Metrisches Differential
Das metrische Differential ist ein Ersatz für den Ableitungsbegriff für Abbildungen in metrische Räume. Es wurde 1994 vom deutschen Mathematiker Bernd Kirchheim in einem Aufsatz über die Regularität von Hausdorff-Maßen eingeführt. Die Hauptanwendung des metrischen Differentials besteht in der Verallgemeinerung des Satzes von Rademacher von Funktionen zwischen euklidischen Räumen auf solche in allgemeine metrische Räume.
Motivation
Euklidische Räume tragen neben ihrer metrischen Struktur zusätzlich eine lineare. Deshalb ist es möglich, für eine Funktion zwischen euklidischen Räumen lokale lineare Näherungen zu betrachten. Existiert für eine Stelle des Definitionsbereiches eine beste solche Näherung, so heißt die Funktion dort (total) differenzierbar und die entsprechende lineare Funktion wird Ableitung oder Differential an dieser Stelle genannt. Einschränkend lässt sich auch die Ableitung in eine bestimmte Richtung betrachten. Für Abbildungen in allgemeine metrische Räume lassen sich solche Aussagen zunächst nicht treffen, da die besagte lineare Struktur fehlt. Das metrische Differential dient nun dazu, diese Begriffe im Sinne einer besten isometrischen Näherung auf die letztgenannten Abbildungen zu übertragen.
Definition
Sei im Weiteren
eine Funktion von einem euklidischen Raum in einen metrischen Raum
und
ein Punkt. Setze nun
für einen Vektor ,
falls dieser Grenzwert
existiert. Die Funktion
heiße dann das metrische Differential von
an der Stelle
.
Existiert ,
so heiße
an dieser Stelle in Richtung
metrisch differenzierbar. Ist
sogar eine Funktion auf ganz
,
so heiße
in
überhaupt metrisch differenzierbar.
Eigenschaften
Bezug zur Stetigkeit
Wie man es bei einem Differenzierbarkeitsbegriff erwarten kann, gilt folgender Satz.
- Ist
an der Stelle
metrisch differenzierbar, so ist
dort auch stetig als Abbildung zwischen metrischen Räumen.
Verallgemeinerung des Fréchet-Differentials
Fasst man den
in natürlicher Weise (durch die euklidische
Norm) als einen normierten
Raum auf und ist auch die Metrik
durch eine Norm
induziert, so wird
zu einer Funktion zwischen normierten Räumen und lässt sich so auf Fréchet-Differenzierbarkeit
überprüfen. In diesem Fall gilt der Satz:
- Ist
an einer Stelle
Fréchet-differenzierbar mit dem Differential
, so ist
auch metrisch differenzierbar und es gilt weiter
für jedes
.
Zu beachten ist dabei, dass die Forderung an
keine echte Einschränkung ist, denn nach dem Satz
von Kunugui lässt sich jeder metrische Raum isometrisch in einen Banachraum einbetten.
Verallgemeinerung des Satzes von Rademacher
- Falls
Lipschitz-stetig ist, so ist die Funktion auch fast überall metrisch differenzierbar.
Das heißt, die Punkte, in denen sie nicht differenzierbar ist, bilden eine Nullmenge (bezüglich des Hausdorff-Maßes).
Halbnormeigenschaft
- Sei
wieder Lipschitz-stetig, dann ist für fast jedes
die Abbildung
eine Halbnorm auf
.
In diesem Fall lässt sich außerdem zeigen:
- Für beliebige
gilt:
.
Das heißt in einer – gegebenenfalls sehr kleinen – Umgebung von
ist
die beste isometrische Näherung für
.
Dabei bezeichne
die übliche euklidische
Metrik auf
;
für die Verwendung der "Klein-o-Notation" siehe auch: Landau-Symbole
- Gibt es nun umgekehrt für eine – nun nicht notwendig Lipschitz-stetige –
Funktion
und eine Stelle
eine Halbnorm
mit der Eigenschaft:
, so muss
mit
identisch sein und
ist an dieser Stelle metrisch differenzierbar.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 20.06. 2021