Fréchet-Ableitung

Die Fréchet-Ableitung (nach Maurice René Fréchet) verallgemeinert den Begriff der Ableitung aus der üblichen Differentialrechnung im \mathbb {R} ^{n} auf normierte Räume. Bei Abbildungen zwischen endlichdimensionalen Räumen ergibt sich aus diesem Differenzierbarkeitsbegriff der übliche Begriff der totalen Differenzierbarkeit.

Definition

Beziehung der drei Abbildungen

Es seien (X,\|{\cdot }\|_{X}) und (Y,\|{\cdot }\|_{Y}) zwei normierte Räume und U\subset X eine offene Teilmenge. Ein Operator A\colon U\to Y heißt Fréchet-differenzierbar an der Stelle \varphi \in U, wenn es einen beschränkten linearen Operator A'(\varphi )\colon X\to Y derart gibt, dass

\lim _{{\|h\|_{X}\to 0}}{\frac  {1}{\|h\|_{X}}}\,\|A(\varphi +h)-A(\varphi )-A'(\varphi )h\|_{Y}=0

gilt. Der Operator A'(\varphi ) heißt Fréchet-Ableitung von A an der Stelle \varphi . Existiert die Fréchet-Ableitung für alle \varphi \in U, dann heißt die Abbildung A'\colon U\to L(X,Y) mit \varphi \mapsto A'(\varphi ) die Fréchet-Ableitung von A auf U. Mit L(X,Y) wird der Raum der stetigen linearen Abbildungen von X nach Y bezeichnet.

Äquivalente Definition

Eine äquivalente Definition ist:

Zu jedem \epsilon >0 gibt es ein \delta >0 so, dass für alle h\in X mit \|h\|\leq \delta gilt

{\displaystyle \|A(\varphi +h)-A(\varphi )-A'(\varphi )h\|_{Y}\leq \epsilon \|h\|_{X}}.

Dies lässt sich auch kurz mit Hilfe der Landau-Symbole schreiben:

{\displaystyle A(\varphi +h)-A(\varphi )=A'(\varphi )h+o(\|h\|_{X})} für h\to 0.

Beispiele

Lineare Operatoren

Für endlichdimensionale normierte Räume X,Y sind alle linearen Operatoren A \colon X\to Y Fréchet-differenzierbar mit konstanter Ableitung. An jedem Punkt ist die Ableitung der lineare Operator selbst: A'(\varphi )=A für alle {\displaystyle \varphi \in X}.

Im unendlichdimensionalen Fall sind unter den linearen Operatoren genau die beschränkten (=stetigen) Fréchet-differenzierbar. Unbeschränkte lineare Operatoren sind nicht Fréchet-differenzierbar.

Reellwertige Funktionen

Ist f\colon U\to {\mathbb  {R}} eine reellwertige Funktion, die auf einer offenen Menge U\subset {\mathbb  {R}}^{n} definiert ist, und besitzt f stetige partielle Ableitungen, dann ist f auch Fréchet-differenzierbar. Die Ableitung an der Stelle x wird durch den üblichen Gradienten von f gegeben gemäß:

f'(x)\colon h\mapsto {\mbox{grad}}f(x)\cdot h=\sum \limits _{{i=1}}^{n}{\frac  {\partial f}{\partial x_{i}}}(x)\,h_{i}

Dieses Beispiel zeigt den Zusammenhang zur üblichen Differentialrechnung im \mathbb {R} ^{n}. Die Fréchet-Ableitung ist also tatsächlich eine Verallgemeinerung der Differentialrechnung für normierte Räume.

Integraloperator

Sei J=[a,b]\subset \mathbb{R} , k\colon J\times J\to \mathbb{R} stetig und f\colon J\times \mathbb{R} \to \mathbb{R} stetig und im zweiten Argument stetig differenzierbar. Der nichtlineare Integraloperator F\colon C(J)\to C(J) definiert durch

(Fx)(t)=\int _{a}^{b}k(t,s)f(s,x(s)){\mathrm  {d}}s

ist fréchet-differenzierbar. Seine Ableitung F^{\prime } lautet

(F^{\prime }(x)h)(t)=\int _{a}^{b}k(t,s){\frac  {\partial f}{\partial x}}(s,x(s))\,h(s){\mathrm  {d}}s.

Aufgrund des Mittelwertsatzes der Differentialrechnung gilt nämlich

f(s,x(s)+h(s))-f(s,x(s))={\frac  {\partial f}{\partial x}}(s,x(s)+\rho (s)h(s))\,h(s)

mit 0<\rho (s)<1 und wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von \tfrac{\partial f}{\partial x} auf J\times \{z\in \mathbb{R} :|z|\leq \sup |x|+1\} gilt

\sup _{{s\in J}}\left|{\frac  {\partial f}{\partial x}}(s,x(s)+\rho (s)h(s))-{\frac  {\partial f}{\partial x}}(s,x(s))\right|\leq \epsilon

für \sup |h|\leq \delta . Für \sup |h|\leq \delta gilt also

\sup \left|F(x+h)-F(x)-\int _{a}^{b}k(\cdot ,s){\frac  {\partial f}{\partial x}}(s,x(s))h(s){\mathrm  {d}}s\right|\leq \epsilon \,\sup |h|\,\max _{{(t,s)\in J\times J}}|k(t,s)|(b-a),

was die Darstellung der Ableitung beweist.

Rechenregeln

Es lassen sich die üblichen Rechenregeln für die totale Ableitung im \mathbb {R} ^{n} auch für die Fréchet-Ableitung zeigen. Folgende Gleichungen gelten, sofern sie im Sinne obiger Definition sinnvoll sind, insbesondere also die vorkommenden Abbildungen an den entsprechenden Stellen differenzierbar sind:

Zusammenhang zwischen Fréchet- und Gâteaux-Ableitung

Sei A an der Stelle \varphi Fréchet-differenzierbar, dann existiert für jede beliebige Richtung h\in X das Gâteaux-Differential \delta A(\varphi ,h) und es gilt:

\delta A(\varphi ,h)=A'(\varphi )h.

Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.

Außerdem existiert dann die Gâteaux-Ableitung von A an der Stelle \varphi , die im Folgenden mit A'_{s}(\varphi ) bezeichnet wird, und es gilt:

A'_{s}(\varphi )=A'(\varphi ).

Auch hier gilt die Umkehrung im Allgemeinen nicht. Unter folgenden Bedingungen gilt auch die Umkehrung:

Falls A in einer Umgebung U von \varphi Gâteaux-differenzierbar ist, das heißt das Gâteaux-Differential in jedem Punkt der Umgebung stetig und linear ist, und die Abbildung

{\displaystyle A'_{s}(.)\colon U\to {\mathcal {L}}(X,Y)} gegeben durch \psi \mapsto A'_{s}(\psi )

im Punkt \varphi stetig ist bezüglich der Operatornorm auf {\mathcal  {L}}(X,Y), so ist A im Punkt \varphi Fréchet-differenzierbar.

Diese Bedingung ist nicht notwendig. Etwa existieren schon im Eindimensionalen total differenzierbare Funktionen, die nicht stetig differenzierbar sind.

Anwendungsbeispiel

Die Fréchet-Ableitung kann z.B. zur Lösung sogenannter inverser Randwertprobleme im Rahmen eines Newton-Verfahrens verwendet werden. Als Beispiel für diese Anwendung betrachten wir ein inverses Randwertproblem zur Laplace-Gleichung:

Es sei D\subset {\mathbb  {R}}^{2} ein unbekanntes Gebiet. Wir betrachten das äußere Dirichlet-Problem, bei dem die Randwerte auf \partial D durch eine Quelle im Punkt z\in {\mathbb  {R}}^{2}\setminus {\bar  D} gegeben sind. Dann erfüllt die beschränkte und zweimal stetig differenzierbare Funktion u in {\mathbb  {R}}^{2}\setminus {\bar  D} die Laplace-Gleichung:

\Delta u=0\quad {\mbox{in}}\,\,{\mathbb  {R}}^{2}\setminus {\bar  D}

und die Dirichlet Randbedingung:

u=-\Phi (\cdot ,z)\quad {\mbox{auf}}\,\,\partial D.

Mit \Phi bezeichnen wir die Fundamentallösung zur Laplace-Gleichung, die eine Punktquelle im Punkt z beschreibt.

Beim inversen Randwertproblem gehen wir von einem zweiten (bekannten) Gebiet B\subset {\mathbb  {R}}^{2} aus, welches D enthält. Auf dem Rand \partial B von B messen wir die Werte der Lösung u des direkten Dirichlet-Problems. Wir kennen also die Spur u|_{{\partial B}}. Unser Ziel ist nun den unbekannten Rand \partial D von D aus der Kenntnis dieser Spur zu rekonstruieren.

Dieses Problem lässt sich formal durch einen Operator F beschreiben, der den unbekannten Rand \partial D auf die bekannte Spur u|_{{\partial B}} abbildet. Wir müssen also folgende nichtlineare Gleichung lösen:

F(\partial D)=u|_{{\partial B}}

Diese Gleichung kann z.B. mit Hilfe des Newton-Verfahrens linearisiert werden. Dazu schränken wir uns auf Gebiete D ein, dessen Rand wie folgt dargestellt werden kann:

\displaystyle x(t)=r(t)(\cos(t),\sin(t))

Wir suchen nun also die unbekannte Radiusfunktion r. Die linearisierte Gleichung (das Newton-Verfahren) sieht dann wie folgt aus:

F(r)+F'(r,q)=u|_{{\partial B}}

Hierbei bezeichnet \displaystyle F' die Fréchet-Ableitung des Operators \displaystyle F (die Existenz der Fréchet-Ableitung für \displaystyle F kann gezeigt werden und \displaystyle F' kann über ein direktes Randwertproblem bestimmt werden!). Diese Gleichung wird dann nach q aufgelöst, wobei wir mit r+q eine neue Näherung an den unbekannten gesuchten Rand gefunden haben. Anschließend kann mit dieser Näherung das Verfahren iteriert werden.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.08. 2022