Wendepunkt
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In der Mathematik ist ein Wendepunkt ein Punkt auf einem Funktionsgraphen, an dem der Graph sein Krümmungsverhalten ändert: Der Graph wechselt hier entweder von einer Rechts- in eine Linkskurve oder umgekehrt. Dieser Wechsel wird auch Bogenwechsel genannt. Die Ermittlung von Wendepunkten ist Bestandteil einer Kurvendiskussion.
Ein Wendepunkt
an der Wendestelle
liegt vor, wenn die Krümmung des Funktionsgraphen an der Stelle
ihr Vorzeichen
wechselt. Daraus lassen sich verschiedene hinreichende
Kriterien zur Bestimmung von Wendepunkten ableiten. Ein Kriterium fordert,
dass die zweite Ableitung
der differenzierbaren
Funktion
an der Stelle
ihr Vorzeichen wechselt. Andere Kriterien fordern nur, dass die zweite Ableitung
der Funktion Null ist und dass bestimmte höhere Ableitungen ungleich Null sind.
Betrachtet man die zweite Ableitung einer Funktion
als „Steigung ihrer Steigung“, lassen sich ihre Wendestellen auch als [lokale]
Extremstellen, das heißt
[lokale] Maxima oder Minima, ihrer Steigung interpretieren.
Tangenten durch einen Wendepunkt (im Bild rot gezeichnet) heißen Wendetangenten. Wendepunkte, in denen diese Wendetangenten horizontal verlaufen, werden Sattel-, Terrassen- oder Horizontalwendepunkte genannt.
Analog zum Begriff Extremwert
scheint der Begriff Wendewert für den entsprechenden Funktionswert
intuitiv plausibel und wird auch von manchen Quellen verwendet. Allerdings wird
dabei direkt oder indirekt (durch Nutzung von bspw. Anführungszeichen)
darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen tendenziell unüblichen
Terminus handelt.
Definition
Sei
ein offenes Intervall
und
eine stetige
Funktion. Man sagt,
habe in
einen Wendepunkt, wenn es Intervalle
und
gibt, so dass entweder
Anschaulich bedeutet dies, dass der Graph
der Funktion
im Punkt
das Vorzeichen
seiner Krümmung ändert. Die
Krümmung einer zweimal stetig
differenzierbaren Funktion wird durch ihre zweite Ableitung beschrieben.
Kriterien zur Bestimmung von Wendepunkten
Im Folgenden wird angenommen, dass die Funktion
hinreichend oft differenzierbar ist. Gilt dies nicht, so sind die folgenden
Kriterien bei der Suche nach Wendepunkten nicht anwendbar. Zuerst wird ein
notwendiges Kriterium vorgestellt, das heißt jede zweimal stetig
differenzierbare Funktion muss dieses Kriterium an einer Stelle
erfüllen, damit unter Umständen an diesem Punkt ein Wendepunkt vorliegt. Danach
werden einige hinreichende Kriterien angegeben. Sind diese Kriterien erfüllt, so
liegt sicher ein Wendepunkt vor, jedoch gibt es auch Wendepunkte, die diese
hinreichenden Kriterien nicht erfüllen.
Notwendiges Kriterium
Sei
eine zweimal stetig differenzierbare Funktion, dann beschreibt, wie in der
Definition schon angemerkt, die zweite Ableitung die Krümmung des
Funktionsgraphen. Da ein Wendepunkt ein Punkt ist, an dem sich das Vorzeichen
der Krümmung ändert, muss die zweite Ableitung der Funktion
an diesem Punkt null sein. Es gilt also:
- Ist
eine Wendestelle, so ist
.
Hinreichendes Kriterium ohne Verwendung der dritten Ableitung
Bei Kurvendiskussionen wird in der Regel eine der beiden folgenden
hinreichenden Bedingungen verwendet. In der ersten Bedingung kommt nur die
zweite Ableitung vor; dafür muss das Vorzeichen von
für
und für
untersucht werden.
Wechselt
vom Negativen ins Positive, so ist
Rechts-links-Wendestelle. Wenn
an
vom Positiven ins Negative wechselt, so ist
eine Links-rechts-Wendestelle.
Hinreichendes Kriterium unter Verwendung der dritten Ableitung
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In der zweiten für einen Wendepunkt hinreichenden Bedingung wird auch die
dritte Ableitung benötigt, allerdings nur an der Stelle
selbst. Diese Bedingung wird vor allem dann verwendet, wenn die dritte Ableitung
leicht zu ermitteln ist. Der Hauptnachteil gegenüber der schon erläuterten
Bedingung liegt darin, dass im Falle
keine Entscheidung getroffen werden kann.
Genauer folgt aus
und
,
dass
bei
ein Minimum des Anstiegs, also eine Rechts-links-Wendestelle besitzt, während
sie umgekehrt für
und
bei
ein Maximum des Anstiegs, also eine Links-rechts-Wendestelle aufweist.
Hinreichendes Kriterium unter Verwendung weiterer Ableitungen
Ist die Funktion
hinreichend oft differenzierbar, kann auch im Falle
eine Entscheidung getroffen werden. Dies basiert auf der Entwicklung von
an der Stelle
mittels der Taylor-Formel:
Diese allgemeinere Formulierung enthält damit auch schon den vorangegangenen Fall: Beginnend mit der dritten Ableitung wird die nächste von Null verschiedene Ableitung gesucht, und falls dies eine Ableitung ungerader Ordnung ist, handelt es sich um eine Wendestelle.
Oder ganz allgemein formuliert: Ist die erste von Null verschiedene Ableitung
der Funktion
an der Stelle
,
an der
ist, eine Ableitung ungerader Ordnung > 2, besitzt
damit an dieser Stelle einen Wendepunkt.
Beispiel
Dann ist die zweite Ableitung der Funktion gegeben durch:
Eine Wendestelle
muss die Bedingung
bzw.
erfüllen. Daraus folgt .
Um zu klären, ob an dieser Stelle tatsächlich ein Wendepunkt vorliegt,
untersucht man nun auch die dritte Ableitung:
Aus
ist zu schließen, dass es sich um einen Wendepunkt handelt. Diese Tatsache ist
auch ohne Verwendung der dritten Ableitung zu erkennen: Wegen
für
und
für
ändert sich das Krümmungsverhalten; daher muss ein Wendepunkt vorliegen.
Die -Koordinate
dieses Wendepunkts erhält man durch Einsetzen von
in die Funktionsgleichung.
Die Gleichung der Wendetangente kann bestimmt werden, indem man die x-Koordinate des Wendepunktes (2) in die erste Ableitung einsetzt. Somit erhält man die Steigung (m). Danach setzt man in die Funktionsbestimmung (y = mx + b) die ermittelte x- & y-Koordinate des Wendepunkts und den m- (Steigungs-)Wert ein. Man erhält dann den Schnittpunkt mit der y-Achse (b) und somit die komplette Gleichung der Wendetangente.
- Wendetangente:
Besondere Fälle
Der Graph der Funktion
ändert bei
sein Krümmungsverhalten (Übergang von Rechts- in Linkskrümmung). Die erste
Ableitung an der Stelle
existiert nicht, der obige Formalismus ist damit nicht anwendbar. Dennoch hat
die Funktion bei
einen Wendepunkt.
Der Graph der Funktion mit der Gleichung
im positiven und
im negativen Bereich und bei
,
d.h.
,
hat zwar eine erste, aber keine zweite Ableitung an der Stelle
,
gleichwohl liegt ein Wendepunkt vor.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 16.12. 2021