Kristallzucht
Unter Kristallzüchtung (seltener auch Kristallzucht) wird die künstliche Herstellung von Kristallen verstanden. Beide Begriffe beschreiben den technischen Prozess, der den Kristall liefert. Dies ist im Deutschen zu unterscheiden vom Kristallwachstum, dem chemischen oder physikalischen Naturvorgang, der durch Anlagerung von Atomen oder Molekülen zur Bildung von Kristallen führt. Im Englischen werden beide genannten Begriffe mit crystal growth beschrieben. Kristallisation (englisch crystallisation) bedeutet allgemein die Bildung eines oder vieler Kristalle, unabhängig vom speziellen Prozess.
Züchtungsmethoden
Die Klassifikation erfolgt zweckmäßig nach der Art des Phasenübergangs, der zur Bildung des Kristalls führt:
Verneuil-Verfahren
1) Beim Verneuil-Verfahren wird das amorphe Ausgangsmaterial durch eine Schüttelvorrichtung in eine nach unten brennende Knallgasflamme gebracht, in der eine Sinterkorundbirne steht. Auf dieser kristallisiert das in der Flamme geschmolzene Material auf, es entstehen, „Birnen". Nach diesem Verfahren werden vor allem Korundeinkristalle für die Uhren- und Instrumentenindustrie als Lagersteine hergestellt. Aus reinem Al2O3 werden Korunde (Leukosaphire) und mit Zusätzen rote Rubine (2,5% Cr2O3-Zusatz), blaue Saphire (1% Titanoxyd und 2% Eisenoxyd als Zusatz), grüne Saphire (Vanadium- und Kobaltoxyd als Zusatz) sowie Alexandrit und Chrysoberyll (durch Zusatz von Vanadiumoxyd) hergestellt. Nach derselben Methode können Spinelle (Mg2AlO4), Rutil (TiO2) und Mullit (3Al202-2SiO2) hergestellt werden. Der künstliche Rutil dient als Schmuck und hat ein größeres Feuer als Diamant. Man gewinnt nach diesem Verfahren in etwa 6 Stunden Korundkristalle von 200 Karat. Die Rubine erlangen heute eine große Bedeutung bei der Herstellung von Maser und Laser (Micro waves bzw. Light amplificationby stimulated emission of Radiation).
Kristallisation
Auf der Kristallisation aus dem Schmelzfluß beruhen die wichtigsten Verfahren zur Herstellung großer, optisch einwandfreier Kristalle Man unterscheidet hier vier Verfahren :
- )Stockbarger-Verfahren: Man läßt eine Schmelze in einem Tiegel von unten her langsam zu einem Einkristall erstarren. Der Tiegel, der unten konisch zu einer Spitze ausläuft, in der sich der Keim bildet, wird in einem Röhrenofen langsam gesenkt. Dieser Ofen hat eine bestimmte Temperaturcharakteristik: Die obere Hälfte besitzt eine etwas oberhalb, die untere dagegen eine unterhalb des Schmelzpunktes des Stoffes liegende Temperatur. Dieses Verfahren findet bei sehr hohen Temperaturen nur durch den Mangel an geeigneten Materialien zur Herstellung des Ofens und der Schmelztiegel seine Grenzen. Es ist bis 1400 °C und auch im Vakuum angewendet worden. Es gestattet ferner die Züchtung großer Einkristalle. So werden industriell nach diesem Verfahren Einkristalle der Alkalihalogenide und auch des Calcium- und Lithiumfluorids bis zu einem Durchmesser von 190 mm und einer Höhe des zylindrischen Teils von 125 mm hergestellt.
- )Verfahren nach Stöber: Die Erstarrung der Schmelze vom Boden des Tiegels aus kann bei feststehendem Tiegel auch dadurch bewirkt werden, daß man die Schmelzpunktsisotherme durch entsprechende Kühlung von unten nach oben durch den Tiegel wandern läßt.
- ) Beim Nacken-Kyropoulos-Verfahren wird an einem Tauchkühler ein Kristallkeim befestigt und in die Schmelze getaucht. Die Temperatur des Ofens wird oberhalb des Schmelzpunkts konstant gehalten. Nachdem der Kristallkeim angeschmolzen ist, wird durch eine Kühlung Wärme vom Kristall abgeführt, der dann als Birne in die Schmelze wächst. Auf demselben Prinzip beruht auch das von Czochralski angegebene Verfahren zur Züchtung einkristalliner Metalldrähte.
- ) Das Zonenschmelzverfahren unterscheidet sich von den oben beschriebenen Verfahren wesentlich dadurch, daß nicht der ganze polykristalline Körper, sondern nur eine relativ kleine Zone aufgeschmolzen wird, die dann als flüssiges Scheibchen durch geeignete Bewegung des Tiegels oder Ofens durch den Block wandert. Dieses Verfahren wird zur Reinigung von Stoffen und zur Herstellung von Germanium- und Siliziumeinkristallen verwendet.
Hydrothermale Synthese
Lassen sich mit den ersten beiden Verfahren keine Kristalle gewinnen, so müssen die Kristalle aus der Lösung gezüchtet werden, eine Methode, die schlechtere Kristalle als aus der Schmelze liefert. Ist der Stoff auch bei gewöhnlicher Temperatur nicht löslich, so muß ein Temperatur-Druck-Bereich gefunden werden, bei dem der Stoff löslich wird und die Löslichkeit von der Temperatur abhängt. Dies ist z. B. beim Quarz der Fall. In einem Autoklaven wird als Bodenkörper Bruchquarz eingefüllt. Im oberen und mittleren Teil des Autoklaven werden Quarzkristallkeime eingehängt, und der Autoklav wird so mit Wasser gefüllt, daß sich bei etwa 400 °C ein Druck von 1050 Atmosphären einstellt. Da der obere Teil kälter ist, bildet sich eine Konvektionsströmung aus, die den Transport des gelösten Materials zu den Kristallkeimen bewirkt, die ihrerseits wachsen. So konnten in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen Quarzkristalle von etwa 160 g wachsen. Die Methode wird industriell nicht mehr angewendet, da noch große Quarzvorräte in der Natur vorhanden sind. Auch tritt die Bedeutung des Kristallquarzes vor den Quarzgläsern, wie Homosil und Ultrasil, zurück.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.03. 2024