Stabwerk (Technische Mechanik)
In der Technischen Mechanik bezeichnet der Begriff Stabwerk (auch Stabtragwerk) ein im Allgemeinen räumliches, aus meistens geraden Stäben zusammengesetztes Tragwerk, z.B. ein Tragwerk von Gebäuden. Je nach Verbindungsart der Stäbe wird zwischen biegesteifen Stabwerken, Fachwerken und Mischformen unterschieden.
Konstruktionselemente
Zu den Stäben kommen als Konstruktionselemente hinzu die äußeren Abstützungen (Lager) und die inneren Verbindungen (Knoten).
Stäbe
Meistens werden gerade Stäbe oder Balken verwendet. Gekrümmte Stäbe haben vorwiegend Kreisbogenform.
Von Fachwerken abgesehen unterliegen die Stäbe neben Normalkraft- auch Querkraft- und Biegebeanspruchungen. Die Biegebeanspruchung bestimmt i.d.R. den zu wählenden Querschnitt der Stäbe.
Abstützungen (Lager)
Die Lager haben Kraftkomponenten (Kräfte und Drehmomente) aus dem Stabwerk heraus in die Fundamente zu übertragen. Je nachdem, wie viele Kraftkomponenten ein Lager übertragen kann, wird es als einwertig, zweiwertig, ... (bis n-wertig: n=3 bei ebenem, n=6 bei räumlichen Stabwerk) bezeichnet. Beim ebenen Tragwerk ist ein unverschiebliches Drehlager zweiwertig, ein in der Tragwerksebene verschiebliches Drehlager (Loslager) einwertig und eine feste (unverschiebliche) Einspannung dreiwertig.
Verbindungen (Knoten)
Die Kraftkomponenten zwischen den Stabelementen werden über die Knoten geleitet. Anstatt von der Wertigkeit wird von festem Anschluss, von Gelenk und von Längs- bzw. Querkraftmechanismus (auch Längs- bzw. Querkraftgelenk genannt) gesprochen. Bei einem ebenen Stabwerk können in diesen Verbindungen Normal-, Querkraft und Drehmoment (fester Anschluss), Normal- und Querkraft (Gelenk), Querkraft und Drehmoment (Längsmechanismus oder Normalkraftgelenk) und Längskraft und Drehmoment (Quermechanismus oder Querkraftgelenk) übertragen.
Fachwerk
Die Stäbe eines idealen Fachwerkes werden ausschließlich auf Normalkraft beansprucht. In Realen Fachwerken treten aber auch Biegemomente (ein Drehmoment, welches Biegung erzeugt) auf. Diese Biegemomente sind, (bei zentrischen Knotenanschlüssen,) aufgrund der Biegeweichheit der Stäbe (im Vergleich zur Starrheit der Gesamtstruktur, des Fachwerkes) im Allgemeinen sehr klein. In der Statik werden in einer Vordimensionierung die Verbindungen oftmals als (reibungsfreie) Drehgelenke behandelt.
Statische Bestimmtheit
Ein statisch unterbestimmtes („kinematisches“) Stabwerk wäre auf seinen Fundamenten oder in sich selber beweglich, also instabil. Statisch überbestimmte Stabwerke (= statisch unbestimmte Stabwerke) sind i. d. R. stabiler als statisch bestimmte Stabwerke. Statisch unbestimmte Systeme können nicht allein mit den Gleichgewichtsbedingungen eindeutig gelöst werden, man braucht zusätzlich Verformungsrandbedinungen. Thermische Ausdehnungen und Setzungen der Fundamente können bei ihnen sekundäre, innere Beanspruchungen und Verformungen bewirken (also zusätzlich zu den von außen anliegenden Lasten wie Bauteilgewichte, Schnee- und Verkehrslast sowie Winddruck). Fertigungsungenauigkeiten bei den Stablängen können die Montage erschweren und auch zu sekundären, inneren Beanspruchungen und Verformungen führen (Zwängungen).
Aus den Gleichgewichtsbedingungen wurden für Stabwerke und nochmals speziell für Fachwerke die sogenannten Abzählkriterien als vereinfachte Bestimmungsmethode entwickelt. Für Grenzfälle liefern sie aber nicht immer das richtige Ergebnis, was wegen ihrer schematischen Anwendung zudem nicht erkennbar ist.
Erfahrene Stabwerk-Konstrukteure benutzen deshalb andere Kriterien wie das Abbau- bzw. Aufbaukriterien (Frage: Was passiert, wenn ein Stab entfernt bzw. ein Stab hinzugefügt wird?). Die sichere Antwort für jeden Fall und für Ungeübte folgt nur aus der Arbeit mit den Gleichgewichtsbedingungen.
Grad der statischen Bestimmtheit
Der Grad der statischen Bestimmtheit eines Stabwerks wird mit der ganzzahligen Größe angegeben:
- statisch überbestimmt/ unbestimmt,
- oftmals statisch bestimmt,
- statisch unterbestimmt (=„kinematisch“ also beweglich).
Abzählkriterien
allgemeines Abzählkriterium
Die Bestimmung von n kann mit der folgenden, als Abzählkriterium bekannten Formel erfolgen:
- ebene Tragwerke:
- räumliche Tragwerke:
Hierbei sind:
i: Summe der in den Auflagern unterbundenen
Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der Auflager,)
j: Summe der in
den Verbindungen unterbundenen Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der
Verbindungen),
k: Anzahl der starren Bauteile (deformierbare Stäbe zählen
hier im Allgemeinen als starr (Ausnahme: z.B. Fließgelenke)).
Rechenbeispiel: (ebener) Gerberträger
- ⇐ der Gerberträger ist ein statisch bestimmtes Tragwerk.
Mit dem Abzählkriterium ermittelte statische Unbestimmtheit entspricht immer der Realität, aber nicht immer ermittelte statische Bestimmtheit. Unter- und Überbestimmtheiten können sich bei diesem Verfahren gegenseitig aufheben. Beispiel hierfür ist ein zweiteiliger Balken, der auf drei Loslagern liegt: Trotz ermitteltem n = 0 ist er offensichtlich nicht statisch bestimmt.
Abzählkriterium für Fachwerke
Für Fachwerke kann man das allgemeine Abzählkriterium verwenden, da die Stäbe nur Normalkräfte bekommen und alle Verbindungen als Drehgelenke bewertbar sind kann man sie vereinfachen:
Für ebene Fachwerke wird folgende Formel verwendet:
Hierbei sind: a: Summe der in den Auflagerdrehgelenken unterbundenen
Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der Auflager),
s: Anzahl der
Stäbe,
z: Anzahl der Drehgelenke (Auflager + Verbindungen).
Beispiel: nebenstehend abgebildetes Fachwerk
- ⇐ das nebenstehend abgebildete Fachwerk ist statisch bestimmt.
Für räumliche Fachwerke wird folgende Formel verwendet:
Auch die Abzählkriterien für Fachwerke sind nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Nachweis statischer Bestimmtheit.
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de Seite zurück© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.12. 2021