Stochastisch unabhängige Ereignisse
Die stochastische Unabhängigkeit von Ereignissen ist ein fundamentales wahrscheinlichkeitstheoretisches Konzept, das die Vorstellung von sich nicht gegenseitig beeinflussenden Zufallsereignissen formalisiert: Zwei Ereignisse heißen stochastisch unabhängig, wenn sich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das eine Ereignis eintritt, nicht dadurch ändert, dass das andere Ereignis eintritt beziehungsweise nicht eintritt.
Stochastische Unabhängigkeit zweier Ereignisse
Definition
Es sei  
ein Wahrscheinlichkeitsraum 
und 
 
seien beliebige Ereignisse, 
also messbare 
Teilmengen der Ergebnismenge 
.
Die Ereignisse  
und 
 
heißen (stochastisch) unabhängig, wenn
gilt. Zwei Ereignisse sind also (stochastisch) unabhängig, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass beide Ereignisse eintreten, gleich dem Produkt ihrer Einzelwahrscheinlichkeiten ist.
Beispiel
Betrachtet man als Beispiel das zweimalige Ziehen aus einer Urne mit vier Kugeln, davon zwei schwarz und zwei rot.
Zuerst wird mit Zurücklegen gezogen. Betrachtet man die Ereignisse
dann ist  
und 
. 
Es ist dann
- . 
Die beiden Ereignisse sind also unabhängig.
Zieht man hingegen ohne Zurücklegen, so lauten die neuen 
Wahrscheinlichkeiten für dieselben Ereignisse  
und 
. 
Es ist außerdem 
. 
Die Ereignisse sind also nicht stochastisch unabhängig. Dies macht klar, dass 
stochastische Unabhängigkeit nicht nur eine Eigenschaft von Ereignissen, sondern 
auch der verwendeten Wahrscheinlichkeitsmaße 
ist.
Elementare Eigenschaften
- Stochastische Unabhängigkeit ist eine symmetrische Eigenschaft. Es sind also immer A und B unabhängig voneinander und nie A unabhängig von B, aber B nicht unabhängig von A.
- Ein Ereignis ist genau dann von sich selbst unabhängig, wenn es mit 
  Wahrscheinlichkeit 0 oder 1 eintritt. Insbesondere ist die Grundmenge und die leere Menge stets von sich selbst unabhängig. 
- Hat das Ereignis A die Wahrscheinlichkeit 0 oder 1, so sind A und B für 
  beliebige Wahl von B voneinander unabhängig, da dann immer beziehungsweise gilt. Die Umkehrung ist auch richtig: ist A von jedem beliebigen B unabhängig, so ist oder 
- Unabhängigkeit ist nicht zu verwechseln mit Disjunktheit. Disjunkte Ereignisse sind nach obigen Bemerkungen nur unabhängig, wenn eines der Ereignisse die Wahrscheinlichkeit 0 oder 1 hat.
- Unter Verwendung des wichtigen Begriffes der bedingten 
  Wahrscheinlichkeit erhält man die folgenden äquivalenten Definitionen: 
  Zwei Ereignisse und mit sind genau dann unabhängig, wenn 
- oder dazu äquivalent
- Insbesondere die letzten beiden Definitionen zusammen sagen aus: Die 
  Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Ereignisses hängt nicht davon ab, ob das Ereignis oder eintritt. Da die Rollen von und auch vertauscht werden können, sagt man, die beiden Ereignisse sind unabhängig voneinander. 
Geschichte
Das Konzept nahm in Untersuchungen von Abraham de Moivre und Thomas Bayes über Glücksspiele mit Ziehen ohne Zurücklegen Gestalt an, auch wenn zuvor Jakob I. Bernoulli implizit darauf aufbaut. De Moivre definiert in The Doctrine of Chance 1718
“… if a Fraction expresses the Probability of an Event, and another Fraction the Probability of an another Event, and those two Events are independent; the Probability that both those Events will Happen, will be the Product of those Fractions.”
Und in einer späteren Ausgabe
“Two Events are independent, when they have no connexion one with the other, and that the happening of one neither forwards nor obstructs the happening of the other.”
Das letztere ist Vorläufer der Darstellung von stochastischer Unabhängigkeit 
über bedingte Wahrscheinlichkeiten . 
Die erste formal korrekte Definition der stochastischen Unabhängigkeit wurde 
1900 von Georg Bohlmann gegeben.
Stochastische Unabhängigkeit mehrerer Ereignisse
Definition
Sei  
ein Wahrscheinlichkeitsraum, 
 
eine nichtleere Indexmenge und sei 
 
eine Familie von Ereignissen. Die Familie von Ereignissen heißt unabhängig, wenn 
für jede endliche nichtleere Teilmenge 
 
von 
 
gilt, dass
Beispiel
Gemäß obiger Definition sind drei Ereignisse , 
, 
 
genau dann stochastisch unabhängig, wenn sie paarweise unabhängig sind und 
zusätzlich 
 
gilt. Folgendes Beispiel von Sergei Natanowitsch Bernstein 
(1927) zeigt die paarweise Unabhängigkeit von drei Ereignissen 
, 
 
und 
, 
die aber nicht gemeinsam (also 
, 
 
und 
 
gleichzeitig) unabhängig sind (ein ähnliches Beispiel wurde bereits 1908 von Georg Bohlmann gegeben).
In einer Schachtel befinden sich 4 Zettel mit folgenden Zahlenkombinationen: 112, 121, 211, 222. Einer der Zettel wird zufällig (je mit Wahrscheinlichkeit 1/4) gezogen. Wir betrachten dann folgende drei Ereignisse:
- mit 
- mit 
- mit 
Offensichtlich sind die drei Ereignisse paarweise unabhängig, da gilt
Die drei Ereignisse sind jedoch nicht (gemeinsam) unabhängig, da gilt
Des Weiteren kann aus  
nicht geschlossen werden, dass die drei Ereignisse paarweise unabhängig sind. 
Betrachtet man dazu beispielsweise die Grundmenge
und die Ereignisse
versehen mit der Gleichverteilung, so ist
- . 
Aber es ist zum Beispiel
- . 
Unabhängigkeit und Kausalität
Wichtig ist, dass stochastische Unabhängigkeit und Kausalität grundlegend verschiedene Konzepte sind. Die stochastische Unabhängigkeit ist eine rein abstrakte Eigenschaft von Wahrscheinlichkeitsmaßen und Ereignissen. Es besteht per se kein Zusammenhang zwischen stochastischer und kausaler Unabhängigkeit. So ist die stochastische Unabhängigkeit in Gegensatz zur kausalen Unabhängigkeit immer eine symmetrische Eigenschaft, es ist also immer A unabhängig von B und B unabhängig von A. Dies ist bei kausaler Unabhängigkeit nicht gegeben.
Stochastische Unabhängigkeit und kausale Abhängigkeit
Betrachtet man beispielsweise beim Werfen von zwei Würfeln die Ereignisse 
, 
dass der erste Würfel eine gerade Augenzahl zeigt, und 
, 
dass die Summe der gewürfelten Zahlen gerade ist, dann ist 
 
und 
. 
Die Ereignisse sind also stochastisch unabhängig voneinander, aber B ist 
kausal abhängig von A, da der Wurf des ersten Würfels die Summe der 
Augenzahlen mitbestimmt.
Stochastische Unabhängigkeit und kausale Unabhängigkeit
Ein Beispiel, bei dem sowohl stochastische als auch kausale Unabhängigkeit 
eintritt ist das Werfen zweier Würfel mit der Ereignissen , 
dass der erste Würfel eine 6 zeigt, und 
, 
dass der zweite Würfel eine 6 zeigt. Es ist dann 
 
und 
, 
es liegt also stochastische Unabhängigkeit vor. Außerdem besteht kein kausaler 
Zusammenhang zwischen den Würfeln.
Stochastische Abhängigkeit und kausale Abhängigkeit
Ein Fall, bei dem sowohl stochastische als auch kausale Abhängigkeit 
vorliegt, ist der zweimalige Münzwurf und die Ereignisse , 
dass zweimal Kopf geworfen wird, und 
, 
dass der erste Wurf Zahl zeigt. Es ist dann 
 
und 
, 
aber 
, 
da die Ereignisse disjunkt sind. Also sind die Ereignisse sowohl stochastisch 
abhängig als auch kausal abhängig.
Bemerkungen
Bei methodisch korrektem Vorgehen kann man nicht einfach Unabhängigkeit 
vermuten, sondern man muss sie anhand obiger Formel überprüfen. Dabei ist 
meistens die gemeinsame Wahrscheinlichkeit  
nicht von vornherein gegeben. Bei der statistischen 
Auswertung erhobener Daten kann man beispielsweise mit einem χ2-Test die 
Merkmale auf stochastische Unabhängigkeit testen.
Verallgemeinerungen
Eine wichtige Verallgemeinerung der stochastischen Unabhängigkeit ist die Unabhängigkeit von Mengensystemen und die daraus folgende weitere Verallgemeinerung der stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen. Diese sind ein zentrales Konzept der Wahrscheinlichkeitstheorie und Voraussetzung für viele weitreichende Sätze. Mittels des bedingten Erwartungswertes lassen sich alle genannten Konzepte noch zur bedingten Unabhängigkeit erweitern.

 Wikipedia.de
 
    Wikipedia.de

© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 24.01. 2021