildung eines Kristalls ist ein exergonischer Prozess: Zwar nimmt die Entropie im System ab (wegen Zunahme der Fernordnung), bei Temperaturen bis zum Schmelzpunkt wird dies jedoch durch eine Enthalpieabnahme infolge Anziehung zwischen den Teilchen (= Kristallisationswärme) überkompensiert.

Ausgangspunkt für die Kristallbildung ist ein Kristallisationskeim, der bei sinkender Temperatur wächst. Existieren viele solcher Kristallkeime oder setzt die Kristallisation an mehreren Stellen gleichzeitig ein, so entsteht ein Polykristall. Sinkt die Temperatur der Schmelze so schnell, dass sich die Atome nicht periodisch anordnen können, so entsteht ein amorphes Material, ein Glas. In vielen Fällen kommt es im Zuge der Kristallisation zu einem Verwachsen zweier Kristalle gleicher Struktur und Zusammensetzung, welche man in Folge als Kristallzwilling bezeichnet.

Unter einer Umkristallisation versteht man die Änderung einer Kristallstruktur, bedingt durch die Änderung äußerer Faktoren wie den Druck- und Temperaturbedingungen. Hierbei wechselt der kristalline Feststoff seine Modifikation.

Die künstliche Herstellung von Kristallen bezeichnet man als Kristallzucht.

Eigenschaften

Nichtmetallische anorganische Kristalle sind härter, aber auch spröder. Alle Metalle erstarren im Regelfall kristallin.

Das Verhalten von Licht in Kristallen wird durch die Kristalloptik beschrieben. Wichtige hiermit verbundene Eigenschaften und Phänomene sind die optische Aktivität, die Polarisation, die Doppelbrechung und der Pleochroismus. Periodische dielektrische Strukturen, so genannte photonische Kristalle, zeigen neuartige optische Eigenschaften.

Manche Kristalle, z.B. Quarzkristalle, haben piezoelektrische Eigenschaften. Sie bauen eine elektrische Spannung auf, wenn sie verformt werden und verformen sich, wenn elektrische Spannung angelegt wird. Dieser Effekt wird in Piezofeuerzeugen genutzt, um Zündfunken zu generieren. In der Elektronik dienen piezoelektrische Schwingquarze als Taktgeber (z.B. in Quarzuhren). Einige piezoelektrische Kristalle, jedoch nicht alle, wandeln eine Temperaturdifferenz in eine Ladungstrennung um. Diese Eigenschaft wird Pyroelektrizität genannt. Solche Kristalle werden in Bewegungsmeldern und Temperaturfühlern verwendet. Ein besonderer Fall der Pyroelektrizität ist die Ferroelektrizität: Bei ferroelektrischen Kristallen kann die elektrische Polarisation durch das Anlegen einer Spannung umgepolt werden.

Gitterfehler

Ein realer Kristall enthält Gitterfehler, das heißt die dreidimensional-periodische Anordnung der Atome ist gestört. Es gibt Punktfehler, Linienfehler, Flächenfehler und Volumenfehler. Punktfehler sind die einzigen Gitterfehler, die auch im thermodynamischen Gleichgewicht vorkommen.

Formen und Beispiele

Einkristall und Polykristall

Im Regelfall liegt ein kristalliner Festkörper als Polykristall und nicht als Einkristall vor, das heißt er besteht aus vielen kleinen Kristallen (Kristalliten), die durch Korngrenzen voneinander getrennt sind. Zum Beispiel sind Metallgegenstände, Drähte usw. in aller Regel Polykristalle. Besteht ein Körper aus verschiedenen Kristallarten, so heißen die Grenzflächen zwischen ihnen Phasengrenzen.

Mineralien

Kristalle in einer der Höhlen in der Mine von Naica. Man beachte die Person für den Größenvergleich.
Abb. 6: Farbloser Bergkristall
Abb. 7: Buntfarbiger Achat

Viele Minerale sind in der Lage, eine Vielfalt an Kristallformen und Farben auszubilden. Bekannteste Beispiele sind zum einen der Quarz, dessen Ausbildungsformen den ganzen Bereich von makrokristallin-farblos (Bergkristall) bis mikrokristallin-buntfarbig (Achat) abdeckt und zum anderen der Calcit mit ähnlichem Reichtum an Varietäten.

Die weltweit größten Kristalle wurden in der Mine von Naica entdeckt. Sie bestehen aus der Gipsart Marienglas, sind bis 14 m lang und wiegen bis zu 50 Tonnen.

Der Diamant, eine kristalline Form des Kohlenstoffs, ist das härteste natürlich vorkommende Mineral. Auch Silizium kristallisiert im Diamantgitter.

Technische Anwendungen

Silizium ist zurzeit der Stoff, der am häufigsten in großen Mengen als Einkristall (Monokristall) verwendet wird, nämlich in der Halbleitertechnik. Das dort ebenfalls verwendete Galliumarsenid (GaAs) weist hingegen die so genannte Zinkblende-Struktur auf. Die Nanotechnologie befasst sich unter anderem mit Nanokristallen.

Organische Kristalle

Auch organische Stoffe, z.B. die Proteine, bilden Kristalle – allerdings nur in Ausnahmefällen. Zum Beispiel befinden sich in den Peroxisomen der Pflanzen Katalase-Kristalle, die sich durch Elektronenmikroskopie sichtbar machen lassen. Die Proteinkristallographie beschäftigt sich mit der Kristallzucht aus Proteinen zur Strukturanalyse.

Kolloidale Kristalle

Kolloide können Kristalle bilden. Sogar monodisperse harte-Kugel-Suspensionen können ab bestimmten Volumenkonzentrationen Kristalle bilden, da sich die Entropie während der Kristallbildung erhöht. Diese setzt sich aus der Konfigurationsentropie (welche im Vergleich zu kolloidalen Gläsern im kolloidalen Kristall verringert ist) und der Bewegungsentropie zusammen (welche im Vergleich zu kolloidalen Gläsern erhöht ist).

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.06. 2021