Strukturfaktor
Der Strukturfaktor ist ein Maß für das Streuvermögen einer Kristallbasis. Er gibt die relative Intensität des durch die Laue-Indizes , , bestimmten Beugungsreflexes an. Der Strukturfaktor hängt ab vom Aufbau der Basis, dem Streuvermögen der Basisatome und ihrer thermischen Bewegung. Die Richtung, in welcher die Beugungsreflexe beobachtet werden können, werden von der Bragg- bzw. äquivalent von der Laue-Bedingung angegeben, die vom reinen Kristallgitter ausgehen (ein punktförmiges Streuzentrum am Gitterpunkt).
- Röntgenbeugung: Die Streuung der elektromagnetischen Strahlung erfolgt an den Elektronen der Atome. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Elektronenverteilung innerhalb einer Elementarzelle.
- Elektronenbeugung: Die Elektronen werden durch Coulomb-Wechselwirkung an den Hüllenelektronen und den Atomkernen gestreut. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Ladungsverteilung innerhalb einer Elementarzelle.
- Neutronenbeugung: Neutronen wechselwirken durch starke Wechselwirkung mit den Atomkernen und wegen ihres magnetischen Moments mit dem magnetischen Moment der Atome. Der Strukturfaktor ist die Fouriertransformierte der Kernverteilung (Nukleonenverteilung) und der magnetischen Struktur innerhalb einer Elementarzelle.
Beschreibung
Man wählt einen Referenzpunkt innerhalb der Elementarzelle als Ursprung. Betrachtet werden zwei infinitesimale Volumenelemente als Streuzentren, eines am Referenzpunkt , eines bei . Der Wellenvektor der einfallenden Strahlung sei , der der gestreuten sei . Damit ergibt sich folgender Gangunterschied (Wegdifferenz):
Der Phasenunterschied beträgt (die Streuung sei elastisch, also ):
Nach der Laue-Bedingung können Beugungsreflexe nur beobachtet werden, wenn die Änderung des Wellenvektors beim Streuprozess einem reziproken Gittervektor entspricht: . Dies ergibt eingesetzt:
Nun integriert man über das Volumen einer Elementarzelle und gewichtet die Phasenunterschiede mit dem Streuvermögen jedes Volumenelements . Das Streuvermögen ist je nach Beugungsexperiment (siehe oben) die Elektronendichte, die Ladungsdichte oder die Kerndichte.
Die am Kristall gebeugte Welle hat eine Amplitude, die proportional zu der eben berechneten Größe ist.
bezeichnet man als Strukturfaktor. Dieser ist von den Laue-Indizes , , abhängig, da der reziproke Gittervektor gleich ist. Der Strukturfaktor ist somit die Fouriertransformierte des Streuvermögens (z.B. der Elektronendichte) .
Der Vektor lässt sich als Linearkombination der primitiven Gittervektoren schreiben: . Mit der Relation lässt sich das Skalarprodukt im Exponenten auswerten ( entspricht ):
Der Strukturfaktor ist eine komplexe Größe . Als Ergebnis eines Beugungsexperiments beobachtet man die Intensität der gebeugten Welle, die proportional zum Betragsquadrat des Strukturfaktors ist:
Somit gehen alle Phaseninformationen verloren. Würde als Ergebnis einer Messung zur Verfügung stehen, könnte man durch Fouriertransformation die gesuchte Größe finden:
Da aber nur bekannt ist müssen Näherungsmethoden wie die Patterson-Methode verwendet werden, um das Phasenproblem zu lösen.
Atomarer Streufaktor
Der Ortsvektor wird nun zerlegt in einen Anteil , der vom Bezugspunkt zum Kern des -ten Atom zeigt, und einen Vektor , der vom Kern des -ten Atoms zum betrachteten Volumenelement zeigt.
In der Gleichung für den Strukturfaktor wird das Integral über die ganze Elementarzelle aufgespalten in eine Summe über kleinere Integrationsgebiete, nämlich die Volumina der einzelnen Atome . Dabei ist das Streuvermögen (z.B. Elektronendichte) des -ten Atoms. Die Summe läuft über alle Atome der Elementarzelle:
Das Integral wird atomarer Streufaktor (oder auch Atomformfaktor) des -ten Atoms genannt:
Damit schreibt sich der Strukturfaktor wie folgt:
Mit oben eingeführter Komponentenschreibweise:
Betrachtet man zusätzlich noch die thermische Bewegung der Atome, so ist zeitabhängig. Nun zerlegt man in einen mittleren Aufenthaltsort (Gleichgewichtslage, ruhend) und der Auslenkung (zeitabhängig). Letztere führt auf den Debye-Waller-Faktor.
Beispiel
Als Beispiel wird der Strukturfaktor für eine Cäsiumchloridstruktur berechnet. Das Gitter ist kubisch primitiv mit 2-atomiger Basis, die primitiven Gittervektoren sind , , . Das eine Basisatom sitzt bei das andere bei .
Ist die Summe der Laue-Indizes gerade, hat der gebeugte Röntgenstrahl eine hohe Intensität, bei ungerader Summe, ist die Intensität minimal. Haben beide Basisatome denselben atomaren Streufaktor , so ist bei ungerader Summe die Intensität gleich Null; man spricht von vollständiger Auslöschung. Dies trifft beim kubisch-raumzentrierten Gitter (bcc-Gitter) zu, wenn man es im System des kubisch primitiven Gitters mit zwei gleichen Basisatomen beschreibt:
Literatur
- Borchardt-Ott, Walter: Kristallographie: eine Einführung für Naturwissenschaftler. Springer Verlag.
- Massa, Werner: Kristallstrukturbestimmung. Teubner Verlag.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.06. 2021