Nullpunktsenergie
Die Nullpunktsenergie (auch Grundzustandsenergie oder Vakuumenergie oder Quantenvakuum) ist die Differenz zwischen der Energie, die ein quantenmechanisches System im Grundzustand besitzt, und dem Energieminimum, welches das System hätte, wenn man es klassisch beschreiben würde. In thermodynamischen Systemen, die Energie mit ihrer Umgebung austauschen, ist die Nullpunktsenergie damit auch gleich der Energie des Systems am absoluten Temperaturnullpunkt.
Eindimensionale Einteilchensysteme
Die Nullpunktsenergie wird üblicherweise anhand von eindimensionalen Systemen eines Teilchens in einem Potential eingeführt. In der klassischen (das heißt nicht-quantenmechanischen) Physik ist der energieärmste Zustand der, in dem das Teilchen im Potentialminimum ruht. In der Quantenmechanik kann die kleinste erreichbare Energie über dem Wert des Potentialminimums liegen. Für gegebene Beispielsysteme kann dies durch explizite Bestimmung der Energieeigenzustände verifiziert werden.
Alternativ kann man dieses Resultat durch Verwenden der Unschärferelation erhalten: Eine endliche Ortsunschärfe, die z.B. bei gebundenen Zuständen vorliegt, verlangt im Allgemeinen eine Impulsunschärfe größer als null. Daher können der Impuls und die kinetische Energie nicht exakt null sein. Da die kinetische Energie nicht negativ werden kann:
muss die Gesamtenergie, die Summe aus potentieller Energie und kinetischer Energie, somit größer sein als das Minimum der potentiellen Energie:
Harmonischer Oszillator
Das Standardbeispiel für die Nullpunktsenergie ist der quantenphysikalische harmonische Oszillator. Dieser hat das Potential
mit
- der Masse
- der Kreisfrequenz
- der Auslenkung ,
also ein Potentialminimum ,
und das Energiespektrum
- ,
mit
- dem reduzierten planckschen Wirkungsquantum
- : natürliche Zahl inkl. 0.
Auch im energetisch niedrigsten Zustand, dem Grundzustand mit , existiert somit eine von null verschiedene Energie:
Im klassischen Fall ist der Zustand niedrigster Energie der, bei dem das Teilchen am Ort ruht, also . In der Quantenmechanik verbietet aber die Unschärferelation zwischen Ort und Impuls, dass beide Größen exakte Werte haben. Je genauer der Ort bekannt ist, umso ungenauer kennt man den Impuls und umgekehrt. Anschaulich ergibt sich die Nullpunktsenergie als Mittelwert dieser Schwankungen.
Beobachtungen
Als ein experimenteller Nachweis für die Nullpunktsenergie und die dadurch bedingten Vakuumfluktuationen werden häufig der Casimir-Effekt und die Lamb-Verschiebung interpretiert. Jedoch ist es möglich, den Casimir-Effekt auch ohne den Rückgriff auf Vakuumfluktuationen herzuleiten. Die Lamb-Verschiebung ist ein Phänomen in einer wechselwirkenden Quantenfeldtheorie, das dementsprechend nicht auf die Vakuumenergie zurückgeführt werden kann; das Missverständnis entsteht dadurch, dass er zwar eine Folge virtueller Teilchen-Antiteilchen-Paarbildung ist, welche jedoch nicht aus dem Vakuum stattfindet, sondern auf Wechselwirkungen von Feldern zurückgeht. Der Experimentalphysiker Per Delsing und Kollegen von der Universität Göteborg haben 2011 den dynamischen Casimir Effekt mit einem Versuchsaufbau bestätigt. Der Physiker A. Leitenstorfer und Kollegen an der Universität Konstanz haben in einem Versuch Vakuumfluktuationen direkt gemessen.
Die Vakuumenergie gilt als ein möglicher Kandidat für die Dunkle Energie, welche in der Astronomie eine Erklärung für die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums bieten würde. Die Menge der Vakuumenergie stellt in diesem Kontext eines der größten Probleme der modernen Physik dar, da die experimentell gefundenen und die theoretisch vorhergesagten Werte für die Vakuumenergie als Dunkle Energie voneinander abweichen: Aufgrund von Beobachtungen wird die Energiedichte des Vakuums auf einen Wert der Größenordnung 10−9 bis 10−11 J/m3 geschätzt, sie ist damit etwa um den Faktor 10120 niedriger als in den theoretischen Berechnungen.
Historische Entwicklung
Nach Aufgabe des den leeren Raum erfüllenden Äthers als Medium für die Fortpflanzung von Wellen und Bezugsrahmen für die Bewegung von Körpern herrschte in der klassischen Physik die Vorstellung eines weder Materie noch irgendeine Form von Energie enthaltenden Vakuums.
Doch schon das von Max Planck im Jahr 1911 gefundene Strahlungsgesetz seiner „zweiten Theorie“ legte eine Nullpunktenergie des elektromagnetischen Feldes im Vakuum nahe, da eine von der Temperatur unabhängige Größe ½ auftrat. Allerdings maß Planck dem zunächst keine Bedeutung hinsichtlich eines experimentellen Nachweises zu.
Bei ähnlichen Überlegungen gelangten Albert Einstein und Otto Stern 1913 zu dem Schluss, dass die Nullpunktsfluktuationen des elektromagnetischen Feldes am absoluten Nullpunkt der Temperatur bei lägen.
Aufbauend auf den Arbeiten Plancks schlug Walther Nernst zum einen Nullpunktsfluktuationen für das elektromagnetische Feld um den Wert ½ vor und zum anderen, dass das gesamte Universum von Nullpunktenergie erfüllt sei.
Im Jahr 1927 formulierte Werner Heisenberg seine Unschärferelation, die als Grundlage der Nullpunktenergie in jedem quantenmechanischen System gilt.
Georges Lemaître, der wegweisende theoretische Arbeiten zum Urknall und zur Expansion des Universums geleistet hatte, fand 1934 eine Übereinstimmung der Vakuumenergie mit der kosmologischen Konstanten Einsteins (1917), deren Einführung Einstein später jedoch als die „größte Eselei“ seines Lebens bezeichnete.
Bei einer Untersuchung der Van-der-Waals-Kräfte in Kolloidlösungen verwendete Hendrik Casimir zusammen mit Dirk Polder 1947 einen quantenmechanischen Ansatz, welcher zu einer Diskussion mit Niels Bohr führte. Bohr äußerte hierzu, „das muss etwas mit Nullpunktsfluktuationen zu tun haben“. Casimir ging der Idee nach, die Anziehung zwischen neutralen Atomen könne vielleicht nur auf Vakuumfluktuationen beruhen und veröffentlichte 1948 seine grundlegende Arbeit Über die Anziehung zwischen zwei perfekt leitenden Platten. Darin beschrieb er eine theoretische Versuchsanordnung mit zwei Metallplatten im Vakuum, die sich seinen Berechnungen nach aufgrund der Vakuumenergie des elektromagnetischen Quantenfelds anziehen sollten (Casimir-Effekt).
Erste entsprechende Versuche zum Nachweis der Casimirkraft im Vakuum wurden 1958 von Marcus Sparnaay durchgeführt, allerdings mit einem Messfehler von etwa 100 %. Allmählich erreichten die Messungen der Casimirkraft (Wert für zwei Spiegel von 1 cm² Fläche im Abstand 1 µm: 10−7 N) eine höhere Genauigkeit, z.B. betrug der Messfehler bei van Bloklands und Oveerbeeks 1978 25 % und bei Steven Lamoreaux 1996 nur noch 5 %.
In den letzten Jahren fand auch die kosmologische Konstante, die in engem Bezug zur Krümmung der Raumzeit steht, wieder mehr Beachtung, zumal sie nun als kleine positive Energiedichte des Vakuums angesehen wird. Eine neuere Erklärung für die kosmologische Konstante liefert beispielsweise ein zyklisches Universum.
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de Seite zurück© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.01. 2024