Gauß-Strahl
Der Gauß-Strahl (auch gaußsches Bündel) ist ein Konzept der paraxialen Optik zur Beschreibung der Lichtausbreitung, in dem sich Methoden der Strahlen- und der Wellenoptik verbinden. Im Querschnitt zeigt der Gauß-Strahl ein Profil gemäß einer Gauß-Kurve mit einer längs der Ausbreitungsachse variierenden Breite. Der Strahl verjüngt sich näherungsweise linear bis zum Erreichen der schmalsten Stelle, die als Fokus oder Taille bezeichnet wird, und wächst danach ebenso wieder an. Längs der Ausbreitungsachse zeigt die räumliche Intensität des Strahls ein Lorentzprofil, das Maximum liegt an der Stelle der Taille. Das elektromagnetische Feld des Gauß-Strahls ergibt sich aus den Maxwell-Gleichungen für konstante Frequenz ω, also aus der Helmholtz-Gleichung, nach paraxialer Näherung. Bei gegebener Ausbreitungsrichtung und Wellenlänge ist der Gauß-Strahl vollständig durch die Angabe des Orts und des Strahldurchmessers der Taille bestimmt.
Gauß-Strahlen beschreiben besonders gut die Lichtemission vieler Laser (siehe Beugungsmaßzahl), aber sie lassen sich auch in vielen anderen Situationen elektromagnetischer Strahlung einsetzen. Besonders interessant sind sie, weil sie einerseits den einfachen Rechenmethoden der Strahlenoptik gehorchen, andererseits aber auch Phasenbetrachtungen wie in der Wellenoptik erlauben.
Mathematische Beschreibung

Zur mathematischen Beschreibung eines Gauß-Strahls werden vorzugsweise Zylinderkoordinaten
verwendet. Das Koordinatensystem wird so gewählt, dass die Ausbreitungsrichtung
die z-Achse ist und die Strahltaille im Koordinatenursprung bei
liegt. Die komplexe Amplitude des elektrischen Feldes unter Berücksichtigung der
Phase in Abhängigkeit vom Abstand
zur z-Achse und der Entfernung
zur Taille wird beschrieben durch die Funktion:
Die Phasenfläche nähert sich in großem Abstand von der Taille der einer
sphärischen Welle. Mit den Näherungen der unten angegebenen Funktionen
und
für große
wird der Phasenfaktor:
Dieses Ergebnis wird nämlich ebenfalls nach Entwicklung des Quellabstands
im Phasenfaktor
einer Kugelwelle erhalten:
.
– Jedoch zeigt die für den Gaußstrahl charakteristische Phasenreduktion von
nach vollständigem Durchgang durch die Taille der rotationssymmetrischen
Grundmode den bedeutenden Unterschied zwischen der punktsymmetrisch
strahlendenen Kugelwelle und dem gerichteten, axialsymmetrischen Strahlenbündel,
siehe unten Gouy-Phase.
Die zur Feldstärke gehörende Intensität ist:
Dabei sind
die imaginäre
Einheit,
die Kreiswellenzahl
und
bzw.
die Werte an der Stelle
.
Die Parameterfunktionen
,
und
beschreiben die Geometrie des Gauß-Strahls und werden im Folgenden erläutert.
Transversales Profil
Wie bereits erwähnt hat der Gauß-Strahl ein transversales Profil gemäß einer
Gauß-Kurve.
Als Strahlradius
definiert man bei einem bestimmten Wert
den Abstand zur
-Achse,
an dem die Amplitude auf 1/e
(ca. 37 %), die Intensität also auf 1/e² (ca. 13,5 %), gefallen
ist. Der minimale Strahlradius, der an der Taille des Strahls (also bei
)
vorliegt, wird mit
bezeichnet. In Abhängigkeit vom Abstand
entlang der Achse verhält sich der Strahlradius dann im Nahfeld gemäß
mit der Rayleigh-Länge
.
Axiales Profil
Im Abstand der Rayleighlänge von der Strahltaille ist der Strahl auf
verbreitert. Die Rayleighlänge ist folglich der Abstand, bei dem sich die Strahlfläche in Bezug auf die kleinste Taille verdoppelt hat.
Der Abstand zwischen dem linken und rechten Punkt mit
wird bi- oder konfokaler Parameter genannt:
Damit ist die Amplitude
also an einer bestimmten z-Koordinate auf das
-fache
abgefallen. Dies entspricht einem Lorentz-Profil.
Krümmung

Die Exponentialfunktionen mit imaginären Exponenten bestimmen die Phasenlage
der Welle bei .
Dabei bestimmt der Parameter
anschaulich, wie stark die Phase an achsfernen Punkten verzögert ist, also, wie
stark die Wellenfronten gekrümmt sind, und heißt deshalb Krümmungsradius.
Er berechnet sich zu
.
Direkt in der Strahltaille für
ist der Krümmungsradius unendlich und es liegen ebene Wellenfronten vor. Im
Vergleich zur ebenen
homogenen Welle ist jedoch das Intensitätsprofil senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung nicht konstant, weshalb der Strahl außerhalb der Taille
divergiert und die Wellenfronten sich krümmen.
Divergenz
Betrachtet man den Verlauf von
für
,
nähert er sich einer Geraden – dies zeigt die Verbindung zur Strahlenoptik auf.
Wie stark der Gauß-Strahl verläuft, sich also transversal ausdehnt, lässt sich
dann durch den Winkel (genauer: 'Steigung', da wegen Strahlparameterprodukt
auch
für kleine Strahltaillen
möglich
)
zwischen dieser Geraden und der z-Achse angeben, dies nennt man die Divergenz:
Diese Beziehung führt zu dem Effekt, dass die Divergenz bei starker Fokussierung größer wird: Ist die Strahltaille schmal, verläuft der Strahl in großen Entfernungen stark auseinander. Man muss also einen Kompromiss aus Fokussierung und Reichweite finden.
Gouy-Phase
Ein Term der Wellenphase des Gauß-Strahls wird Gouy-Phase genannt:
Der Phasenunterschied von
der Grundmode beim Übergang von
zu
entspricht dem Umklappen im Fokus nach der klassischen Strahlenoptik.
Beim vollständigen Durchgang des Gauß-Bündels durch seine Taille erfährt der
paraxiale Strahl im Vergleich zur ebenen Welle
die entsprechend einer halben Wellenlänge geringere Phasenverschiebung im Fall
der rotationssymmetrischen Grundmode.
Zuerst beobachtete Louis Georges Gouy experimentell im Jahre 1890 den zunächst überraschenden Effekt. Gauß-Bündel sind gemäß dem Fourier-Theorem eine Superposition von Neigungsmoden ebener Wellen. Die zur Bündelachse geneigten Spektralkomponenten propagieren – in z-Richtung gemessen – offenbar mit einer kleineren Phasenschiebung verglichen mit einer achsparallelen Welle. Das stetige Neigungsspektrum ergibt überlagert die beobachtete endliche Phasenreduktion.
Matrizenoptik
Wenn ein Gaußstrahl auf parabolische
Linsen oder Spiegel fällt, ist der resultierende Strahl wieder ein Gaußstrahl.
Damit lassen sich die Regeln der Matrizenoptik
aus der geometrischen Optik vollständig übertragen. Definiert man den Parameter
,
so wirkt die ABCD-Matrix eines optischen Elementes auf ihn gemäß
Komplizierte Kombinationen von optischen Elementen lassen sich zu einer Matrix zusammenfassen. Dies vereinfacht die Berechnung der Strahlprofile bei Strahlengängen, beispielsweise beim Berechnen von Resonanzen optischer Resonatoren.
Herleitung
Als Ausgangspunkt dienen die Maxwell-Gleichungen, aus denen eine Wellengleichung für elektromagnetische Wellen hergeleitet werden kann:
Ein allgemeiner Ansatz zur Lösung dieser Gleichung lautet
mit der Polarisation
.
Einsetzen des Ansatzes in die Wellengleichung liefert die Helmholtzgleichung
für die skalare
Amplitude der Welle
mit der Kreiswellenzahl
.
Eine Lösung dieser Gleichung wären bspw. die ebenen Wellen, diese haben aber das
Problem, dass sie im gesamten Raum die gleiche Amplitude haben, während
Laserstrahlen räumlich stark begrenzt sind. Es ist deswegen sinnvoll für die
Feldstärke den Ansatz
zu wählen. Dieser gibt in Ausbreitungsrichtung eine harmonische, räumliche Oszillation vor sowie zwei (bisher noch) beliebige Formen in transversaler Ebene (senkrecht zur Ausbreitungsrichtung). Dieser Ansatz gilt weiterhin für den gesamten Raum, es wird deswegen noch eine weitere Annahme getroffen, die sogenannte Paraxialnäherung (engl. slowly varying envelope approximation) der Helmholtzgleichung, bei der gilt
mit der Bedeutung, dass sich das Profil des Strahls entlang der Ausbreitungsrichtung nur langsam ändert. Einsetzen des Ansatzes in die Helmholtzgleichung, Ausführen der Ableitung so weit wie möglich, Anwenden der Näherung (Terme mit mehr als einer z-Ableitung gleich null setzen) führt zu der Differentialgleichung
die in zwei unabhängige Gleichungen separiert werden kann:
Lösungen dieser Gleichungen lauten
wobei
und
die Hermite-Polynome
sind. Diese Lösungen stellen die verschiedenen transversalen Moden eines
Laserstrahls dar. Der Gauß-Strahl ist die Lösung für
,
für die die Hermite-Polynome Eins sind. Verwenden von Zylinderkoordinaten und
Einsetzen der Lösungen in den Ansatz liefert die eingangs angeführte
Feldverteilung: die TEM00-Mode oder Gauß-Strahl.
Literatur
- Dieter Meschede: Optik, Licht und Laser. 2. Auflage. B. G. Teubner, München 2005, ISBN 3-519-13248-6.
- Eugene Hecht: Optik. 4. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2005, ISBN 3-486-27359-0.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.01. 2022