Homöomorphismus
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Ein Homöomorphismus (zuweilen fälschlicherweise auch Homeomorphismus in Anlehnung an den englischen Begriff homeomorphism, keinesfalls aber zu verwechseln mit Homomorphismus) ist ein zentraler Begriff im mathematischen Teilgebiet Topologie. Er bezeichnet eine bijektive, stetige Abbildung zwischen zwei topologischen Räumen, deren Umkehrabbildung ebenfalls stetig ist. Die Stetigkeitseigenschaft hängt von den betrachteten topologischen Räumen ab.
Zwei topologische Räume heißen homöomorph (auch topologisch äquivalent), wenn sie durch einen Homöomorphismus (auch topologische Abbildung oder topologischer Isomorphismus) ineinander überführt werden können; sie liegen in derselben Homöomorphieklasse und sind, unter topologischen Gesichtspunkten, gleichartig. Die Topologie untersucht Eigenschaften, die unter Homöomorphismen invariant sind.
Anschaulich kann man sich einen Homöomorphismus als Dehnen, Stauchen, Verbiegen, Verzerren, Verdrillen eines Gegenstands vorstellen; Zerschneiden ist nur erlaubt, wenn man die Teile später genau an der Schnittfläche wieder zusammenfügt.
Definition
und
seien topologische
Räume. Eine Abbildung
ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn gilt:
Homöomorphismen lassen sich wie folgt charakterisieren: Sind
und
topologische Räume, so sind für eine bijektive, stetige Abbildung
äquivalent:
ist ein Homöomorphismus.
ist eine offene Abbildung.
ist eine abgeschlossene Abbildung.
Beispiele
- Jede offene Kreisscheibe (mit positivem Radius) ist homöomorph zu jedem
offenen Quadrat (mit positiver Seitenlänge) in der euklidischen Ebene
. Eine Kreisscheibe lässt sich also anschaulich gesehen durch Verbiegen und Verzerren, ohne Zerschneiden, in ein Quadrat überführen, und umgekehrt.
- Das offene Intervall
ist homöomorph zum Raum
aller reellen Zahlen. Jedes offene Intervall lässt sich ohne Weiteres ins Unendliche verzerren. Ein Homöomorphismus, der dies für
vermittelt, ist zum Beispiel
- Der Produktraum
des Einheitskreises mit sich selbst ist homöomorph zum zweidimensionalen Torus, also zu der Form eines Fahrradschlauchs. Für einen Homöomorphismus, der dies vermittelt, wird zunächst einem Punkt auf dem ersten Kreis eine Stelle auf der Felge des Fahrradreifens zugeordnet, dann einem Punkt auf dem zweiten Kreis eine Stelle auf dem an der Felgenstelle anliegenden Reifenquerschnitt.
- Jeder Isomorphismus im Sinne der Funktionalanalysis ist ein Homöomorphismus.
Bedeutung der Umkehrbarkeit
Die dritte Bedingung der Stetigkeit der Umkehrfunktion
ist unerlässlich. Man betrachte zum Beispiel die Funktion
Diese Funktion ist stetig und bijektiv, aber kein Homöomorphismus. Die
Umkehrfunktion
bildet Punkte nahe bei
auf weit voneinander entfernte Zahlen in der Nähe von
und
ab; anschaulich würde der Kreis an der Stelle
zerrissen und dann flach abgerollt zum Intervall.
Beschränkt man sich auf bestimmte Arten topologischer Räume, dann folgt die
Stetigkeit der Umkehrabbildung einer Bijektion bereits
aus der Stetigkeit von
.
Zum Beispiel ist eine stetige Bijektion zwischen kompakten
Hausdorff-Räumen bereits
ein Homöomorphismus. Zum Beweis dieser Aussage dient der folgende
- Satz
- Wenn
ein kompakter und
ein hausdorffscher topologischer Raum ist, dann ist jede stetige bijektive Abbildung
ein Homöomorphismus.
- Beweis
- Sei
die Umkehrabbildung und
abgeschlossen, es ist zu zeigen, dass
abgeschlossen ist. Als abgeschlossene Teilmenge eines Kompaktums ist
kompakt. Da stetige Bilder kompakter Mengen wieder kompakt sind, ist
kompakt. Da kompakte Mengen in Hausdorffräumen abgeschlossen sind, ist
abgeschlossen, was den Beweis beendet.
Eigenschaften
Wenn zwei topologische Räume homöomorph sind, dann haben sie exakt dieselben topologischen Eigenschaften, das sind Eigenschaften, die sich ausschließlich durch die unterliegende Menge und den darauf definierten offenen bzw. abgeschlossenen Mengen ausdrücken lassen. Das liegt daran, dass ein Homöomorphismus definitionsgemäß eine Bijektion zwischen den unterliegenden Mengen und zwischen den Systemen offener Mengen ist. Beispiele solcher Eigenschaften sind Kompaktheit, Zusammenhang, Trennungseigenschaften und viele mehr. Der Nachweis, dass es sich um eine topologische Eigenschaft handelt, kann mitunter schwierig sein, insbesondere dann, wenn die ursprüngliche Definition zusätzliche Strukturen verwendet. Ein Beispiel einer solchen Eigenschaft ist Metrisierbarkeit, hier zeigt der Satz von Bing-Nagata-Smirnow, dass es sich um eine topologische Eigenschaft handelt. Eberlein-Kompaktheit ist ein weiteres nicht-triviales Beispiel.
Es gibt aber auch Eigenschaften gewisser Räume, die bei Homöomorphismen nicht erhalten bleiben, zum Beispiel die Vollständigkeit metrischer Räume. Die Ebene und die offene Kreisscheibe mit der Standardmetrik sind homöomorph bzgl. der durch die Metrik definierten Topologien, erstere ist vollständig, letztere hingegen nicht. Vollständigkeit ist daher keine topologische Eigenschaft, sie bleibt bei Homöomorphismen nicht erhalten.
Lokaler Homöomorphismus
Eine stetige Abbildung
zwischen topologischen Räumen
heißt lokaler Homöomorphismus, falls für jeden Punkt
eine offene
Umgebung
von
existiert, so dass
eine offene Umgebung von
bildet und
ein Homöomorphismus ist.
Jeder Homöomorphismus ist ebenfalls ein lokaler Homöomorphismus, die
Umkehrung gilt aber nicht, wie folgendes Beispiel zeigt: Die Abbildung
ist nicht bijektiv, aber ein lokaler Homöomorphismus, da die Ableitung von
nirgends verschwindet.
Ist
außerdem surjektiv, so spricht man auch von einer lokal topologischen
Abbildung.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 24.06. 2021