Differentieller Widerstand
Für viele elektrische Bauelemente wie Dioden gilt nicht das ohmsche Gesetz, weil ihre Kennlinie keine Gerade durch den Nullpunkt des U-I-Koordinatensystems ist (Ursprungsgerade), sondern eine Kurve anderer Form. Der differentielle Widerstand ist ein Maß für die Stromänderung, wenn die Spannung am Bauteil geringfügig verändert wird. Er kann gemessen oder aus der Ableitung der Kennlinie am gewünschten Punkt berechnet werden.
Der differentielle Widerstand wird verwendet, um das Kleinsignalverhalten von Bauteilen zu beschreiben. Er wird in der Literatur auch als dynamischer Widerstand bezeichnet.
Linearer Widerstand
Für manche Materialien wie Metalle gilt in guter Näherung, dass sich bei Erhöhung der Spannung um einen beliebigen Faktor α auch die Stromstärke um denselben Faktor α erhöht. Dann ist der Quotient
für alle Messpunkte gleich und heißt linearer Widerstand . Gilt die Gleichung für beliebige Augenblickswerte, heißt der Quotient ohmscher Widerstand. In diesem Fall sind differentieller und linearer Widerstand gleich groß.
Berechnung des differentiellen Widerstandes
Bei nichtlinearen Spannungs-Strom-Kennlinien ist der Quotient für jedes Spannungs-Strom-Paar unterschiedlich, weshalb es nicht möglich ist, einen Wert anzugeben. Kleine Spannungs- und Strom-Änderungen in einem Bereich, in dem die Kennlinie durch einen linearen Verlauf angenähert werden kann, sind jedoch zueinander proportional, ihr Quotient wird als differentieller Widerstand bezeichnet. Im nebenstehenden Diagramm entspricht er der Steigung der Tangente am betrachteten Punkt A der Kennlinie. In der Nähe um diesen „Arbeitspunkt“ A kann das Verhalten eines Bauteils häufig durch sein Kleinsignal-Ersatzschaltbild beschrieben werden. Lässt sich eine Funktion ausreichend genau angeben, kann man den differentiellen Widerstand durch den Differentialquotienten berechnen:
Meist fehlt aber dieser funktionelle Zusammenhang, dann kann nur aus den Differenzen benachbarter Messwertpaare und berechnet werden.
Bei der Wahl der Messwertpaare ist zu beachten:
- Ist ihr Abstand zu groß, wird nicht die Tangente, sondern die Sekante berechnet. Mit dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung lässt sich der Fehler verkleinern.
- Ist ihr Abstand zu gering, sorgen die unvermeidlichen Messabweichungen für unrealistische Schwankungen benachbarter Quotienten. Eine Grenzwertbildung mit Messwerten ist nicht sinnvoll.
Die experimentelle Ermittlung sei am Beispiel einer Zenerdiode gezeigt:
- Fließt der Strom durch die Zenerdiode, möge zwischen den Anschlüssen gemessen werden.
- Fließt der Strom durch die Diode, möge gemessen werden.
Daraus errechnet sich – ein Wert, der erheblich geringer ist als der Quotient aus jedem Messwertpaar. Dieser sehr geringe differentielle Widerstand wird zur Spannungsstabilisierung eingesetzt: Obwohl sich der Strom vervierfacht, ändert sich die Spannung nur um 1 %.
Anmerkung: Für die Berechnung der thermischen Belastung einer Zenerdiode darf in der Formel nicht der (viel zu kleine) differentielle Widerstand verwendet werden; vielmehr rechnet man dazu mit dem Widerstand für den mittleren Gleichstrom .
Positiver differentieller Widerstand
Bei positiven differentiellen Widerständen nimmt die Stromstärke mit zunehmender Spannung zu. Die meisten Elemente in der Schaltungstechnik besitzen einen ausschließlich positiven differentiellen Widerstand. Besonders große Werte für misst man bei Konstantstromquellen, Photodioden in Sperrrichtung und Photozellen. Besonders geringe Werte misst man bei Diode, Zenerdiode, Spannungsregler, Akkumulator und öffentlichem Stromnetz.
Negativer differentieller Widerstand
Der differentielle Widerstand kann in einem Teil der Kennlinie negativ sein, so dass die Stromstärke bei steigender Spannung sinkt beziehungsweise die Stromstärke bei sinkender Spannung steigt. Im Bild zur Tunneldiode ist das im Bereich der Fall. Ein negativer differentieller Widerstand kann zum Anregen (Entdämpfen) von Schwingkreisen oder zur Erzeugung von Kippschwingungen verwendet werden, um einen Oszillator zu bauen. So wurden in der Anfangszeit der Funktechnik leistungsstarke Lichtbogensender gebaut. Der negative differentielle Widerstand tritt auch bei Gasentladungen oder bei Bauteilen wie Avalanche- und Tunneldioden sowie Diacs auf, in einfachen elektronischen Schaltungen wie der Lambda-Diode, aber auch bei komplexeren Modulen wie z.B. Schaltnetzteilen auf der Eingangsseite.
Wird eine Glimmlampe so betrieben, dass die Spannung von Null aus ansteigt und den „Umschaltpunkt“ A, an dem der negative differentielle Widerstand beginnt, übersteigt, erfolgt das Umschalten in den anderen Zustand B sehr schnell. Falls dabei der Strom nicht begrenzt wird, wird das Bauelement zerstört. Aus diesem Grund müssen Gasentladungsröhren immer mit einem Vorwiderstand betrieben werden.
Die Umschaltzeit wird durch die interne Kapazität und die Art der Ladungsträger bestimmt:
- Bei einer Gasentladung müssen relativ schwere Ionen einige Millimeter weit bewegt werden, deshalb liegt die Umschaltzeit im Bereich von 10−6 s.
- In einer Tunneldiode werden erheblich leichtere Elektronen nur wenige Mikrometer weit über die Sperrschichten bewegt, weshalb die Umschaltzeit im Bereich von 10−11 s liegt.
Bei Bauelementen mit teilweise fallenden Kennlinien unterscheidet man in Abhängigkeit von deren Form und damit vom Stabilitätsverhalten zwei grundlegende Typen, die wesentlichen Einfluss auf die äußere Beschaltung haben:
- Kennlinien vom Lichtbogentyp sind S-förmig. Da dem Strom eindeutig eine bestimmte Spannung zugeordnet ist, nennt man sie auch stromgesteuert oder leerlaufstabil. Sie treten beispielsweise beim Lichtbogen und bei der Glimmentladung auf.
- Kennlinien vom Dynatrontyp sind N-förmig. Da der Spannung eindeutig ein bestimmter Strom zugeordnet ist, nennt man sie auch spannungsgesteuert oder kurzschlussstabil. Sie treten beispielsweise beim Dynatron und bei der Tunneldiode auf.
Anwendungen
Den differentiellen Widerstand einer Stromquelle bezeichnet man als Innenwiderstand Ri; in Labornetzteilen kann er auch schwach negativ sein. Meist schaltet eine interne Fallunterscheidung zwischen zwei sehr unterschiedlichen Werten um: Bei kleinen Strömen ist Ri sehr klein (Konstantspannungsquelle), bei sehr großen Strömen ist Ri dagegen sehr groß, um das Gerät vor Zerstörung zu schützen (Konstantstromquelle).
Bei der einfachen Spannungsstabilisierung mit einer Zenerdiode bestimmt der differentielle Widerstand den Stabilisierungsfaktor, zur Berechnung der Wärmeentwicklung (Verlustleistung) muss aber der Ohmsche Widerstand herangezogen werden. Vergleichbares gilt für Varistoren.
Bei ausreichend hoher Frequenz lassen sich pin-Dioden als gleichstromgesteuerte Wechselspannungswiderstände mit kurzer Reaktionszeit verwenden.
- In Sperrrichtung lässt nur die sehr geringe Sperrschichtkapazität um 1 pF wenig Wechselstrom passieren.
- In Durchlassrichtung wird der überlagerte Wechselstrom nur wenig durch den geringen differentiellen Widerstand von etwa 1 Ω gedämpft.
- Verringert man den Durchlassstrom, wirkt die pin-Diode wie ein variabler Widerstand, mit dem sich steuerbare Dämpfungsglieder bauen lassen.
Siehe auch
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de Seite zurück© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.11. 2023