Richtcharakteristik
Die Richtcharakteristik beschreibt die Winkelabhängigkeit der Stärke empfangener oder gesendeter Wellen, meist bezogen auf die Empfindlichkeit oder die Intensität in einer Hauptrichtung. Ist die Richtcharakteristik über den Raumwinkel nicht gleichmäßig, dies wird auch als nicht isotrop bezeichnet, dann liegt eine Richtwirkung vor. Die Richtwirkung wird quantitativ durch den Richtfaktor beschrieben.
Der Begriff ist in verschiedenen Bereichen geläufig wie der Antennentechnik, sowohl bei Sende- und Empfangsantennen, bei Lichtquellen wie beispielsweise Leuchtdioden und in der Akustik bei Mikrofonen und Lautsprechern.
Die Richtcharakteristik wird üblicherweise in Polarkoordinaten in einem „Polardiagramm“ dargestellt. Dessen radiale Skalierung ist entweder linear, in relativen Einheiten der bezogenen Leistung, oder logarithmisch, beispielsweise in Dezibel ausgedrückt.
Anwendungsbereiche
Mikrofone
In der Mikrofontechnik beschreibt die Richtcharakteristik die Abhängigkeit der Empfindlichkeit eines Mikrofons, also der Ausgangsspannung im Verhältnis zum Schalldruck, vom Schalleinfallswinkel. Die Richtcharakteristik ist grundsätzlich frequenzabhängig. Oft wird nur ein horizontaler Schnitt angegeben. Der Richtcharakter hängt ab von der Bauform der Mikrofonkapsel und von äußeren Formelementen (z.B. Richtrohrmikrofon). Die Stärke der Richtwirkung beschreibt man mit dem Bündelungsgrad bzw. dem Bündelungsfaktor. Prototypische Richtcharakteristiken werden nach ihrem Aussehen im Polardiagramm benannt:
- Kugel (Kugelcharakteristik = ungerichtet)
- Acht (Achtercharakteristik = Dipol, vorne und hinten gegensätzliche Polarität)
- Keule (Keulencharakteristik, Richtrohr)
-
Kugel
(Omnidirectional) -
Acht
(Figure Eight,
Bidirectional) -
Keule
(Directional)
Mischformen sind:
- Niere (Mischung aus Kugel und Acht)
- Breite Niere (breite Nierencharakteristik)
- Superniere (Supernierencharakteristik)
- Hyperniere (Hypernierencharakteristik)
-
Breite Niere
(Subcardioid) -
Niere
(Cardioid,
unidirectional) -
Superniere
(Supercardioid) -
Hyperniere
(Hypercardioid)
Obige Darstellungen sind logarithmisch bis −30 dB, in folgenden Referenzen sind auch lineare Darstellungen (der Spannungsgrößen) zu finden:
Antennen
Die Richtcharakteristik von Antennen wird auch als Antennendiagramm oder Richtdiagramm bezeichnet und bestimmt (unabhängig, ob gesendet oder empfangen wird) deren winkelabhängigen Gewinn sowie das Vor-Rück-Verhältnis (VRV).
Wie oben bei Mikrofonen beschrieben, gibt es Rundstrahl-, Nieren- oder Achtercharakteristiken sowie (bei stark bündelnden Antennen) Keulencharakteristiken mit mehreren oder wenigen sog. „Nebenzipfeln“. Die Richtcharakteristik von Antennen wird in einem Richtdiagramm oder Antennendiagramm horizontal und vertikal in Polarkoordinaten dargestellt. Sie gibt den winkelabhängigen Antennengewinn relativ zum maximalen Gewinn an.
Die Richtcharakteristik ist auch zur Vermeidung unerwünschter Empfangssignale von Bedeutung (z.B. Vermeidung von „Geisterbildern“ beim analogen Fernsehempfang).
Durch vertikale Antennen-Arrays
lassen sich horizontal ausgerichtete, fächerförmige Charakteristiken (Fächerdiagramme)
erzeugen, um möglichst große Flächen abzudecken.
Beispiele sind:
- Funktelefon-Basisstationen
- Rundfunksender (UKW und Fernsehen auf Fernsehtürmen und Umsetzern)
Ebenso lassen sich waagerechte Arrays zur Verringerung des waagerechten
Abstrahlwinkels einsetzen, z.B. bei Schiffs-Radar-Antennen.
Ein- oder zweidimensionale Antennenarrays können zur elektronischen
Beeinflussung der Richtcharakteristik mit unterschiedlichen Phasenlagen der
Signale für die einzelnen Antennen gespeist werden (Radar-Anlagen ohne bewegte
Antenne, Phased-Array-Antenne).
Große Antennenarrays werden in der Radioastronomie
verwendet, um unter Auswertung der Phasenlage der einzelnen Signale mit extrem
hoher Winkelauflösung den Himmel oder sogar benachbarte Planetenoberflächen zu
untersuchen.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.05. 2022