Prinzip der virtuellen Leistung
Das Prinzip der virtuellen Leistung, auch jourdainsches Prinzip nach Philip Jourdain, wird in der klassischen Mechanik zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen von mechanischen Systemen mit Zwangsbedingungen benutzt. Im Gegensatz zum Prinzip der virtuellen Arbeit ist es auch anwendbar, wenn die Geschwindigkeiten in die Zwangsbedingungen eingehen.
Formale Darstellung
Das Prinzip wird hier der Einfachheit halber nur für ein System
aus
Punktmassen
vorgestellt. Vorausgesetzt wird, dass die Orte
und Geschwindigkeiten
,
die im Folgenden in Matrizen
und
zusammengefasst werden, einer Zwangsbedingung:
genügen.
Das mechanische System bewegt sich dann gerade so, dass für alle mit den
Zwangsbedingungen verträglichen virtuellen Geschwindigkeiten
die virtuelle Leistungsbilanz
erfüllt ist, wobei
für die auf die
-te
Punktmasse wirkende eingeprägte
Kraft (ohne Zwangskraft)
steht.
Ist die Zwangsbedingung frei von verdeckten
Zwangsbedingungen, so werden die mit ihr verträglichen virtuellen
Geschwindigkeiten
durch folgende Gleichung beschrieben:
Durch Reduktion des geometrischen Index des Algebro-Differentialgleichungssystems
bis auf null kann man (im Normalfall) eventuell auftretende verdeckte Zwangsbedingungen eliminieren.
Anwendungen
Verwendung findet das jourdainsche Prinzip zum Beispiel beim Aufstellen der Bewegungsgleichungen für Mehrkörpersysteme. Für die dort auftretenden Rotationsbewegungen lassen sich die virtuellen Winkelgeschwindigkeiten einfacher darstellen als die virtuellen Verdrehungen.
Das Prinzip der virtuellen Leistung, das hier nur für ein Punktmassensystem demonstriert wurde, wird in der Praxis auch auf mechanische Systeme mit verteilten Parametern angewandt.
Zum Beispiel benutzt man das Prinzip zur Teildiskretisierung der Bewegungsgleichungen von flexiblen Körpern. In diesem Fall schränkt man den Ansatzraum für die Lösungen dieser Gleichungen auf einen endlichdimensionalen Teilraum ein. Diese Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten des Systems interpretiert man dann als Zwangsbedingung. Als Ansatzräume werden zum Beispiel Polynomräume oder Räume einer endlichen Auswahl für das Problem besonders interessanter Eigenbewegungen des elastischen Körpers eingesetzt.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 21.09. 2020