Flugboote Wasserflugzeuge

Ein Flugboot, gelegentlich auch Flugschiff genannt, ist ein Flugzeug welches auf Grund seiner Konstruktion in der Lage ist von der Wasseroberfläche aus zu starten und dort wieder zu landen. Diese Flugzeuge können diese Vorgänge nicht an Land durchführen. Die Schwimmfähigkeit wird durch die Formgebung der Rumpfes erreicht.

Dornier Wal

Seit den Anfängen der Fliegerei bestand aus zahlreichen Gründen das Bestreben, Flugzeuge auch auf dem Wasser starten und landen zu lassen. Parallel zu den Radflugzeugen entstanden so die Wasserflugzeuge, deren seetüchtige Vertreter seit dem ersten Weltkrieg als Seeflugzeuge bezeichnet werden.
Von der konstruktiven Auslegung her gibt es seit je zwei Grundrichtungen im Bau von Seeflugzeugen: Flugboote und Schwimmerflugzeuge. Beim Vergleich zwischen Flugboot und Schwimmerflugzeug schneidet das erstere in Hinsicht auf Seetüchtigkeit, Reichweite und Tragfähigkeit besser ab. Das Flugboot erreicht wegen seiner geschlossenen Rumpfzelle eine höhere aero- und hydrodynamische Güte. Dieses Rumpfboot ermöglicht die Unterbringung großer Kraft- und Schmierstoffbehälter und einer ausreichenden Zahl von Gefechts­ und Betriebsräumen.
Strömungstechnisch gesehen, bot der Flugbootrumpf lange Zeit hindurch gegenüber der Rumpfzelle des Radflugzeugs keineswegs Nachteile. Bei Notwasserungen hatten die Besatzungen seetüchtiger Flugboote erheblich größere Überlebenschancen. Die noch unzureichende Betriebssicherheit der Flugmotoren führte dazu, daß die technische Entwicklung großer und weitreichender Flugzeuge lange Zeit von den möglichen Folgen eines erzwungenen Niedergehens auf See beherrscht wurde.
Der überwiegende Teil der Radflugzeuge war damals hinsichtlich Reichweite, Tragfähigkeit und Flugsicherheit noch so wenig entwickelt, daß er fast ausschließlich über dem Festland eingesetzt wurde. Auf Überseestrecken konnten die Radflugzeuge ihre Geschwindigkeitsüberlegenheit nicht zum Tragen bringen, da sie die Ozeane kaum mit Nutzlast zu überqueren vermochten. Rein wirtschaftlich lohnte der Einsatz von Radflugzeugen nur auf Festlandstrecken oder beim Überqueren relativ kleiner Gewässer.

Aus diesen und anderen Erwägungen heraus wurden Flugboote in den dreißiger Jahren von allen Kriegsflotten als das Hauptelement für die Aufklärung und Sicherung und sogar für spezielle Kampf- und Transportaufgaben angesehen. Die Zuspitzung der internationalen Lage, die vor allem durch das verstärkt expansive und provokatorische Verhalten der drei aggressivsten imperialistischen Staaten Deutschland, Italien und Japan hervorgerufen wurde, führte im Zuge der Aufrüstung auch zur Entwicklung zahlreicher moderner Flugboote. Ein anderer Grund zum verstärkten Bau von Großflugbooten war der Ausbau der Fernflugstrecken durch die führenden Luftverkehrsgesellschaften.

Trotz seiner Bedeutung als Luftverkehrsmittel der damaligen Zeit stand aber für das Flugboot der militärische Einsatz im Vordergrund. Das steht in keinem Widerspruch zu der Tatsache, daß sich das Wettrüsten der imperialistischen Staaten in den dreißiger Jahren hauptsächlich auf die Angriffsfliegerkräfte konzentrierte. Die damaligen imperialistischen Luftkriegstheorien, basierend auf der Theorie des italienischen Generales Giulio Douhet, propagierten den Einsatz mehrmotoriger „Luftkreuzer" und „fliegender Festungen" oder den Masseneinsatz von Schnellbombern im Rahmen eines brutal geführten Blitzluftkrieges. Die Befürworter dieser Theorien schätzten nicht nur die Rolle der Landstreitkräfte falsch ein und überbewerteten die Möglichkeiten der Bombenflugzeuge, sie erklärten auch alle gebräuchlichen Seekriegswaffen und die Flotte selbst für überholt. Sie behaupteten, die Bombenflugzeuggeschwader allein würden auf See ebenso wie zu Lande die Entscheidung bringen.
Letzte Sprößlinge dieser Theorie waren die us-amerikanische „Mars" und die britische „Shetland" sowie die deutsche Blohm und Voß BV 238, die als Kampfflugboot mit 70.000 kg Startmasse geplant war.

Technik

In Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA bis in den zweiten Weltkrieg hinein zahlreiche Doppeldecker-Flugboottypen in Holz- und Gemischtbauweise. Einige Werke hielten von sich aus, andere auf Wunsch der Besteller unverhältnismäßig lange am Doppeldeckerflugboot fest und mußten sich mit entsprechend begrenzten Geschwindigkeiten und Reichweiten abfinden.
Die Briten erreichten in dieser Zeit mit einer Neukonstruktion der Short-Werke eine bemerkenswerte Weiterentwicklung der Flugboote für zivile und militärische Zwecke. Hier schuf Sir Arthur Gouge das „Empire"-Verkehrsflugboot, aus dem als militärische Weiterentwicklung die „Sunderland" entstand.
Die sowjetischen und britischen Erfolge in der Entwicklung freitragender Schulterdecker mit schmalem, hohem Stromlinienrumpf schufen den Ausgangspunkt für die Entwicklung moderner, hochseefähiger Großflugboote.
Zweifellos übertraf diese Bauweise in aerodynamischer Hinsicht nicht nur die Doppel- und Anderthalbdecker, sondern auch die Hochdecker mit Flossenstummel, wie sie vor allem der traditionsbefangene Dornier seit dem Ersten Weltkrieg baute. Die moderne Bauweise war aber nur durch einige Opfer in hydrodynamischer Hinsicht zu erreichen. Der hohe und schmale Rumpf tauchte tiefer ein, womit der Wasserwiderstand beim Start wuchs. Die Triebwerkanlage mußte bedeutend stärker als bei allen bisherigen Flugbooten sein, da für den Start eine höhere Abhebegeschwindigkeit als bei flachen, gleitbootförmigen Rümpfen erforderlich war. Die in dieser neuen Bauweise ausgeführten Flugboote erhielten daher, und weil serienreife Triebwerke mit mehr als 1.000 PS international zunächst nicht verfügbar waren, ausnahmslos vier der damals leistungsstärksten Motoren mit Verstellluftschrauben. Alle Versuche, etwas später zweimotorige Maschinen in der gleichen Bauweise herauszubringen, schlugen zunächst fehl, obwohl man für sie bereits Triebwerke in der Leistungsklasse von 1.200 bis 1.400 PS verwendete.
Entsprechende Beispiele lieferten die Saro „Lerwick" und die Yokosuka H5Y und die sowjetische Че-2 (MDR-6).

Die mit der MTB-2 und der Че-2 sowie den „Empire"/„Sunderland"-Flugbooten eingeleitete moderne Bauweise brachte eine rund doppelt so große Tragflächenbelastung wie bei den Doppeldeckern mit sich. Auftrieberzeugende Klappensysteme, Verstellluftschrauben, Ganzmetallbauweise mit Glattblechbehäutung und Versenknieten sowie moderne Triebwerke ergaben ein spürbares Anwachsen von Tragfähigkeit, Reichweite, Steigleistung, Dienstgipfelhöhe und Geschwindigkeit. Kein Wunder, daß sowohl die sowjetischen als auch die britischen Vorbilder oft kopiert wurden. Man begegnete ihnen nicht nur bei „Coronado", „Mariner", „Mars" und anderen amerikanischen Typen wieder, sondern auch bei der japanischen Kawanishi H8K und den deutschen BV 222 und BV 238.
Eine andere grundlegende Bauweise war bereits im Ersten Weltkrieg von Dornier entwickelt worden - das flache Rumpfboot, dessen Auftriebskraft und Seitenstabilität durch Flossenstummel erhöht wurde. Nachdem Dornier mit der Do 18 praktisch nur eine Modernisierung der Do 15 („Militär-Wal") erreicht hatte, brachte sein Konzern im Auftrag der faschistischen Luftwaffe und der niederländischen Marine mit der Do 24 ein modernes Flugboot heraus. Es wurde zum besten Flugboot, das in deutschen Flugzeugwerken bis Kriegsende gebaut wurde. Dagegen war ein Versuch Dorniers, den Anschluß an die Schulterdeckerbauweise mit Knickflügel zu finden (Do 26), ein kompletter Fehlschlag.

Während die meisten größeren Flugboote, die bis zum zweiten Weltkrieg entwickelt wurden, in Ganzmetallbauweise hergestellt waren, gab es auch eine Reihe von Typen aller Größen in Gemischtbauweise oder reiner Holzbauweise. Für die Holzbauweise gab es unterschiedliche Gründe.
In Italien, wo man sich im Flugbootbau bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht vom Werkstoff Holz trennen wollte und ihn auch bei großen Maschinen (Z. 508, S. 55X) anwendete, spielten Produktionserfahrungen, Rohstoff- und Fertigungsfragen sowie nationale Traditionen eine Rolle. Teilweise ähnlich verhielt es sich in Frankreich, wo man neben kleineren Maschinen selbst Flugboote von der Größe der LeO H-246.1 unter weitgehender Verwendung von Holz baute.
Der Ganzmetallbau großer Flugboote erforderte vor allem die umfangreichen Erfahrungen eines qualifizierten Ingenieur- und Facharbeiterstammes und insgesamt gesehen eine hoch entwickelte Flugzeugindustrie. Und selbst wo diese Voraussetzungen vorhanden waren, war man unter besonderen Umständen gezwungen, dem Holz als Werkstoff in der Flugbootfertigung erneut eine tragende Bedeutung einzuräumen. So mußte man in der Sowjetunion nach dem faschistischen Überfall bei einer Reihe von Flugzeugtypen auf die Holz- und Gemischtbauweise zurückgreifen. Das betraf neben einigen anderen Mustern auch die MBR-2bis und die Tsche-2. Aus der Not entstand eine Tugend. Die Holzbauweise wurde durch neue Bearbeitungsverfahren, die besonders das Leimen von Schichthölzern sowie das Pressen und Verformen dieses Materials betrafen, so vervollkommnet, daß die Unterschiede zum Metallbau kaum spürbar waren. Hinsichtlich des Abdichtens von Schußlöchern erwies sie sich sogar als vorteilhaft.

Die britische Saunders Roe London

Von Werkstofffragen und gewissen nationalen Konstruktionsmerkmalen abgesehen, gab es bis zum zweiten Weltkrieg in der generellen Struktur der Flugboote aller Länder nur unbedeutende Abweichungen. Charakteri­stisch war das Bestreben, die Triebwerkanlage so hoch wie möglich über dem Wasser anzubringen, um Motor und Luftschraube aus dem gefährlichen Spritzwasserbereich herauszuheben und von der zerstörenden Wirkung des Wellenschlags fernzuhalten. Bei Flugbooten mit hohen Rümpfen, die von selbst eine entsprechende Entfernung zum Wasser schufen, baute man die Triebwerke in die Tragflächen ein. Aus diesem Grund waren derartige Typen generell als Schulterdecker ausgeführt. Flachrümpfige Maschinen trugen ihre Triebwerkanlage auf bock- oder turmähnlichen Aufbauten, die sich über die Flügel erhoben. Bei einer dritten Lösung hatte man den ganzen Flügel hoch über dem Rumpf auf Stielen angeordnet (H6K, Do 24). Die als Doppel- oder Anderthalbdecker ausgeführten Flugboote trugen die Triebwerke grundsätzlich an Verstrebungen zwischen den Flügeln oder in der Vorderkante des oberen Tragflügels.
Die hohe Anbringung der Triebwerkanlage brachte bei Flugbooten stets eine mangelhafte Seitenstabilität auf dem Wasser mit sich. Aus diesem Grund wurden konstruktive Maßnahmen erforderlich, um ein seitliches Umkippen und das sehr gefährliche Unterschneiden einer Tragfläche zu verhindern. Es bildeten sich vier grundsätzliche Lösungen heraus.
Am weitesten verbreitet sind bis auf den heutigen Tag Stützschwimmer, die unter den Flügeln befestigt werden. Da die Stützschwimmer mit ihren Verstrebungen den schädlichen Widerstand der Gesamtkonstruktion vergrößerten und die aerodynamische Güte des Flugbootes herabsetzten, versuchte man, die Schwimmer in die Flügel einzuziehen. Unter den Flugbooten des zweiten Weltkrieges gab es eine ganze Reihe von Typen, bei denen die Schwimmer nach dem Start ganz oder teilweise in die Unterseiten oder die Enden der Tragflügel bzw. in die Motorengondeln eingezogen wurden. Da aber ein ausreichend stabiler und zuverlässiger Einziehmechanismus immer erhöhte Baumasse und zusätzliche Störungsquellen mit sich brachte, verwarf man die meisten Lösungen wieder und blieb auch bei modernsten Typen der heutigen Zeit bei starren Stützschwimmern.
Dem gleichen Zweck wie die Stützschwimmer dienten die seitlich am Rumpfboot angesetzten Flossenstummel, wie sie vor allem bei Dornier-Flugbooten (Do 15, Do 18 und Do 24) und bei den Latecoere-Typen L. 302 und L. 521/523 verwendet wurden. Sie erzeugten aber einen noch größeren Luftwiderstand, und deshalb ging man von ihnen wieder ab.
Wenig Verbreitung fanden formstabile Ausbuchtungen an den Rumpfseiten.
Eine weitere Lösung war die Katamara­ oder Doppelrumpfbauart, die sich aber auf das sowjetische Großflugboot MK-1 (ANT-22) und die Savoia-Marchetti S. 55 beschränkte. Die Stabilität dieser Flugboote auf dem Wasser war naturgemäß sehr groß. Die Lastverteilung und die Abwehrbewaffnung ließen sich gleichfalls günstig gestalten. Von entscheidendem Nachteil war aber bei den Doppelrumpfkonstruktionen die vergleichsweise erheblich höhere Leermasse und der größere Stirnwiderstand, was den Flugleistungen sehr enge Grenzen setzte. Außerdem war ihre Konstruktion recht schwierig. Besonders stabil mußte der Mittelflügel ausgebildet werden, der die beiden Rumpfboote verband und bei Seegang durch Verdrehungskräfte außerordentlich stark belastet wurde.

Das Besondere des Seeflugzeugs ist und bleibt, daß es abwechselnd Luft- und Wasserfahrzeug sein muß. Beiden so grundverschiedenen Elementen muß das Seeflugzeug entsprechen. Aus diesem Grund ist vor allem der Rumpf des Flugbootes eine schwierige Kompromisslösung. Eine Ideallösung läßt sich im Allgemeinen nicht finden. Ein Bootsrumpf, der bei Windstille und glatter Wasseroberfläche günstige Starteigenschaften zeigt, ist bei starkem Wind und Seegang ungünstig. Den größten Auftrieb erzeugt ein breiter und flacher Rumpfboden, wogegen ein schmaler und gekielter Boden für eine Wasserung bei Seegang vorteilhaft ist, da er den Wellen weniger Widerstand bietet und die Wasserfläche keilartig aufschneidet, wodurch der Landestoß erträglich wird.
Ausschlaggebend für das Verhalten eines Flugbootes beim Starten und Wassern ist die Form des Rumpfbootes, besonders die des unteren Teils. Vor allem der vordere Rumpfboden ist es, der den hydrodynamischen Auftrieb liefert, der das Flugboot beim Anfahren zunehmend aus dem Wasser hebt und schließlich auf der Wasseroberfläche zum Gleiten bringt, wodurch es erst möglich wird, die zum Abheben erforderliche Geschwindigkeit zu erreichen. Damit sich ein Flugboot überhaupt vom Wasser lösen, das heißt die auftretenden Sogkräfte durch „Abreißen" überwinden kann, ist eine Stufung des Rumpfbodens erforderlich.
In Abhängigkeit von der Bauart, den Abmessungen und Massen der Flugboote sowie den Eigenarten des Seegebietes, in denen sie vorherrschend zum Einsatz kommen, erhält der Rumpfboden eine oder zwei Stufen, unter Umständen zusätzlich mehrere Hilfsstufen. Die Hauptstufe oder, wenn mehrere Stufen vorhanden sind, die erste von ihnen liegt gewöhnlich in Höhe des Schwerpunktes der Maschine oder kurz dahinter. Mit Ansteigen der Startmasse sowie der Start- und Landegeschwindigkeit ging man von der geraden Stufe zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten V-Form der Hauptstufe über, wodurch es gleichzeitig gelang, ihren erheblichen aerodynamischen Widerstand herabzusetzen.
Nachteilig bis auf den heutigen Tag ist, daß die Stufung des Rumpfbodens neben zusätzlichem Luftwiderstand auch erhöhte Baumasse mit sich bringt und gerade in der Mitte der Flugzeugzelle eine zum Teil erhebliche Querschnitts Veränderung erforderlich macht, die die Festigkeit der Konstruktion herabsetzen kann.
Die auch bei Flugbooten rasch zunehmende Flächenbelastung erforderte eine zunehmend schärfere Kielung des Rumpfbodens, damit beim Aufsetzen mit höherer Landegeschwindigkeit kein schlagartiger Landestoß auftrat, der die Zelle beschädigen und unter Umständen zum Herausbrechen der Triebwerke aus den Tragflügeln führen konnte. Da aber eine einfache scharfe Kielung in V-Form den dynamischen Auftrieb verschlechterte und die Spritzwasserbildung stark erhöhte, wurde schließlich die vom Rennbootbau her bekannte Wellenbinderform eingeführt, bei der seitlich des Kiels liegende Hohlkehlen eine bessere Führung und Umlenkung des Wassers ermöglichen, gleichzeitig aber auch die aerodynamische Güte des Flugbootrumpfes weitgehend gewahrt und der Widerstand im Wasser sowie die Spritzwasserbildung in erträglichen Grenzen gehalten werden.
Die dynamische Auftriebskraft eines Flugbootrumpfes zu berechnen und richtig zu dosieren war kompliziert und gelang bei weitem nicht immer. Eine zu geringe Gleit- und Auftriebswirkung verlängert den Startvorgang und vergrößert damit die Zeit, in der die gefährliche Schlagwirkung der Wellen auf das Flugboot einwirkt. Eine zu hohe Gleit- und Auftriebswirkung dagegen führt dazu, daß das anfahrende Flugboot, bevor die Abfluggeschwindigkeit erreicht ist, aus dem Wasser geschleudert wird. Da zu dieser Zeit der Tragflügelauftrieb noch nicht ausreicht, fällt das Flugboot dann heftig auf das Wasser zurück und wird durch die starken stoßartigen Belastungen sehr hoch beansprucht. Flugboote, die auf diese Art zum „Springen" neigten, wurden von den Seefliegern ebenso gefürchtet wie jene Typen, denen die gefährliche Tendenz des Unterschneidens im Seegang eigen war.

Die Festigkeit der Zelle eines seetüchtigen Flugbootes spielt bis auf den heutigen Tag eine wesentliche Rolle, da die stoßartigen Belastungen, die beim Starten und Wassern im Seegang auftreten, sehr erheblich sein können. Die Landestöße, die vom Rumpfboden und von den Stützschwimmern aufgenommen werden, sind vielfach stärker als beim Aufsetzen eines Fahrwerks auf festem Boden. Zugleich bestimmt die Festigkeit der Zelle in wesentlichem Maße auch die Seetüchtigkeit eines Flugbootes.
Die Seetüchtigkeit oder Seefähigkeit ist zweifellos schon immer ein wichtiges Kriterium für den Flugbootbau gewesen. Bis in die dreißiger Jahre hinein wurde sie aber von vielen Konstrukteuren überbewertet. Die Seetüchtigkeitsgrenze wurde so hoch geschraubt, daß sie nicht nur das Ab- und Anwassern der Flugboote in bewegter See ermöglichte — eine durchaus reale Forderung, die bis auf den heutigen Tag ihre volle Gültigkeit hat -, sondern auch das tage- und sogar wochenlange Treiben auf offener See gestattete. Die Rumpfzelle war deshalb sehr stabil, gleichzeitig aber auch sehr schwer und teuer. Erst in den letzten Vorkriegsjahren brach sich die Erkenntnis Bahn, daß auch ein Flugboot seine Hauptleistungen in der Luft zu vollbringen hat. Mit der steigenden Zuverlässigkeit der Flugmotoren und den rasch fortschreitenden Erkenntnissen im Bau von hochleistungsfähigen Ganzmetallflugzeugen konnten vor allem bei den größeren Flugbooten die früher überbetonten Seeeigenschaften zurückgestuft werden - die Aerodynamik verbesserte sich auf Kosten der Hydrodynamik. Das steht nicht im Widerspruch dazu, daß der hydrodynamischen Güte des Flugbootes bis auf den heutigen Tag ein beträchtlicher Wert beigemessen wird und diese deshalb nicht zu weit hinter der aerodynamischen Qualität zurückbleiben darf.
Wichtigste Eigenart der Flugboote und zugleich ihr größter Vorteil gegenüber den Landflugzeugen ist, daß sie jedes Gewässer, das offene Meer ebenso wie Buchten, Seen und Flüsse, als Start- und Landebahn benutzen können, ohne daß Spezialvorrichtungen erforderlich sind und Berechnungen über die Belastbarkeit dieser Flächen für das Aufsetzen, Rollen und Abstellen der Maschinen notwendig werden. Allerdings gibt es andere Faktoren wie Größe, Lage und Zustand der Gewässer, die den Einsatz der Flugboote einschränken.

Der Zustand der Gewässer interessierte die Flugbootkonstrukteure bereits seit den Anfängen der Seefliegerei. Um Flugboote beispielsweise bei vereisten Wasserflächen von Landflugplätzen aus einzusetzen oder sie überhaupt an Land stationieren zu können, bedarf es der Anbringung eines Fahrgestells. Seit eh und je gibt es dafür technisch zwei Möglichkeiten. Die erstere und allgemein übliche betrifft die Verwendung eines Hilfsfahrwerks, das bei allen Flugbooten bis auf den heutigen Tag erforderlich ist, um es zur Wartung, Reparatur oder zu anderen Zwecken über eine schiefe Ebene aus dem Wasser zu ziehen und an Land bewegen zu können. Nun schafft aber ein solches Hilfsfahrwerk, auch wenn es konstruktiv zum Flugboot gehört und sogar einziehbar ist noch kein echtes Amphibienflugboot. Ein solches muß ein vollwertiges Fahrwerk haben, mit dem es auf festem Boden starten und landen kann. Erst in dieser Form erreicht das Flugboot jene vielseitige Verwendbarkeit, die die hohen Entwicklungs- und Baukosten rechtfertigt und ihm auch gegenüber der Konkurrenz moderner Landflugzeuge eine Zukunft sichert.
Der Hauptgrund, warum es vor und während des zweiten Weltkrieges so wenig echte Amphibienflugboote gab, war der Umstand, daß ein vollwertiges Fahrwerk die Leermasse der Flugboote erheblich vergrößerte und zugleich die Nutzlastkapazität verringerte. Erst die Verwendung von hochfesten Leichtmetall- und Stahllegierungen ermöglichte es, mit Beginn der vierziger Jahre größere Flugboote mit einem Fahrwerk auszurüsten (MTB-2, „Catalina", später auch „Mariner").
Dem Nachteil der erhöhten Leermasse und der vergleichsweise verringerten Nutzlastkapazität steht beim Amphibium der Vorteil einer vielseitigen Verwendbarkeit im militärischen und zivilen Einsatz gegenüber. Aus diesem Grund waren und sind Amphibienflugboote vor allem in der Sowjetunion, den USA und in Kanada beliebt. Unter den geographischen Bedingungen dieser Länder, wo ausgedehnte bewaldete und gebirgige Landflächen von zahlreichen Gewässern durchzogen werden, wurde der Einsatz von Amphibien zum Erfordernis.

Einzelne Länder

Deutschland und Italien

Deutschland und Italien waren den einseitigen Luftkriegstheorien Douhets so stark verhaftet, daß sie die Möglichkeit bezweifelten, Fliegerkräfte im Interesse der Seekriegsflotte einzusetzen. Das führte dazu, daß Flugboote in den Streitkräften beider Länder während des zweiten Weltkrieges eine völlig untergeordnete Rolle spielten, obwohl vom technischen Vermögen und von der Tradition des Seeflugzeugbaus her sowohl in Deutschland als auch in Italien günstige Voraussetzungen bestanden.
Ausschlaggebend für die Position der Flugboote in der faschistischen Luftrüstung war die Tatsache, daß die Luftwaffenführung landgestützte Radflugzeuge als die kriegsentscheidende Angriffswaffe betrachtete und die Seefliegerkräfte lediglich für ein Hilfsmittel hielt. Hinzu kam, daß die Führungsspitzen der deutschen und der italienischen Kriegsflotten und Luftwaffen die Seefliegerkräfte zu einem ständigen Streitobjekt machten.
Als sich in den Vorkriegsjahren herausstellte, daß die deutsche Flugzeugindustrie überfordert war, eine Luftwaffe als dritte Teilstreitkraft und darüber hinaus spezielle Heeres- und Marinefliegerkräfte aufzubauen, wurden Dringlichkeitsstufen festgelegt und die Seeflieger dabei hintangestellt.

Großbritannien

Nachteilig wirkte sich eine fehlerhafte Konzeption und die unzweckmäßige Unterstellung der Flugboote auch in Großbritannien aus, wo alle bordgestützten Flugzeuge der Royal Navy, alle küstengestützten Flugzeuge aber der Royal Air Force unterstanden. Trotz der strikten Trennung der Marine vom Flugboot (die „Walrus" und später die „Sea Otter" waren als Amphibien davon ausgeschlossen) gelang es den Briten, in der harten Praxis des Krieges ein gutes Zusammenwirken zu organisieren und ausreichend Flugboote bereitzustellen. Da aber die organisatorischen, technischen und taktischen Grundlagen dafür erst ab 1937, also unmittelbar vor dem Krieg geschaffen wurden, gingen die britischen Küstenflieger ungenügend vorbereitet in den Krieg. Mit unzureichenden Bekämpfungsmitteln und einer naiven Taktik ausgestattet, standen sie dem rücksichtslosen U-Boot-Krieg des Gegners vorerst recht hilflos gegenüber. Dabei hätte die wichtigste Aufgabe der britischen Flugboote darin bestehen müssen, die lebensnotwendigen Schlagadern nach Übersee von Beginn an vor der Piratentätigkeit der faschistischen U-Boote und Überwasserschiffe wirksam zu schützen.
Die prekäre Situation der britischen Seefliegerei wurde praktisch erst überwunden, als der Großserienbau von Flugbooten und anderenMaschinen in kanadischen und nordamerikanischen Werken für Großbritannien auf Hochtouren lief und die faschistischen deutschen See- und Luftstreitkräfte starke Fliegerkräfte für den Überfall auf die Sowjetunion abzogen.

Sowjetunion

Beim Aufbau einer für den Schutz des sozialistischen Vaterlandes bestimmten Seekriegsflotte berücksichtigte die UdSSR von Beginn an die Seefliegerkräfte und erhob sie am l. Januar 1938 zu einer Waffengattung der Seestreitkräfte.
Wobei im Unterschied zu den westeuropäischen Marineluftflotten und der nordamerikanischen Seefliegerei relativ kleine Flugboote das Gros der Marineflugzeuge ausmachten.
In der Sowjetunion verwirklichte man stufenweise, aber in der Gesamtrichtung einheitlich und sehr konsequent den Aufbau von küstengestützten Seefliegerkräften, was völlig der Aufgabenstellung für die sowjetische Seekriegsflotte entsprach, die vorrangig die eigenen Seegrenzen und das Küstenvorfeld vor imperialistischen Aggressoren zu schützen hatte. Daraus ergab sich ein Flugbootbauprogramm, in dessen Mittelpunkt Typen mittlerer Reichweite (MBR-2 und Nachfolgemuster) sowie Typen für den küsten- und bordgestützten Naheinsatz (KOR-2) standen. Ein Blick auf die Karte der Ostsee und des Schwarzen Meeres zeigt die Logik dieser Entscheidung, zumal derartige Flugboote auch in den küstennahen Gewässern des sowjetischen Hohen Nordens und Fernen Ostens eingesetzt werden konnten.
Größere Flugboote mit entsprechend abgestuftem Aktionsradius (MDR-6 (Че-2), MTB-2) sollten vor allem an den Küsten der Weltmeere verwendet werden, wo der Schutz der Seeverbindungen sowie die Aufklärungs- und Kampfaufgaben der Flugboote mit anderen Maßstäben gemessen werden mußten als über geschlossenen Randmeeren, wie sie Ostsee und Schwarzes Meer nun einmal darstellen.

Frankreich

Die französiche Bréguet Br.521.

Wie sehr sich die jeweilige Militärdoktrin auf Bewaffnung und Beschaffenheit der Streitkräfte auswirkte, könnte am Beispiel der französischen Seefliegerkräfte und ihrer Flugboote gezeigt werden.
Im Zeitraum von nicht ganz 5 Jahren wurde diese zweimal umgestellt. (1936 bis 1939 Volksfront-Regierung)
Bis Mitte der dreißiger Jahre bestand in Frankreich überhaupt keine Klarheit über die Unterstellung der Fliegerkräfte, die den Kampf über See zu übernehmen hatten. Zeitweise gab es drei Arten: bordgestützte, küstengestützte und Fliegerkräfte für das Zusammenwirken zwischen Luft- und Seestreitkräften. Auf dem Gebiet des Marineflugwesens wurden erst in den letzten Vorkriegsjahren zahlreiche sehr leistungsfähige, aber auch sehr unterschiedliche Prototypen herausgebracht. Viele von ihnen erzielten ausgezeichnete Leistungen, kamen aber über das Erprobungsstadium nicht hinaus. Da man den inzwischen eingetretenen technischen Rückstand rasch aufholen wollte, sollten soviel neue Typen wie möglich erprobt werden. Man glaubte fälschlicherweise, die besten von ihnen noch rechtzeitig vor dem drohenden Krieg in Serienbau nehmen zu können, und verursachte damit eine starke Typenzersplitterung. Die offizielle Typenliste der „Aeronautique Navale" wies Anfang 1940 für Flugboote und Schwimmerflugzeuge jeweils 16 grundverschiedene Typen aus.

USA

Die H-4 schaffte nur einen kurzen Sprung.

Auch in den USA stand die Flugbootentwicklung ganz im Zeichen von Giulio Douhet. Mit seinen expansionistischen und neokolonialistischen Plänen strebte das amerikanische Monopolkapital vor allem danach, den kapitalistischen Konkurrenten Kolonien und Auslandsmärkte abzujagen und im Pazifik eine Vormachtstellung zu errichten. Infolgedessen entstand in den Vorkriegsjahren für die Flugboote der nordamerikanischen Marine eine Konzeption des weitreichenden Offensiveinsatzes. Mehr als bei den Flugbooten der anderen imperialistischen Länder wurde ihre Verwendung als Träger von Bomben, Torpedos und Minen in den Mittelpunkt der Einsatzplanung gestellt. Diese Konzeption prägte alle Einsatzflugboote der US Navy, als man ihnen ab 1935 die Klassifizierung als „Patrouillen-Bomber" (PB) erteilte. Zu ihnen gehörten neben den in mehr oder weniger großen Stückzahlen gebauten Typen „Catalina" (PBY), „Coronado" (PB2Y), „Mariner" (PBM) und „Mars" (PB2M) auch alle Prototypen und Vorserienmuster, die Boeing, Consolidated, Martin, Sikorsky und andere Firmen zwischen 1935 und 1942 auf dem Flugbootsektor herausbrachten. Howard Hughes versuchte sich an der Konstruktion der Hughes H-4 das gößte je gebaute Flugboot.

Japan

Japan, der für Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und die USA schnell erstarkende Konkurrent im pazifischen Raum, begann zur gleichen Zeit den Flugbootbestand der kaiserlichen Marine generell zu erneuern und gab dazu Neuentwicklungen in Auftrag, die die Folgen der bis in die Vorkriegsjahre hineinreichenden zeitweisen Unterschätzung des Flugbootes beseitigen sollten. Während der zwanziger und ersten dreißiger Jahre waren nur wenige japanische Flugboote und diese hauptsächlich durch den Lizenzbau britischer, französischer und deutscher Typen entstanden.
Im Rahmen seiner verstärkten Expansionsbestrebungen baute das imperialistische Japan kurz vor dem Krieg ein Luftverkehrsnetz auf, das mit großen Flugbooten (H6K) beschickt werden sollte, um auch auf diesem Gebiet eine japanische Vormachtstellung im pazifischen Raum zu errichten.

Ausblick

Das Dilemma der Flugbootkonstrukteure bestand immer darin, daß sie einen Bootsrumpf mit möglichst guten aero- und hydrodynamischen Eigenschaften entwerfen mußten, dessen Freibord und Auftriebskraft ausreichend groß, dessen Stirnwiderstand aber so klein wie möglich sein sollte. Das erforderte sorgfältige Entwicklungs- und Konstruktionsarbeiten, die wesentlich kostspieliger und zeitaufwendiger waren als beim Bau gleichgroßer Radflugzeuge. Trotz allen Aufwands und größter Sorgfalt war aber nicht zu verhindern, daß schon während des Krieges die Flugboote hinter den vergleichbaren Landflugzeugen hinsichtlich der Geschwindigkeit zurückblieben. Die günstigeren Widerstandswerte der Radflugzeuge ergaben bei gleichem Kraftstoffvorrat eine größere Reichweite. Mit den beiden Vorteilen Geschwindigkeit und Reichweite wurden die Radflugzeuge der vierziger Jahre zu rentableren und besseren Kampf- und Transportmitteln als die Flugboote.
Der wesentliche Vorteil des Flugbootes, bei Bedarf und im Notfall auf See niedergehen zu können, verlor sein Gewicht, als Zuverlässigkeit und Leistungsreserve der viermotorigen Landflugzeuge in den vierziger Jahren so weit gewachsen waren, daß der Ausfall eines Triebwerks beim Fernflug über See kaum mehr als einen gewissen Geschwindigkeitsverlust bedeutete.
Nachteilig für die Flugboote war auch, daß sie bei Frost weit stärker durch Eisbildung behindert wurden als Radflugzeuge. Schon beim Start konnte bei Frostwetter durch das Gefrieren des unvermeidlichen Spritzwassers ein gefährlicher Eisansatz an Rumpf, Tragflächen und Leitwerk entstehen. Winterstürme und große Kälte machten die Seeflugplätze schon unbrauchbar, wenn die in der Nähe liegenden Landflugplätze davon noch gar nicht oder nur unwesentlich betroffen waren. Auch m dieser Hinsicht wuchs der Wert von Amphibienflugbooten im militärischen und zivilen Einsatz ständig.

Aktuell werden keine Flugboote im eigentlichen Sinne mehr gefertigt. Bei den von Shin Meiwa in Japan und von Berijew in Russland entwickelt oder gefertigten Maschinen handelt es sich um Amphhibien-Flugzeuge.


 
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Datum der letzten Änderung : Jena, den: 14.08. 2021