Atomökonomie

Atomökonomie und chemische Umwandlungen

Die Atomökonomie (auch Atomeffizienz) ist der massemäßig prozentuale Anteil der in einer chemischen Reaktion von den Edukten in die Produkte überführten Atome. Der Begriff wurde 1991 von Barry M. Trost definiert.

Bedeutung und Anwendung

Die Atomökonomie ({\displaystyle AE(\%)}) einer Reaktion ist definiert als die gesamte Molmasse des gewünschten Produkts geteilt durch die Summe der gesamten Molmassen aller Edukte, ausgedrückt in Prozent. Sie kann dementsprechend folgendermaßen berechnet werden:

{\displaystyle AE(\%)={\dfrac {\mathrm {Gesamte~Molmasse~Produkt} \cdot 100~\%}{\mathrm {Summe~der~Gesamten~Molmassen~aller~Edukte} }}}

Für die Ermittlung der Atomökonomie mehrstufiger Synthesen ist eine praktikable Methode beschrieben worden. Für eine generische mehrstufige Synthese zur Herstellung vom Produkt R (\nu ist der Stöchiometriefaktor):

{\displaystyle {\ce {\nu_{A}A + \nu_{B}B -> \nu_{P}P + \nu_{X}X}}}
{\displaystyle {\ce {\nu_{P}P + \nu_{C}C -> \nu_{Q}Q + \nu_{Y}Y}}}
{\displaystyle {\ce {\nu_{Q}Q + \nu_{D}D -> \nu_{R}R + \nu_{Z}Z}}}

lässt sich die Atomökonomie wie folgt berechnen:

{\displaystyle AE(\%)={\dfrac {\mathrm {Molmasse~von~\nu _{R}R} \cdot 100~\%}{\mathrm {Summe~der~Molmassen~von~\nu _{A}A,~\nu _{B}B,~\nu _{C}C,~\nu _{D}D} }}}

Der Massenerhaltungssatz besagt, dass die Gesamtmasse der Edukte mit der Gesamtmasse der Produkte identisch ist. Im obigen Beispiel entspricht also die Summe der Molmassen von A, B, C und D der Summe der Molmassen von R, X, Y und Z (Stöchiometriefaktor beachten). Da nur R das gewünschte Produkt ist, sind die Atome von X, Y und Z in Nebenprodukten verschwendet worden und dementsprechend Abfall. Die wirtschaftlichen und ökologischen Kosten der Entsorgung dieser Abfälle führen dazu, dass eine Reaktion (oder eine Synthese) mit geringer Atomökonomie „weniger grün“ ist. Eine Atomökonomie von 100 % bedeutet, dass alle Atome der Edukte im gewünschten Produkt zu finden sind (ganz plakativ: „kein Atom wird verschwendet“).

Die Atomökonomie zählt zu den Metriken (Kennwerten) der grünen Chemie und wird zur Beurteilung der Nachhaltigkeit eines chemischen Prozesses verwendet. In der chemischen Industrie spielt die Atomökonomie eine immer wichtigere Rolle. Moderne Synthesen werden so konzipiert, dass sie mit hoher Atomökonomie ablaufen, was zugleich meist das wirtschaftlichste Verfahren ist. Hohe Atomökonomie bedeutet, dass möglichst viele Atome der Edukte sich auch in dem gewünschten Produkt wiederfinden. Dadurch wird die Entsorgung unerwünschter, oft in stöchiometrischen Mengen entstehender Nebenprodukte minimiert oder gar gänzlich überflüssig.

Große Chemieunternehmen, z.B. die BASF AG (Verbundstandort), praktizieren seit Jahrzehnten erfolgreich in großem Stil angewandte Atomökonomie. Dabei wird nicht nur die maximale Effizienz eines Produktionsprozesses betrachtet, sondern die Effizienz eines komplexen Standortes als Einheit. Vermeintliche Abfallstoffe des Herstellungsprozesses A können wertvolle Edukte für den Produktionsprozess B darstellen.

Dieses Konzept wird auch unter energetischen Gesichtspunkten verfolgt. Die bei Kontiprozessen freiwerdende (exotherme) Reaktionsenergie kann in anderen Werksbereichen als Heizenergie genutzt werden.

Systematische Ansätze zu einer „nachhaltigen“ Chemie und der Einbeziehung weiterer Faktoren, die über die Atomökonomie hinausgehen, sind in der Literatur beschrieben. Dabei geht es um die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, die Einbeziehung von Ökobilanzen, Sozialbilanzen, Produktlebenscyclen etc.

Die Suche nach neuen lichtinduzierten Mehrkomponentenreaktionen ist Gegenstand aktueller Forschung. Damit werden neue Methoden der organischen Synthesechemie aufgezeigt, deren Bedarf an nachhaltigen und atom- sowie energieeffizienten Reaktionen stetig dringlicher wird.

Beispiele

Atomökonomie verschiedener chemischer Reaktionen

Berechnung der Atomökonomie am Beispiel der industriellen Herstellung von Phenol

Die Chemikalie Phenol wird im industriellen Maßstab durch das Cumolhydroperoxid-Verfahren hergestellt, welches auch als Phenolsynthese nach Hock (Hock-Verfahren) bekannt ist:

Um die Atomökonomie dieser Reaktion zu berechnen, müssen zunächst die Molmassen der Edukte (Benzol, Propen, Sauerstoff) und der Produkte (Aceton, Phenol) ermittelt werden. Diese sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt:

{\displaystyle {\ce {C6H6}}} {\displaystyle {\ce {+}}} {\displaystyle {\ce {C3H6}}} {\displaystyle {\ce {+}}} {\displaystyle {\ce {O2}}} {\displaystyle {\ce {->}}} {\displaystyle {\ce {C3H6O}}} {\displaystyle {\ce {+}}} {\displaystyle {\ce {C6H6O}}}
Molmasse [{\displaystyle \mathrm {g\cdot mol^{-1}} }] 78,11 42,08 31,98 58,08 94,11

Nun müssen die passenden Werte in die oben beschriebene Formel (aus dem Abschnitt „Bedeutung und Anwendung“) eingesetzt werden (es wird für diese Berechnung eine Ausbeute von 100 % angenommen):

{\displaystyle AE(\%)={\dfrac {94,11~\mathrm {g\cdot mol^{-1}} \cdot 100~\%}{(78,11+42,08+31,98)\mathrm {g\cdot mol^{-1}} }}=61,85~\%}

Folglich besitzt die industrielle Phenolsynthese nach dem Cumolhydroperoxid-Verfahren eine Atomökonomie von rund 62 %. Daraus ist zu schließen, dass ca. 62 % der Atome der Edukte sich in dem gewünschten Produkt Phenol wiederfinden.

Grenzen der Atomökonomie

Die Atomökonomie ({\displaystyle AE(\%)}) ist eine Kenngröße für die Beurteilung der Nachhaltigkeit eines chemischen Prozesses. Wie alle Werte, die komplexe Prozesse in bestimmten Punkten beschreiben wollen besitzt der Wert der Atomökonomie auch gewisse Grenzen:

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 18.11. 2024