Milchsäure
Sicherheitshinweise | |||||||||
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Toxikologische Daten | 3.543 mg/kg (LD50, Ratte, oral) |
Milchsäure (lat. acidum lacticum) ist eine Hydroxycarbonsäure die sowohl eine Carboxygruppe als auch eine Hydroxygruppe besitzt. Sie wird deswegen auch als 2-Hydroxypropionsäure bezeichnet, nach den Nomenklaturempfehlungen der IUPAC ist jedoch die Bezeichnung 2-Hydroxypropansäure zu verwenden. Die Salze und Ester der Milchsäure heißen Lactate.
Geschichte
Milchsäure wurde historisch sowohl in Europa wie auch in Asien zur Säuerung und Konservierung von Lebensmitteln, insbesondere für Milch (Sauermilch), Gemüse (z.B. Sauerkraut) und auch zur Herstellung von Silagen als Futtermittel bereits seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden genutzt.
Die erste Entdeckung und Isolierung der Milchsäure geht auf den schwedischen Chemiker Carl Wilhelm Scheele im Jahr 1780 zurück, der sie aus saurer Milch in Form eines braunen Sirups isolierte. Die Fleischmilchsäure [L-(+)-Milchsäure] wurde von Jöns Jakob Berzelius im Jahr 1808 entdeckt und ihre Struktur 1873 von Johannes Wislicenus aufgeklärt. Henri Braconnot, ein französischer Chemiker, fand im Jahre 1813 heraus, dass Milchsäure in einem Fermentationsprozess hergestellt werden kann. 1856 entdeckte Louis Pasteur die Milchsäurebakterien und entwickelte das Grundverständnis für die Milchsäuregärung. Die großtechnische Produktion von Milchsäure begann 1881 in den USA, und 1895 machte auch Boehringer Ingelheim die Entdeckung, wie Milchsäure mit Hilfe von Bakterien in großen Mengen hergestellt werden konnte.
Vorkommen
L-(+)-Milchsäure kommt in Schweiß, Blut, Speichel sowie im Muskelserum, in der Niere und Galle vor. Das Racemat, eine 1:1-Mischung aus D- und L-Milchsäure, findet sich z.B. in Sauermilch- und Molkeprodukten, Tomatensaft und Bier. Bei allen Produkten, die per Milchsäuregärung haltbar gemacht werden, ist der Anteil der beiden Enantiomeren abhängig vom verwendeten Bakterienstamm und den Reaktionsbedingungen.
Auch Pilze erzeugen Milchsäure, z.B. Vertreter der Gattungen Rhizopodus, Allomyces und Blastocladiella.
Strukturformel | |||||||||
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Strukturformel ohne Angabe der Stereochemie | |||||||||
Allgemeines | |||||||||
Name | Milchsäure | ||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C3H6O3 | ||||||||
Kurzbeschreibung | farblose, fast geruchlose, ölige Flüssigkeit (Racemat) | ||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||
ATC-Code | G01AD01 | ||||||||
Eigenschaften | |||||||||
Molare Masse | 90,08 g/mol | ||||||||
Aggregatzustand |
flüssig (Racemat) fest (D-/L-Milchsäure) | ||||||||
Dichte | 1,21 g/cm3 (Racemat) | ||||||||
Schmelzpunkt |
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Siedepunkt | 122 °C (20 hPa) (Racemat) | ||||||||
Dampfdruck | 10 Pa (25 °C) | ||||||||
pKs-Wert | 3,90 (25 °C, Racemat) | ||||||||
Löslichkeit | |||||||||
Brechungsindex | 1,4392 (20 °C; Racemat) |
Eigenschaften
Aufgrund ihrer unterschiedlichen optischen Aktivität wird die D-(–)-Milchsäure (Syn.: (R)-Milchsäure) auch als linksdrehende Milchsäure und die L-(+)-Milchsäure (Syn.: (S)-Milchsäure) auch als rechtsdrehende Milchsäure bezeichnet. Racemische Milchsäure ist ein 1:1-Gemisch aus (R)- und (S)-Milchsäure.
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D-Milchsäure
[(R)-Milchsäure]
[(–)-Milchsäure] -
L-Milchsäure
[(S)-Milchsäure]
[(+)-Milchsäure]
Milchsäure ist in Form von Lactat ein wichtiges Zwischenprodukt im Stoffwechsel, zum Beispiel als Produkt beim Abbau von Zuckern durch die Milchsäuregärung. Weltweit werden jährlich etwa 250.000 Tonnen (Stand 2010) Milchsäure industriell produziert, die vor allem in der Lebensmittelindustrie sowie zur Herstellung von Polylactiden (PLA; auch: Polymilchsäuren) genutzt werden.
Der spezifische Drehwinkel beträgt für D-Milchsäure bei 20 °C [α]D20 = –2,6 (H2O) und für L-Milchsäure [α]D20 = +2,6 (H2O). Bei 15 °C wird für L-Milchsäure ein Drehwinkel [α]D15 = +3,82 (H2O) gemessen.
Milchsäure bildet intermolekular Ester. Unter Abspaltung von Wasser entsteht als Dimer Lactoylmilchsäure, die beim längeren Stehen oder beim Erhitzen zu Polymilchsäure weiterverestert. Diese Makromoleküle erreichen jedoch keine relevanten Kettenlängen, um das Produkt technisch verwerten zu können.
In wässriger Milchsäurelösung liegt ein chemisches Gleichgewicht zwischen Milchsäure und ihren durch intermolekularer Wasserabspaltung entstehenden Polyester (Estoliden) vor. In 90%iger Milchsäurelösung findet man etwa 70 % als freie Säure und 20 % als ihre Estolide vor. Aus zwei Milchsäuremolekülen entstehen unter Ringschluss und Abspaltung von zwei Wassermolekülen Dilactid mit einem sechsgliedrigen Ring (Dilacton). Diese Verbindung wird in wässriger Milchsäurelösung jedoch nicht beobachtet. Aus Dilactiden lassen sich mittels Ringöffnungspolymerisation hochwertige Polyester erzeugen. Der entstehende Kunststoff ist biologisch abbaubar und zudem immunologisch neutral.
Herstellung
Die Herstellung von Milchsäure kann sowohl biotechnologisch über eine Fermentation von Kohlenhydraten (Zucker, Stärke) wie auch synthetisch auf der Basis petrochemischer Rohstoffe (Acetaldehyd) erfolgen.
Fermentative Herstellung
Etwa 70 bis 90 % der Weltproduktion an Milchsäure wird derzeit fermentativ hergestellt, wobei beide reinen Enantiomere kommerziell durch Fermentationsverfahren mit Milchsäurebakterien in signifikanten Mengen produziert werden. Biologisch entsteht bei der mikrobiellen Fermentation durch Milchsäurebakterien häufig das Racemat der Milchsäure (50:50-Gemisch) bis zu Produkten mit Anteilen von 51 bis 90 % L-Milchsäure.
Industriell erfolgt die Herstellung von Sauermilchprodukten durch Vergärung von Milch oder Molke vor allem durch die Lactobacillus-Arten Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei, Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus (Lactobacillus bulgaricus) und Lactobacillus helveticus, weiterhin durch Streptococcus salivarius subsp. thermophilus (Streptococcus thermophilus) und Lactococcus lactis. Für industriell genutzte Milchsäure werden Zuckerdicksaft oder Stärkehydrolysate und Lactobacillus delbrueckii sowie Pentose-haltige Sulfitablaugen und Lactobacillus pentosus verwendet. Die Bakterienstämme werden nach ihrer Eigenart eingeteilt, Glucose nur zu Lactat oder auch zu anderen Produkten zu vergären: homofermentative Arten, wie Lactobacillus casei und Lactococcus lactis, bilden pro Mol Glucose zwei Mol Lactat, während heterofermentative Arten, wie Leuconostoc mesenteroides und Lactobacillus brevis, neben einem Mol Lactat pro Mol Glucose auch Essigsäure, Kohlenstoffdioxid und Ethanol produzieren.
Synthetische Herstellung
Synthetisch wird Milchsäure durch Wasseranlagerung an Cyanwasserstoff (Blausäure, HCN) hergestellt. Großtechnisch spielt dabei nur die Synthese von Milchsäure aus Acetaldehyd mit Cyanwasserstoff über Lactonitril eine gewisse Rolle. Letzteres wird über den Einsatz von Salzsäure hydrolysiert, wobei neben der Milchsäure Ammoniumchlorid entsteht. Dieser Syntheseweg wird von dem japanischen Unternehmen Musashino als letztem Großproduzenten für synthetische Milchsäure realisiert.
Verwendung
Ernährung, Futter- und Genussmittel
Eine Reihe von Lebensmitteln werden direkt durch Milchsäuregärung hergestellt. Darunter fallen vor allem die Sauermilchprodukte wie Sauermilch, Joghurt, Kefir und Buttermilch. Diese werden durch Infektion von pasteurisierter Milch mit Starterkulturen der Milchsäurebakterien hergestellt. Weitere Produkte sind lactofermentierte Gemüse wie Sauerkraut, rote Bete in einigen Borschtsch-Varianten oder Gimchi sowie Sauerteig und entsprechend Sauerteigprodukte. Auch Silagen, durch Vergärung haltbar gemachte Frischfuttermittel, basieren auf der Milchsäuregärung.
Als Lebensmittelzusatzstoff trägt Milchsäure die Bezeichnung E 270. Sie wird in der Lebens- und Genussmittelindustrie vielfältig als Säuerungsmittel eingesetzt, so etwa in Backwaren, Süßwaren und vereinzelt in Limonaden. Durch die Änderung des pH-Wertes in den Lebensmitteln auf einen pH von etwa 4 kommt es zu einer Konservierung der Lebensmittel, da eine Besiedlung mit anderen Mikroorganismen weitgehend ausgeschlossen wird.
In Form der Salze Calciumlactat oder Calciumlactatgluconat kann sie zudem zur Calciumanreicherung zugesetzt werden.
Stoffliche Nutzung
Milchsäure ist das Monomer der Polylactide bzw. Polymilchsäuren (PLA), die als biologisch abbaubare Biokunststoffe vielfältige Verwendung finden.
Milchsäure wirkt antibakteriell und wird deshalb Flüssigseifen, Reinigern und Geschirrspülmitteln zugegeben. Die Desinfektionswirkung entfaltet sie optimal bei einem pH-Wert von 3 bis 4. Sie wurde und wird auch als Mittel zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt.
Milchsäure wird als Kalklöser in der Gerberei zum Entkalken von Häuten verwendet. Auch in der Textilindustrie und der Druckerei wird sie hierzu eingesetzt.
Imker nutzen Milchsäure zur Behandlung von Bienen gegen die Varroamilbe, wobei darauf zu achten ist, dass die behandelten Bienenstöcke bzw. Waben brutfrei sind. Arachnologen verwenden Milchsäure, um die präparierte Epigyne von Spinnenweibchen oder andere Chitinstrukturen aufzuhellen und um Gewebereste aufzulösen.
Die Pharmazeutische Technologie nutzt Milchsäure, um wasserunlösliche Arzneistoffe in Salze der Milchsäure (Lactate) umzuwandeln; diese sind besser wasserlöslich (Beispiel: Ciprofloxacin).
In der Kosmetik wird Milchsäure in Hautcremes und anderen Produkten zur Behandlung von Akne genutzt.
Physiologie
Bei starker Betätigung der Skelettmuskulatur kann es zum Anstieg des Blut-Lactatgehaltes von 5 mg/dl auf 100 mg/dl kommen. Die Ursache ist, dass bei anaeroben Bedingungen, wie beispielsweise bei schneller Betätigung der Skelettmuskulatur, Energie in Form von NAD+ aus der Reduktion von Pyruvat mittels der Lactatdehydrogenase für die Fortführung der Glykolyse gewonnen werden muss. Die dabei anfallende Milchsäure (Lactat und H+) wird über den Monocarboxylat-Transporter 1 aus den Zellen geschwemmt. Dieser Vorgang wurde früher als Ursache des Muskelkaters verstanden, jedoch wird diese Theorie heute größtenteils als falsch betrachtet.
Für den Menschen ist die rechtsdrehende L-(+)-Milchsäure die physiologische. Oral eingenommen wird sie im Organismus schneller abgebaut als die linksdrehende D-(−)-Milchsäure.
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de Seite zurück© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.12. 2024