Algebra (Mengensystem)

In der Mathematik ist (Mengen-)Algebra ein Grundbegriff der Maßtheorie. Er beschreibt ein nicht-leeres Mengensystem, das vereinigungs- und komplementstabil ist.

Felix Hausdorff nannte aufgrund einer entfernten Ähnlichkeit zur algebraischen Struktur eines Körpers in der Zahlentheorie eine Mengenalgebra „Körper“, in Analogie zu seiner Bezeichnung „Ring“ für einen Mengenverband. Unter einem Ring versteht man heute in der Maßtheorie jedoch einen speziellen Mengenverband, außerdem unterscheidet sich dieser Begriff des Körpers wesentlich von dem eines Körpers im Sinne der Algebra. Manchmal findet man aber noch die Bezeichnung als Mengenkörper.

Auch das Teilgebiet der Mathematik, das vom Rechnen mit Mengen handelt, wird als Mengenalgebra bezeichnet. Ähnlich doppeldeutig ist auch der Begriff Algebra, der für ein Teilgebiet der Mathematik und auch für eine spezielle algebraische Struktur benutzt wird. Der hier verwendete Begriff der Mengenalgebra steht aber in einem engen Zusammenhang mit dem der booleschen Algebra, also einer anderen speziellen algebraischen Struktur.

Definition

Sei \Omega eine beliebige Menge. Ein System \mathcal A von Teilmengen von \Omega heißt eine Mengenalgebra oder Algebra über \Omega , wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:

  1. {\mathcal  A}\neq \emptyset   (\mathcal A ist nicht leer).
  2. A,B\in {\mathcal  A}\Rightarrow A\cup B\in {\mathcal  A}   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Vereinigung).
  3. A\in {\mathcal  A}\Rightarrow A^{{{\mathrm  c}}}\in {\mathcal  A}   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Komplementbildung A^{{{\mathrm  c}}}=\Omega \setminus A).

Beispiele

Eigenschaften

Ist umgekehrt {\mathcal  A}\subseteq {\mathcal  P}(\Omega ) ein Mengensystem, so dass ({\mathcal  A},\cup ,\emptyset ,\cap ,\Omega ,{}^{{{\mathrm  c}}}) eine boolesche Algebra ist, dann ist \mathcal A offensichtlich auch eine Mengenalgebra.
A_{1},\dots ,A_{n}\in {\mathcal  A}\Rightarrow A_{1}\cup \dots \cup A_{n}\in {\mathcal  A} und A_{1}\cap \dots \cap A_{n}\in {\mathcal  A},
\bigcup \emptyset =\emptyset \in {\mathcal  A} und \bigcap \emptyset =\Omega \in {\mathcal  A}.

Äquivalente Definitionen

Wenn \mathcal A ein System von Teilmengen von \Omega ist und wenn A,B Mengen sind, dann sind wegen A\cap B=A\setminus (A\setminus B) und A\setminus B=A\setminus (A\cap B) folgende zwei Aussagen äquivalent:

Bezeichnet darüber hinaus A\triangle B=(A\setminus B)\cup (B\setminus A) die symmetrische Differenz von A und B, so sind wegen A\setminus B=A\cap B^{{{\mathrm  c}}} und A\setminus B=A\triangle (A\cap B) sowie A\cup B=(A^{{{\mathrm  c}}}\cap B^{{{\mathrm  c}}})^{{{\mathrm  c}}} äquivalent:

Operationen mit Algebren

Schnitte von Algebren

Schnitte von zwei Algebren {\mathcal  A}_{1} und {\mathcal  A}_{2}, also das Mengensystem

{\displaystyle {\mathcal {A}}_{1}\cap {\mathcal {A}}_{2}=\{A\subset \Omega \;|\;A\in {\mathcal {A}}_{1}{\text{ und }}A\in {\mathcal {A}}_{2}\}}

sind stets wieder eine Algebra. Denn ist exemplarisch {\displaystyle A\in {\mathcal {A}}_{1}\cap {\mathcal {A}}_{2}}, so ist

Somit ist {\displaystyle {\mathcal {\Omega }}\setminus A} auch in {\displaystyle {\mathcal {A}}_{1}\cap {\mathcal {A}}_{2}}, der Schnitt der Mengensysteme ist also komplementstabil. Die Stabilität bezüglich der anderen Mengenoperationen folgt analog.

Die Aussage gilt ebenso für den Schnitt einer beliebigen Anzahl von Algebren, da sich die obige Argumentation dann auf alle dieser Algebren ausweiten lässt. Somit gilt: ist I eine beliebige Indexmenge und sind {\displaystyle {\mathcal {A}}_{i}} Algebren, die alle auf derselben Grundmenge  \Omega definiert sind, so ist der Schnitt aller dieser Algebren wieder eine Algebra {\mathcal  {A}}_{I}:

A_{I}:=\bigcap _{{i\in I}}{\mathcal  {A}}_{i}.

Vereinigungen von Algebren

Die Vereinigung zweier Algebren {\mathcal  A}_{1} und {\mathcal  A}_{2}, also das Mengensystem

{\displaystyle {\mathcal {A}}_{1}\cup {\mathcal {A}}_{2}=\{A\subset \Omega \;|\;A\in {\mathcal {A}}_{1}{\text{ oder }}A\in {\mathcal {A}}_{2}\}}

ist im Allgemeinen keine Algebra mehr. Betrachtet man beispielsweise die beiden Algebren

{\displaystyle {\mathcal {A}}_{1}=\{\emptyset ,\{1,2,3\},\{1\},\{2,3\}\}}

sowie

{\displaystyle {\mathcal {A}}_{2}=\{\emptyset ,\{1,2,3\},\{3\},\{1,2\}\}},

auf {\displaystyle \Omega =\{1,2,3\}}, so ist

{\displaystyle {\mathcal {A}}_{1}\cup {\mathcal {A}}_{2}=\{\emptyset ,\{1,2,3\},\{1,2\},\{2,3\},\{1\},\{3\}\}}.

Dieses Mengensystem ist aber nicht vereinigungsstabil, da es {\displaystyle \{1\}\cup \{3\}=\{1,3\}} nicht enthält, und somit auch keine Algebra.

Produkte von Algebren

Sind {\displaystyle {\mathcal {M}}_{1}} und {\displaystyle {\mathcal {M}}_{2}} Mengensysteme auf \Omega _{1} und \Omega _{2} und wird das Produkt von {\displaystyle {\mathcal {M}}_{1}} und {\displaystyle {\mathcal {M}}_{2}} definiert als

{\displaystyle {\mathcal {M}}_{1}\times {\mathcal {M}}_{2}:=\{A\times B\subset \Omega _{1}\times \Omega _{2}\;|\;A\in {\mathcal {M}}_{1},\;B\in {\mathcal {M}}_{2}\}},

so ist das Produkt von zwei Algebren im Allgemeinen kein Algebra (auf \Omega _{1}\times \Omega _{2}) mehr, sondern lediglich ein Halbring. Denn betrachtet man die Algebra

{\displaystyle {\mathcal {A}}=\{\emptyset ,\{1\}\{2\}\{1,2\}\}},

über {\displaystyle \Omega =\{1,2\}}, so enthält das Mengensystem {\displaystyle {\mathcal {A}}\times {\mathcal {A}}} sowohl die Mengen

{\displaystyle M_{1}=\{1,2\}\times \{1,2\}=\{(1,1),(1,2),(2,1),(2,2)\}} als auch {\displaystyle M_{2}=\{2\}\times \{2\}=\{(2,2)\}}.

Die Menge

{\displaystyle M_{1}\setminus M_{2}=M_{2}^{\mathrm {c} }=\{(1,1),(1,2),(2,1)\}}

ist jedoch nicht in enthalten, da sie sich nicht als kartesisches Produkt zweier Mengen aus  \mathcal A darstellen lässt. Somit ist das Produkt der Mengensysteme nicht komplementstabil, kann folglich auch keine Algebra sein.

Definiert man das Produkt von zwei Mengensystemen jedoch als

{\displaystyle {\mathcal {M}}_{1}\boxtimes {\mathcal {M}}_{2}:={\Biggl \{}\bigcup _{i=1}^{n}A_{i}\times B_{i}\,|\,A_{i}\in {\mathcal {M}}_{1},B_{i}\in {\mathcal {M}}_{2}{\Biggl \}}},

so ist das Produkt zweier Algebren wieder eine Algebra. Sie wird unter anderem auch dazu verwendet, die Produkt-σ-Algebra zu definieren.

Spur einer Algebra

Die Spur einer Algebra  \mathcal A bezüglich einer Menge  U , also das Mengensystem

{\displaystyle {\mathcal {A}}|_{U}:=\{A\cap U\;|\;A\in {\mathcal {A}}\}}

ist immer eine Algebra, unabhängig von der Wahl von  U .

Die erzeugte Algebra

Da beliebige Schnitte von Algebren wieder Algebren sind lässt sich der Hüllenoperator

{\displaystyle {\mathcal {A}}({\mathcal {E}}):=\bigcap _{\scriptstyle {\mathcal {E}}\subseteq {\mathcal {A}}_{i} \atop \scriptstyle {\mathcal {A}}_{i}{\text{ Algebra}}}{\mathcal {A}}_{i}}

definieren. Sie ist per Definition die (bezüglich Mengeninklusion) kleinste Algebra, der das Mengensystem {\mathcal  E}> enthält und wird die von {\mathcal  E} erzeugte Algebra genannt.

Beziehung zu verwandten Strukturen

Hierarchie der in der Maßtheorie verwendeten Mengensysteme
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 06.10. 2019