Magnus-Effekt
Der Magnus-Effekt, benannt nach Heinrich Gustav Magnus (1802–1870), ist ein Phänomen der Strömungsmechanik, welches die Querkraftwirkung (Kraft) bezeichnet, die ein rotierender runder Körper (Zylinder oder Kugel) in einer Strömung erfährt. Beschrieben wurde der Effekt bereits 100 Jahre vor Magnus von Benjamin Robins, der die Ursache bereits in der Rotation der Kugel vermutete. Magnus gelang hingegen als Erstem, eine physikalische Erklärung des Effektes zu geben.
Geschichte
Magnus erbrachte 1852 den Nachweis des Phänomens rein experimentell und erkannte damit die Ursache für die Bahnabweichung rotierender Geschosse. Angeregt durch die Flugbahnabweichung von Tennisbällen gelang erst 1877 Lord Rayleigh die theoretische Begründung des Effekts. Er schrieb die Entdeckung und Erklärung des Phänomens Magnus zu, obwohl diese bereits etwa 100 Jahre vorher von Robins beschrieben wurde. Erst 1959 erweiterte Briggs die bis dahin gültige Erklärung des Phänomens allein über die Bernoulli-Relation, indem er die Grenzschichttheorie einbezog, die Anfang des 20. Jahrhunderts vornehmlich von Ludwig Prandtl entwickelt wurde. Noch bis in das 21. Jahrhundert wurde an der Perfektion von Geschossformen bezüglich des Magnus-Effekts und in Verbindung mit derHaakschen Ogive weitergearbeitet.
Prinzip
Der Klassiker seit Magnus
Magnus erklärte den Effekt als erster anhand der Bernoulli-Gleichung, die eine Relation zwischen Druck- und Geschwindigkeitsfeld einer reibungs-, viskositäts- und wirbelfreien Strömung herstellt. Um das experimentell gefundene Geschwindigkeitsfeld[1] zu beschreiben, überlagerte Magnus zwei Geschwindigkeitsfelder: Die symmetrische Umströmung eines nicht rotierenden Zylinders und die wirbelfreie Zirkulationsströmung um einen in ruhender Luft rotierenden Zylinder. Wo die Stromlinien eng beieinander liegen, ist die Geschwindigkeit höher als andernorts. In der Summe ist die Strömungsgeschwindigkeit auf der Seite des Zylinders, die sich mit der Anströmung dreht, größer als auf der anderen Seite und nach Bernoulli der Druck kleiner, sodass der Zylinder eine Kraft im rechten Winkel zur Anströmrichtung erfährt.
Robins wies den Effekt mit Hilfe kugelförmiger Geschosse aus Musketen nach, deren Läufe leicht seitlich gebogen waren. Hierdurch rollt die Kugel im Lauf seitlich an der äußeren Seite bezüglich der seitlichen Biegung des Laufes, und die Kugel erhält einen Drall um die Hochachse. Nach Verlassen des Laufes wird die Kugel deutlich zur Seite abgelenkt.
Diese Erklärung für den Magnus-Effekt ist erfolgreich in dem Sinne, dass sie sich noch heute für den allgemeinen Fall des dynamischen Auftriebs in der Standardliteratur der Physik findet. Als sehr spezielle Anwendung des Energiesatzes beschreibt die Bernoulli-Relation jedoch nicht Ursache und Wirkung, sondern ausschließlich einen funktionalen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeits- und Druckfeld.
Erweiterungen bei Einbeziehung der Grenzschicht und Viskosität
Lyman Briggs (1959) erweiterte die Theorie von Magnus um den Einfluss der Grenzschicht. Ausschließlich hier entsteht durch Reibung an der Kugeloberfläche eine Zirkulationsströmung. Gleichzeitig löst sich die Luft auf der strömungsabgewandten Seite der Kugel aus der Grenzschicht heraus (Grenzschichtablösung). Dadurch entsteht außerhalb der Grenzschicht eine Strömung, die der Bernoulli-Relation genügt.
Rotiert die Kugel nicht, erfolgt die Grenzschichtablösung symmetrisch. Der Magnus-Effekt entsteht dadurch, dass bei rotierender Kugel die Grenzschichtablösung auf der Seite der Kugel später erfolgt, auf der die Strömung gleichgerichtet mit der Drehrichtung der Kugel ist. Hierdurch erhält die Strömung einen Impuls in Richtung der Seite der Kugel, die entgegen der Strömung dreht. Die Gegenkraft hierzu ist die seitliche Ablenkungskraft der Kugel. Dies verdeutlicht die Skizze rechts: Die Strömung trifft von rechts auf die Kugel und wird nach oben abgelenkt – also beschleunigt. Die Gegenkraft hierzu ist die nach unten gerichtete Kraft auf die Kugel.
Praktische Beispiele
Die folgenden Beispiele von abgelenkten Flugkörpern werden häufig mit dem Magnus-Effekt in Verbindung gebracht. In allen Fällen treten jedoch verschiedene Effekte gleichzeitig auf. Es ist nicht offensichtlich, in welchem Ausmaß der Magnus-Effekt eine Rolle spielt.
- Fußballspieler schießen den Ball mit Effet, damit er in einem Bogen ins Tor fliegt. Je schneller er dreht, umso größer ist die Bahnablenkung („Bananenflanke“).
- Tischtennisspieler und Tennisspieler nutzen den Effekt, zum Beispiel beim Topspin und Slice
- Curveballs im Baseball oder Riseballs im Softball
- Spin bowling im Cricket
- Flettner-Rotoren: In den 1920er- und 1930er-Jahren nutzte Anton Flettner den Magnus-Effekt zum Antrieb von Schiffen aus. Anstelle von Segelmasten besaßen die Schiffe große rotierende Zylinder. Trotz der maschinell angetriebenen Zylinder handelte es sich jedoch um Segelschiffe, die auf herrschenden Wind aus günstiger Richtung angewiesen waren. Der französische Ozeanograph Jacques-Yves Cousteau griff die Idee in den 1980er-Jahren wieder auf und ließ die Alcyone planen und bauen. 2010 wurde der Frachter E-Ship 1 in Dienst gestellt.
Im Berliner Magnus-Haus kann der Effekt interaktiv erprobt werden, und eine Tafel erläutert den Vorgang:
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Modell zum Magnus-Effekt
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Magnus 1852, S. 6: „Kleine Windfahnen, die sehr beweglich waren, dienten dazu die Veränderungen des Drucks anzuzeigen, welche während der Rotation des Cylinders in dem Luftstrome stattfanden […] Wurde der Cylinder nicht gedreht, so nahmen beide Fahnen die Richtung des Luftstroms an. Sobald der Cylinder aber zu rotiren begann, so wandte sich auf der Seite, wo derselbe sich in gleicher Richtung mit dem Luftstrom bewegte, die Fahne dem Cylinder zu, während sie auf der anderen, wo die Bewegung des Cylinders und des Luftstroms in entgegengesetzter Richtung stattfanden, abgewandt wurde. Es war folglich auf jener Seite ein geringerer, auf dieser ein größerer Luftdruck vorhanden als im Zustand der Ruhe.“
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 24.10. 2021