Dichteoperator
In der Physik beschreibt der Dichteoperator (auch statistischer Operator) für ein Ensemble gleichartiger Systeme, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein herausgegriffenes System in einem bestimmten Zustand befindet. Der Dichteoperator kann durch die Dichtematrix (bzw. statistische Matrix) dargestellt werden.
Der Dichteoperator wurde ursprünglich im Rahmen der klassischen Physik von George Gabriel Stokes für den Polarisationszustand eines Lichtstrahls entwickelt (Stokes-Parameter). Im Folgenden wird der Dichteoperator im Zusammenhang mit Systemen in quantenmechanisch definierten Zuständen dargestellt.
Der Dichteoperator tritt im Kontext der Quantenstatistik auf.
Die Dichtematrix bzw. der Dichteoperator stammt von Lew Landau (1927) und John von Neumann (1927). Sie wurde von Paul Dirac in seinen Principles of Quantum Mechanics (1930) dargestellt und von John von Neumann in dessen Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik (1932).
Konstruktion
Der Dichteoperator beschreibt einen gemischten Zustand.
In dem betrachteten Ensemble befinden sich mehrere gleichartige Systeme mit den
Wahrscheinlichkeiten
in den orthogonalen Zuständen
.
Sind die Zustände nicht orthogonal, so ist das jeweilige Gewicht
nicht mehr die Wahrscheinlichkeit, mit der das Gemisch im jeweiligen Zustand
vorliegt. Die Gewichte sind auf 1 normiert:
Dann ist (in Bra-Ket-Schreibweise)
der Dichteoperator gegeben durch
Darin ist
der Projektionsoperator,
der angewandt auf einen beliebigen Zustandsvektor
dessen Komponente „parallel“ zum Zustand
herausprojiziert:
Der Faktor
darin ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude, das im Zustand
vorliegende System im Zustand
vorzufinden.
Mit Hilfe der Projektionsoperatoren lässt sich der Dichteoperator auch schreiben als
Für ein Ensemble, in dem alle Systeme im selben Zustand
präpariert sind, ist der Dichteoperator daher einfach der Projektionsoperator
selbst:
Der Dichteoperator für das kanonische Ensemble ist:
In der Eigenbasis des Hamiltonoperators nimmt
die Form (1) an. Analoges erhält man für den Dichteoperator des großkanonischen
Ensembles
.
Messwerte
Für jeden einzelnen Bestandteil
des Zustandsgemischs ist der Mittelwert der Messergebnisse einer physikalischen
Größe
gegeben durch den Erwartungswert
Darin ist
der zu
gehörige Operator (s. Quantenmechanik,
Observable).
Da das Ensemble ein Gemisch von Systemen in den verschiedenen beteiligten
Zuständen
ist, ist der Mittelwert aller Messungen an den einzelnen Systemen die gewichtete
Summe der einzelnen Erwartungswerte:
Dies ist gleich der Spur
wie man mit Hilfe eines vollständigen Systems von orthonormierten
Basisvektoren
sehen kann: Wegen
(Einheitsoperator) ist
Sind die
gerade die Eigenzustände zur Observable
(d.h.
mit den Eigenwerten
),
dann gilt weiter
Darin ist
das über das Ensemble gewichtete Mittel für die Wahrscheinlichkeit, ein
herausgegriffenes System im Eigenzustand
anzutreffen.
ist also auch die Wahrscheinlichkeit, bei einer einzelnen Messung den Eigenwert
als Ergebnis zu erhalten. Charakteristisch ist, dass
durch eine inkohärente
Summe gegeben wird, die von den relativen Phasen der am Ensemble beteiligten
Zustände
unabhängig ist.
Beispiel: Dichteoperator und Dichtematrix für Elektronen-Polarisation
Die Dichtematrix ist die Matrix, mit der der Operator
in Bezug auf eine orthonormierte Basis
dargestellt werden kann:
Basiszustände
Im Folgenden bezeichnet das Zeichen „“,
dass ein Bra, Ket oder ein Operator bezüglich einer Basis dargestellt wird
(vergleiche auch Bra-Ket#Darstellung).
Die Zustände „Spin auf“ (bezgl. z-Achse)
und „Spin ab“
werden als ket-Vektoren durch Spalten dargestellt. Die zugehörigen bra-Vektoren
sind dann Zeilenvektoren:
bzw.
.
Die Projektionsoperatoren (durch Matrizenmultiplikation):
Dies sind auch die Dichtematrizen für vollständig in -
bzw.
-Richtung
polarisierte Elektronen.
Polarisation in z-Richtung
Die z-Komponente des Spins hat die aus den Eigenwerten gebildete
Diagonalmatrix
Für das vorausgesagte Messergebnis ergibt sich für das Ensemble
richtig
Für das Ensemble
ergibt sich
Andere Polarisionsrichtung
Die Zustände von in -
bzw.
-Richtung
polarisierten Elektronen sind
Die Projektionsoperatoren dazu haben (in der Basis der
-Eigenzustände!)
die Matrizen
Charakteristisch ist, dass dies keine Diagonalmatrizen sind und dass sich die
verschiedenen Phasen, mit denen die
-Eigenzustände
als ket-Vektoren hier überlagert wurden, in den Matrixelementen außerhalb der Hauptdiagonale
wiederfinden. Das ist Ausdruck der kohärenten Überlagerung, durch die aus
-Eigenzuständen
die
-Eigenzustände
gebildet werden.
Unpolarisiertes Ensemble
Sind die Elektronen je zur Hälfte in -Richtung
polarisiert, heißt die Dichtematrix:
Die gleiche Dichtematrix ergibt sich für ein Gemisch aus Elektronen, die zu
je 50 % in -Richtung
polarisiert sind. Damit sind auch alle möglichen Messergebnisse identisch zu
denen am Ensemble, das aus
-polarisierten
Elektronen gebildet wurde. Die ursprünglichen Polarisationsrichtungen sind
physikalisch (und damit auch begrifflich) nicht mehr zu unterscheiden: Es ist
beide Male ein und dasselbe Ensemble geworden.
Gemisch verschiedener Polarisationsrichtungen
Für ein Gemisch aus Elektronen mit Spin in -Richtung
und
-Richtung
(Anteile
bzw.
),
heißt die Dichtematrix
Der Erwartungswert des Spins in -Richtung
ist dann
Die in ()-Richtung
polarisierten Elektronen tragen also erwartungsgemäß nichts zum Erwartungswert
bei.
Formale Definition
Gegeben sei ein quantenmechanisches
System, das auf einem Hilbertraum
modelliert ist. Ein beschränkter linearer
Operator
auf
ist ein Dichteoperator, wenn gilt:
- er ist hermitesch
- er ist positiv semidefinit,
- er ist Spurklasse mit Spur gleich 1.
Obwohl die Begriffe Dichtematrix und Dichteoperator oft synonym
gebraucht werden, besteht ein mathematischer Unterschied. Genau wie in der linearen Algebra eine
Matrix
die Basisdarstellung eines linearen Operators ist, kann in der Quantenmechanik
zwischen abstraktem Dichteoperator und einer konkreten
Dichtematrix in einer bestimmten Darstellung unterschieden werden. Ist
ein Dichteoperator, so bezeichnet
die Dichtematrix in Ortsdarstellung.
Sie ist allerdings keine echte Matrix, da die Ortsdarstellung über ein Kontinuum
von uneigentlichen Basisvektoren
definiert ist, sondern ein so genannter Integralkern.
In endlichdimensionalen Hilberträumen (z.B. bei Spinsystemen) ergibt
sich dagegen dann eine positiv semidefinite Matrix mit Spur 1, also eine echte
Dichtematrix, wenn eine Orthonormalbasis
gewählt wird:
.
Eigenschaften
- Die Menge aller Dichteoperatoren ist eine konvexe Menge, deren Rand die Menge der reinen (quantenmechanischen) Zustände ist. Die Menge ist im Gegensatz zu klassischen Theorien kein Simplex, d.h. ein Dichteoperator ist im Allgemeinen nicht eindeutig als Konvexkombination von reinen Zuständen darstellbar.
- Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung einer Observablen
an einem System, das durch den Dichteoperator
beschrieben wird, den Messwert
zu erhalten, ist gegeben durch
- wobei
die orthonormierten Eigenvektoren zum Eigenwert
sind und
der Projektionsoperator auf den entsprechenden Eigenraum ist. Anschließend befindet sich das System im Zustand
- Der Mittelwert der Messwerte (Erwartungswert)
bei Messung einer Observablen
ist
Dichtematrix für reine Zustände
Ist das betrachtete Ensemble
ein reines Ensemble, besteht das System also nur aus einem reinen
Zustand, so gilt für die Dichtematrix .
Für gemischte Zustände gilt stets .
Dichtematrix für ein gleichverteiltes Ensemble
Ein -Niveau-System,
bei dem alle
Zustände gleich wahrscheinlich sind, hat die Dichtematrix
wobei
die
-dimensionale
Einheitsmatrix
bezeichnet.
Reduzierter Dichteoperator
Der reduzierte Dichteoperator wurde 1930 durch Paul Dirac eingeführt. Er bezieht sich auf ein herausgegriffenes Teilsystem eines zusammengesetzten Systems und dient dazu, die Ergebnisse von Messungen an dem Teilsystem vorherzusagen, wenn die übrigen Teile des Systems gar nicht mit beobachtet werden.
Sind
und
zwei Systeme mit (normierten) Zuständen
in ihrem jeweiligen Hilbertraum
,
dann hat das zusammengesetzte System
den Tensorraum
zum Hilbertraum. Das Gesamtsystem befindet sich in einem separablen
Zustand
,
wenn feststeht, dass die beiden Teilsysteme sich in den Zuständen
bzw.
befinden. Allgemein befindet sich das Gesamtsystem in einem Zustand
(mit orthonormierten Basisvektoren
und Konstanten
), der als verschränkt
bezeichnet wird, wenn er sich nicht als separabler Zustand darstellen
lässt.
Für eine Observable des Teilsystems
ist der Operator
zunächst nur im Hilbertraum
definiert. Für die Messung dieser, nur das System
betreffenden Observablen am Gesamtsystem muss der Operator gemäß
zu einem Operator auf
erweitert werden, wobei
der Einheitsoperator in
ist. Für einen separablen Zustand ergibt sich der Erwartungswert
Das stimmt mit dem Ergebnis überein, das man erhält, wenn man das Teilsystem
von vornherein als ein isoliertes System betrachtet. Im Allgemeinen hingegen
folgt für den Erwartungswert:
Darin ist
der reduzierte Dichteoperator für das System
,
wenn das Gesamtsystem im Zustand
ist. Er ist ein Operator im Raum
und hat die Matrixelemente (in der Basis
)
Allgemein ausgedrückt geht der reduzierte Dichteoperator für das Teilsystem
aus dem Dichteoperator
für das Gesamtsystem, der die Matrixelemente
hat, durch Bildung der partiellen
Spur über den Raum
des Teilsystems
hervor.
Eine einfache Interpretation ergibt sich für den Fall, dass es sich bei der
Basis
um die Eigenvektoren des Operators
handelt (mit Eigenwerten
).
Dann ist der Erwartungswert von
ein inkohärent gewichteter Mittelwert von dessen Eigenwerten:
Für den Fall, dass das Gesamtsystem in einem separablen Zustand vorliegt,
z.B. ,
ergibt diese Formel das erwartete Ergebnis
denn alle Glieder mit Index
sind Null, und die Summe
ist die Norm von
,
also gleich 1.
Einteilchendichteoperator
Der Einteilchendichteoperator
ist bei einem Vielteilchensystem der auf den Hilbertraum eines Teilchens
reduzierte Dichteoperator. Bei Systemen identischer Teilchen genügt die Kenntnis
des Einteilchendichteoperators, um Erwartungswerte und Übergangsmatrixelemente
jedes Operators auszurechnen, der die Summe von Einteilchenoperatoren ist. Das
betrifft z.B. die kinetische Energie und die potenzielle Energie in einem
äußeren Feld und ist daher ein wichtiges Hilfsmittel bei der Modellierung der
Elektronenhülle von Atomen und Molekülen. Die Berechnungen werden häufig in
Ortsdarstellung durchgeführt, also basierend auf der N-Teilchen-Wellenfunktion
.
Darin sind
die Orts- und Spinkoordinate des i-ten Teilchens. In der Matrixdarstellung
treten sie hier als z.T. kontinuierliche Indizes auf und werden deshalb
nicht als unterer Index sondern wie das Argument einer Funktion geschrieben. Die
Dichtematrix des Gesamtsystems heißt
Die Einteilchendichtematrix ist dann
Die Wahl der (N-1) Integrations- (bzw. Summations-)variablen mit den Nummern
2 bis
ist beliebig, da die Wellenfunktion bei identischen Teilchen gegenüber
Umnummerierung höchstens das Vorzeichen wechselt und daher für die
Einteilchendichtematrix immer dasselbe Ergebnis herauskommt.
Das Diagonalelement
gibt die Gesamtdichte an, die die
Teilchen am Ort
mit Spinrichtung
bilden.
Da der Einteilchendichteoperator
hermitesch ist, gibt es eine Basis
aus Eigenzuständen:
.
Für die Eigenwerte gilt
und
.
Die
Eigenzustände mit den größten Eigenwerten heißen natürliche Orbitale.
Wenn man jedes natürliche Orbital mit einem Teilchen besetzt, also einen Zustand
in Form der Slater-Determinante
bildet, stellt diese die beste Annäherung an die ursprüngliche
N-Teilchen-Wellenfunktion
dar, die man im Rahmen eines Einzelteilchenmodells in Bezug auf die gesamte
Teilchendichte erreichen kann.
Zeitentwicklung
Aus der Schrödingergleichung, die die Zeitentwicklung (Dynamik) reiner Quantenzustände beschreibt, kann man unmittelbar die Zeitentwicklung gemischter Zustände ableiten. Dazu benutzt man eine beliebige Zerlegung der Dichtematrix in reine Zustände, deren Dynamik der Schrödinger-Gleichung genügt, und berechnet daraus die Dynamik des gemischten Zustandes zu
wobei
der Hamilton-Operator
des Systems ist. Diese Gleichung ist als von-Neumann'sche
Bewegungsgleichung bekannt (nicht zu verwechseln mit der
Heisenberg'schen
Bewegungsgleichung).
Diese Differentialgleichung
kann man für zeitunabhängige Hamilton-Operatoren lösen und erhält mit dem unitären
Zeitentwicklungs-Operator
die Gleichung
.
Diese Lösung kann man durch Einsetzen leicht überprüfen.
Bemerkenswert ist hierbei, dass für den Operator
die übliche Heisenberg'sche
Bewegungsgleichung nicht gilt, da der Zeitentwicklungsoperator der
direkt aus der Schrödingergleichung abgeleiteten Dynamik
gehorcht. Auch die Zeitentwicklung des Operators
durch den Zeitentwicklungsoperator
erfolgt nicht gemäß der üblichen Zeitentwicklungsgleichung für Operatoren
(
für eine gewöhnliche Observable A), was jedoch verständlich ist, da
Entropie
Mit Hilfe der Dichtematrix
lässt sich die Von-Neumann-Entropie
eines Systems wie folgt definieren:
wobei
die Boltzmannkonstante
ist, und die Spur über dem Raum
genommen ist, in dem
operiert.
Die Entropie jedes reinen Zustands ist Null, da die Eigenwerte der Dichtematrix Null und Eins sind. Dies stimmt mit der heuristischen Argumentation überein, dass keine Unsicherheit über die Präparation des Zustandes herrscht.
Man kann zeigen, dass auf einen Zustand angewendete unitäre Operatoren (wie der aus der Schrödinger-Gleichung gewonnene Zeitentwicklungs-Operator) die Entropie des Systems nicht ändern. Das verbindet die Reversibilität eines Prozesses mit seiner Entropieänderung - ein fundamentales Ergebnis, das die Quantenmechanik mit der Informationstheorie und der Thermodynamik verbindet.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 31.07. 2022