Momentenmethode
Die Momentenmethode ist eine Schätzmethode in der mathematischen Statistik und dient der Gewinnung von Schätzfunktionen. Die mittels der Momentenmethode gewonnenen Schätzer werden als Momentenschätzer bezeichnet. Die Momentenmethode ist im Allgemeinen einfach anzuwenden, die gewonnenen Schätzer erfüllen aber nicht immer gängige Optimalitätskriterien. So müssen Momentenschätzer weder eindeutig noch erwartungstreu sein. Der Momentenmethode liegt die Idee zugrunde, dass die Momente einer Zufallsvariable oder Wahrscheinlichkeitsverteilung durch die Stichprobenmomente geschätzt werden können. Ist dann allgemeiner eine zu schätzende Funktion als Funktion der Momente (der Zufallsvariable oder Wahrscheinlichkeitsverteilung) gegeben, so erhält man einen Schätzer, indem man diese Momente durch die Stichprobenmomente ersetzt.
Die Momentenmethode wurde erstmals 1894 von Karl Pearson verwendet und kann als Spezialfall des Substitutionsprinzips aufgefasst werden.
Vorgehen
Rahmenbedingungen
Gegeben sei eine Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen
auf den reellen Zahlen, die mit einer beliebigen Indexmenge
indiziert ist. Es bezeichne
das n-fache Produktmaß
der Wahrscheinlichkeitsverteilung
.
Das statistische Modell sei gegeben als das n-fache Produktmodell
.
Sei ,
wobei
die i-te Stichprobenvariable
ist. Die
sind also unabhängig
identisch verteilt. Es bezeichne
die Bildung des Erwartungswertes
bezüglich
und
das j-te Moment
einer nach
verteilten Zufallsvariable bzw. des Wahrscheinlichkeitsmaßes
.
Des Weiteren sei
das j-te Stichprobenmoment
von .
Methode
Geschätzt werden soll eine Funktion
,
die im Falle eines parametrischen Modells auch als Parameterfunktion bezeichnet wird. Es gelten die folgenden Voraussetzungen:
- Es existiert ein
, so dass für alle
und alle
die Momente
existieren.
- Es existiert eine stetige
Funktion
, so dass
-
.
Die zu schätzende Funktion lässt sich also als Funktion der Momente darstellen.
Dann ist
eine Schätzfunktion
für .
Man erhält also eine Schätzfunktion, indem man in der zu schätzenden Funktion
die Momente
der Wahrscheinlichkeitsverteilungen durch die Stichprobenmomente
ersetzt.
Beispiele
Schätzung des Erwartungswertes
Es soll der Erwartungswert einer Stichprobe geschätzt werden. Aufgrund
mangelnder Informationen über die Struktur möglicher
Wahrscheinlichkeitsverteilungen wählt man als Familie von
Wahrscheinlichkeitsmaßen alle Wahrscheinlichkeitsmaße mit endlichem
Erwartungswert, versehen mit einer beliebigen Indexmenge .
Es handelt sich bei dem entsprechenden Produktmodell also um ein
nichtparametrisches Modell. Aus der Indizierung kann keinerlei Schluss über den
Erwartungswert gezogen werden oder umgekehrt.
Geschätzt werden soll der Erwartungswert, die zu schätzende Funktion ist also
Als Darstellung durch die Momente findet sich
,
da der Erwartungswert genau das erste Moment ist. Per Definition der
Wahrscheinlichkeitsverteilungen existiert dieser immer, es ist somit .
Gesucht ist nun eine Darstellung von
als Verkettung des ersten Moments und einer unbekannten stetigen Funktion
.
Diese ergibt sich trivialerweise als
,
da
.
Das Einsetzen des ersten Stichprobenmoments
in
liefert somit als Schätzfunktion für den Erwartungswert das Stichprobenmittel
Schätzung der Varianz
Analog zu oben soll nun ohne weiteres Vorwissen die Varianz geschätzt werden.
Die Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen ist demnach so gewählt, dass alle eine
endliche Varianz besitzen und mit einer Indexmenge
indiziert sind.
Zu schätzende Funktion ist die Varianz, also
nach dem Verschiebungssatz. Es ist also
.
Die Funktion
lässt sich also als Verkettung der ersten beiden Momente und der stetigen
Funktion
schreiben. Substituiert man die Momente der Wahrscheinlichkeitsverteilungen durch die Stichprobenmomente, so erhält man
mit
wie oben als Schätzfunktion die (nicht korrigierte) Stichprobenvarianz.
Sie ist ein klassisches Beispiel für einen nicht erwartungstreuen
Momentenschätzer.
Allgemeine Formulierung
Die oben genannte Fassung lässt sich wie folgt verallgemeinern:
Gegeben sei eine indizierte Menge
von Wahrscheinlichkeitsmaßen auf
und sei
das entsprechende Produktmodell. Sei für integrierbares
das j-te verallgemeinerte Moment und sei
die zu schätzende Funktion. Dann ist
eine Schätzfunktion für .
Der oben beschriebene Spezialfall folgt mit
.
Eigenschaften
Für stetige Funktionen
sind Momentenschätzer stark
konsistent.
Dies folgt direkt aus dem starken
Gesetz der großen Zahlen. Für reelle und differenzierbare
sind Momentenschätzer auch asymptotisch
normal.
Sie sind aber im Allgemeinen nicht erwartungstreu,
wie die oben im Beispiel hergeleitete unkorrigierte Stichprobenvarianz zeigt.
Literatur
- Ludger Rüschendorf: Mathematische Statistik. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41996-6.
- Claudia Czado, Thorsten Schmidt: Mathematische Statistik. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17260-1.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.10. 2022