Hormontherapie bei Transsexualität

Hormonbehandlung, Hormonersatztherapie (HET, HRT)

Einen wichtigen Anteil an der medizinischen Behandlung der Transsexualität haben die Sexualhormone. Deren Wirkung und mögliche Nebenwirkungen ist auch für die Betroffenen sehr nützlich, da sie dann zusammen mit dem Arzt ihre Medikation besser einschätzen und selbst bei der Beobachtung von möglicherweise störenden Nebenwirkungen mitarbeiten können.

1. Wirkungsweise der Hormone

Interessant ist, daß sich die Hormone beider Geschlechter nur geringfügig unterscheiden. So ist es lediglich eine Hydroxylgruppe, die das männliche Testosteron von dem weiblichen Östradiol unterscheidet. Das mag erklären, warum sie an mancher Stelle im Körper die gleichen Aufgaben übernehmen können.

Hormonkreislauf

Wenn man Hormone zuführt, spielt ein "Regelkreislauf" beim Verständnis der Abläufe eine besondere Rolle. Es handelt sich um den zwischen Hypophyse (auch Hirnanhangdrüse genannt) und Hypothalamus auf der einen und die Gonaden (Hoden bzw. Eierstöcken) auf der anderen Seite. Hypophyse und Hypothalamus "messen" sozusagen, wieviel Sexualhormon im Blut vorhanden ist. Dabei ist in unserem Fall von Bedeutung, daß hier nicht zwischen männlichen und weiblichen Sexualhormonen unterschieden wird. Die Hypophyse sendet dann ihrerseits Hormone aus ("Gonadotropine", LH/FSH), welche die Aktivität der Gonaden regeln. Ist also ausreichend Sexualhormon, und dabei kann es sich auch um das gegengeschlechtliche handeln, im Körper vorhanden, sendet die Hypophyse wenig Gonadotropine aus: Die Aktivität von Hoden bzw. Eierstöcken geht zurück, es werden weniger oder keine eigenen Sexualhormone mehr produziert und auch die Bildung von Ei- bzw. Samenzellen läßt nach. Es wird eine sogenannte "hormonelle Kastration" erreicht. (s.u., 4.)

Eine weitere Funktion der Geschlechtshormone ist besonders wichtig für Transsexuelle nach der operativen Entfernung ihrer Keimdrüsen. Denn auch der Knochenaufbau wird durch die Anwesenheit von Geschlechtshormon maßgeblich unterstützt. Beim Ausbleiben dieser Hormone kann es daher zu Osteoporose (Knochenschwund) kommen. Man kennt dies auch von Frauen nach den Wechseljahren. Deshalb ist es aus gesundheitlichen Gründen wichtig, daß nach der Operation dauerhaft und regelmäßig Sexualhormone zugeführt werden. Es soll allerdings bereits ein Zehntel der normalen Dosis zur Vermeidung von Osteoporose ausreichen.

Weibliche und männliche Hormone

1.1 Das männliche Testosteron

Das männliche Sexualhormon Testosteron wird in den Hoden produziert. Es ist in erster Linie für die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale, wie etwa Stimme, Körperbehaarung, Bartwuchs und männlicher Körperbau verantwortlich. Außerdem hat es eine anabole Wirkung, d.h., es fördert die Muskelbildung; andererseits gehen Fettablagerungen im Gewebe zurück. Je nach genetischer Veranlagung führt vor allem ein Stoffwechselprodukt des Testosteron, das Dihydroxytestosteron (DHT), zum typischen männlichen Haarausfall und Glatzenbildung. Teilweise kann diese Wirkung des DHT heute medikamentös unterbunden werden.

Im Alter haben Männer unter Umständen auch ein Problem mit dem Testosteron, wenn es zum Anschwellen der Vorsteherdrüse führt (Prostataadenom). In den Hoden selbst regt Testosteron zur Produktion von Samenzellen und zur generellen Aufrechterhaltung des Hodengewebes an.

Testosteron wirkt körperlich und psychisch auf die Sexualität, steigert die Libido und die körperliche Leistungsfähigkeit. Auch im weiblichen Körper kommt Testosteron vor und hat auch hier seine Funktion.

1.2 Die weiblichen Hormone

Im weiblichen Körper ist es mit den Sexualhormonen etwas komplizierter. Wichtig für Transsexuelle sind vor allem die Estrogene und Gestagene. Es kommen drei verschiedene Arten von Östrogenen vor, hier soll jedoch lediglich das Estradiol betrachtet werden, da dies in erster Linie für uns relevant ist.

Im weiblichen Zyklus unterscheidet man die Luteal- und die Follikelphase. Zunächst schüttet die Hypophyse das Follikelstimulierende Hormon FSH und das Luteinisierende Hormon LH aus. Unter dem Einfluß dieser Hormone reift im Ovarium (Eierstock) ein Follikel heran. In diesem beginnt die Estrogenproduktion, die in der ersten Hälfte des Zyklus für den allmählichen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut sorgt. Beim Eisprung, der durch das LH ausgelöst wird, wird das gesamte Estrogen aus dem Follikel ausgestoßen und an den Körper abgegeben. Der Anstieg des Estrogenspiegels wirkt hemmend auf die Hypophyse, so daß die Produktion von FSH und LH nachläßt. Das LH ist zusammen mit dem Luteotropen Hormon LTH dafür verantwortlich, daß sich der Follikelrest zum Gelbkörper umwandelt und Progesteron produziert. Falls sich eine Schwangerschaft einstellt, sorgt die Plazenta durch Abgabe des Hormons HCG dafür, daß der Gelbkörper aufrecht erhalten wird.

Bei ausbleibender Befruchtung sinkt der LH-Spiegel weiter, der Gelbkörper bildet sich zurück und die Gebärmutterschleimhaut wird abgebaut, was zur Regelblutung führt. Ein erneuter Anstieg von FSH leitet dann den neuen Zyklus ein.

Im Körper der Frau wirkt Estradiol hin auf die Ausbildung der weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale. Dazu gehören Brustwachstum, weibliche Fettverteilung, weiblicher Körperbau und weibliche Hautbeschaffenheit. In psychischer Hinsicht wird unter dem Einfluß dieses Hormons die Ausbildung der weiblichen Persönlichkeit und das Sexualverhalten geregelt. Kurz vor dem Eisprung ist bei vielen Frauen eine Zunahme des sexuellen Verlangens zu beobachten.

2. Wirkung der Hormone bei Transsexuellen

Die individuelle Wirkung der Hormone fällt bei jedem anders aus, abhängig von der jeweiligen Veranlagung und dem Lebensalter. Vor allem bei transsexuellen Frauen sind die Ergebnisse in der Regel besser, je jünger sie bei Beginn der Behandlung sind.

2.1 Mann-zu-Frau-Transsexuelle

Der Hormonkreislauf ist zwar nicht mit dem natürlichen identisch, denn es werden ja von außen Hormone zugeführt. Die Wirkungen sind aber analog. Von Interesse ist auch die oben beschriebene Rückkopplung über die Hypophysenhormone, die auch bei der gegengeschlechtlichen Hormontherapie funktioniert.

Unter Gabe von Estrogenen ist bei den meisten Mann-zu-Frau-Transsexuellen eine Abnahme der Libido und eine teils erhebliche Senkung der sexuellen Potenz zu beobachten. Diese Beruhigung der Sexualität wird zunächst oft als entlastend empfunden.

Weiterhin wird das Brustwachstum eingeleitet. Bereits in den ersten Wochen nach Beginn der Hormoneinnahme ist meist eine verstärkte Berührungsempfindlichkeit der Brust zu verzeichnen, die in der ersten Zeit auch als schmerzhaft empfunden werden kann. Während sich zunächst die Brustwarzen vergrößern, nimmt später auch das Drüsengewebe zu. Auch Mamillenreaktionen sind zu beobachten, d.h. bei Kälte oder sexueller Erregung verkleinern sich die Brustwarzen. Es sei noch angemerkt, daß sich durch eine Steigerung der Hormondosis keineswegs ein größerer Busen erreichen läßt, da die endgültige Brustgröße in erster Linie von der Veranlagung abhängt.

Infolge der Hormonbehandlung kommt es auch zu einer weiblichen Fettverteilung, so daß sich der Körper innerhalb gewisser Grenzen dem weiblichen Vorbild immer mehr annähert. Dabei sind natürlich Grenzen gesetzt, etwa durch den Knochenbau. Die Gesichtszüge werden insgesamt weiblicher. Die Haut wird zarter und empfindlicher gegenüber Berührungen. Meist ist eine deutliche Verringerung der Körperbehaarung zu verzeichnen, ein hemmender Einfluß auf den Bartwuchs wurde bisher nur in Einzelfällen berichtet. Auch ein Muskelschwund wird erreicht, so daß eine weibliche Muskulatur entsteht. Die Stimmlage verändert sich durch die hormonelle Umstellung nicht; Stimmtraining bzw. Stimmoperationen kommen hier in Frage.

Hoden und Genitalien schrumpfen etwas, werden "atrophisch". Dadurch bedingt kommt es nach einigen Monaten auch zur Sterilität, da keine Spermien mehr produziert werden. Früher oder später, individuell unterschiedlich, ist damit zu rechnen, daß diese Unfruchtbarkeit dauerhaft auch nach einem Absetzen der Hormone bestehen bleibt.

Typischerweise beginnt die Estrogen-Substitution relativ vorsichtig, mit ca. 2 mg Estradiol pro Tag. Besonders im Hinblick auf das Brustwachstum hat sich dies bewährt. Es sollte ein gewisses Spannungsgefühl und eine Empfindlichkeit in den Brüsten zu beobachten sein - Anzeichen für ein Wachstum der Brust. Stagniert die Entwicklung, können die Estrogen-Rezeptoren über Monate hinweg mit einer schrittweisen Erhöhung der Dosis jeweils wieder aktiviert werden.

Abhängig von der individuellen Situation kann es angezeigt sein, die noch im Körper vorhandenen männlichen Hormone (Testosteron) mit einem Antiandrogen in ihrer Wirkung zu hemmen. Nach Entfernung der Hoden wird deren Einnahme überflüssig, doch es müssen weiterhin Estrogene eingenommen werden. Eine Dosis von 2 mg/Tag könnte als Richtwert angesehen werden. Zur Vermeidung einer Osteoporose sind mindestens 0,2 - 0,4 mg/Tag erforderlich.

Gestagene spielen bei der Femininisierung nur eine Nebenrolle. Es werden positive Wirkungen auf Psyche und Libido genannt, dies scheint jedoch individuell unterschiedlich zu sein. Auch auf das Brustwachstum soll eine zyklische Hormongabe mit Gestagenen förderlich wirken.

2.2. Frau-zu-Mann

Testosteron hat meist eine deutlich vermännlichende Wirkung. Im Gegensatz zu den Mann-zu-Frau-Transsexuellen verändert sich bei den Frau-zu-Mann-Transsexuellen auch die Stimme. Der Stimmbruch setzt meist einige Wochen bis Monate nach Behandlungsbeginn ein.

Eine Zunahme der Körperbehaarung ist zu verzeichnen und mit der Zeit beginnt auch der Bartwuchs. Die Muskulatur nimmt zu, und die Haut wird gröber, Gesichtszüge können sich verändern. Je nach Veranlagung kommt es auch zu Akne und Glatzenbildung.

Infolge der Androgenbehandlung setzt die Regelblutung häufig aus (Amenorrhö). Das ist aber nicht immer der Fall, so daß ggf. zusätzlich mit Gestagenen behandelt werden muß.
Des weiteren ist meist eine Hypertrophie (Vergrößerung) der Klitoris und ggf. der Schamlippen zu beobachten. Aus einer vergrößerten Klitoris kann dann ggf. ein Klitorispenoid angelegt werden.

3. Medikamente für die Hormonbehandlung

Heute ist ein breites Spektrum an Hormonpräparaten erhältlich, mit den unterschiedlichsten Dosierungen und Kombinationen von Wirkstoffen. Besonders hohe Dosierungen sind dabei nicht unbedingt sinnvoll, da sich bei zu hohen Hormonwerten auch die Nebenwirkungen verstärkt bemerkbar machen oder sogar gegenteilige Wirkungen auftreten.

3.1 Mann zu Frau

3.1.1 Antiandrogene

Mit Antiandrogenen werden die männlichen Hormone in ihrer Wirkung gehemmt. Sie sollten nicht über einen langen Zeitraum alleine verabreicht werden, da sie ja die Wirkung des körpereigenen Testosterons unterdrücken und die Abwesenheit von Geschlechtshormonen zu Müdigkeit, Antriebsminderung und Osteoporose führen kann. Bei transsexuellen Frauen sollte mit Estrogenen und ggf. Gestagenen kombiniert werden.

Zum "Einstieg" kann aber auch ein Antiandrogen allein sinnvoll sein, da der sexuelle Druck gemindert und Vermännlichungserscheinungen aufgehalten werden können, so daß man besser "den Kopf frei hat" für weitere Entscheidungen. Antiandrogene können auch bei der Einschätzung helfen, wie sich die Libido nach einer Operation entwickeln wird, denn die ist individuell mehr oder weniger vom Testosteronspiegel abhängig.

Antiandrogene in Kombination mit Estrogenen sind außerdem dann sinnvoll, wenn man die Estrogene nicht zu hoch dosieren möchte, etwa, weil man die Leberbelastung bei oraler Einnahme gering halten oder weil man die Estrogendosis langsam steigern möchte. Zur Anregung des Brustwachstums empfiehlt sich nämlich, die Estrogene zunächst niedrig zu dosieren und dann mit der Zeit schrittweise zu erhöhen, da so neue Wachstumsschübe initiiert werden können.

Statt das im Körper vorhandene Testosteron in seiner Wirkung zu blockieren, ist es auch möglich, die Hypophysenhormone LH und FSH zu hemmen, so daß sie die Hoden nicht anregen können. Diese Mittel sind relativ teuer und werden nur in Ausnahmefällen verwendet, z.B. um bei sehr jungen Transsexuellen die Pubertät hinauszuzögern.


Androcur, Virilit
(Wirkstoff: Cyproteronacetat)

Cyproteronacetat wirkt als Antagonist, der die Rezeptoren für Testosteron blockiert, ohne dabei selbst eine androgene Wirkung zu entfalten. Somit kann das Testosteron nicht mehr angreifen. Außerdem hat es eine gestagene Wirkung.

Normalerweise wird es zur Triebdämpfung bei krankhaft verändertem Geschlechtstrieb beim Mann und zur Behandlung schwerer Androgenisierungserscheinungen bei der Frau angewendet.

3.1.2 Estrogene

Diese Medikamente werden üblicherweise bei Frauen zur Behandlung in der Menopause bzw. Postmenopause eingesetzt. Verschiedene auf dem Markt verfügbare Estrogene sind sehr unterschiedlich verträglich. Dies hängt sowohl von den eingesetzten Substanzen als auch von der Darreichungsform (Tablette, Injektion oder Pflaster) ab.

Bei der oralen Einnahme (Tablette, Tropfen) gelangt das Estrogen zunächst durch den Verdauungstrakt in die Leber. Dies belastet sie; in diesem ersten Durchgang ("first pass") wird außerdem ein großer Teil des Estrogens bereits in der Leber in Substanzen umgesetzt, die nicht mehr als Estrogen wirken und zum Teil ein Thromboseriskio erhöhen. Bei einer Zufuhr durch Injektionen oder als Pflaster bzw. Gel kann dieser Effekt vermieden werden. Wenn man Tabletten nimmt, kann man eine Abschwächung dieses Effekts erreichen, indem man Tabletten langsam unter der Zunge zergehen läßt - so kann ein Teil der Wirkstoffe direkt in die Blutbahn aufgenommen werden.

Pflanzliche "Phytoestrogene" werden gelegentlich zur nicht verschreibungspflichtigen Estrogentherapie für "Einsteiger" empfohlen. Von diesen ist nicht nur wegen des hohen Preises abzuraten, denn es handelt sich dabei um Estrogenderivate, die nicht die beabsichtigte Wirkung haben und im Gegenteil sogar aktive, im Körper vohandene Estrogene in ihrer Wirkung blockieren.
Unter den wirksamen Substanzen seien vor allem Estradiol und Estradiolvalerat genannt, die zwar synthetisch hergestellt werden, dem körpereigenen Estrogen aber in der Struktur entsprechen. Sie sind als die verträglichsten Varianten bekannt.

Ethinylestradiol

Dieses synthetische Östrogen wird Transsexuellen gerne verschrieben, da die Erfahrung zeigt, daß es recht starke femininisierende Wirkungen hat. Die könnten darauf zurückzuführen sein, daß es aufgrund seiner körperfremden, synthetischen Struktur nicht so leicht abgebaut wird. Außerdem wirkt es auf die Hypophyse und auf den von ihr gesteuerten Regelkreislauf besonders stark ein und verdrängt so besonders wirksam die männlichen Hormone. Insofern kann es im Einzelfall den Einsatz von Antiandrogenen überflüssig machen.

Ethinylestradiol belastet jedoch die Leber um einen Faktor 1000 mehr als Estradiol; daher ist aus gesundheitlichen Gründen der Einsatz von Ethinylestradiol sehr vorsichtig zu bewerten. In der Langzeittherapie von Transsexuellen ist von dieser Substanz jedenfalls abzuraten, während sie für den Einstieg sicherlich Vorteile hat.

Beim Einsatz von Ethinylestradiol ist außerdem zu beachten, daß die üblichen Messungen des Östrogenspiegels im Blut aufgrund seiner nicht körpereigenen Struktur ihre Aussagekraft verlieren.

Auch im Sinne der Umwelt ist Ethinylestradiol problematisch, da es über die Kanalisation in die Natur gelangt, hier nur schwer abgebaut wird und auf Fische und andere Tiere Östrogen wirkt.

Ethinylestradiol ist in vielen "Anti-Baby-Pillen" enthalten. "Diane 35" ist unter transsexuellen Frauen besonders bekannt, enthält 0,035 mg Ethinylestradiol und zusätzlich 2 mg Cyproteronacetat. Dieses wirkt als Gestagen und Antiandrogen (vgl. Androcur). Indiziert ist es daher vor allem bei Frauen mit Akne oder anderen leichten Androgenisierungserscheinungen. Das Antiandrogen ist hier aber nur sehr niedrig und für transsexuelle Frauen nicht ausreichend dosiert.

3.1.3. Gestagene

Ein dem natürlichen Vorbild angenäherter weiblicher Zyklus wird von manchen transsexuellen Frauen als sehr angenehm empfunden. Es wird berichtet, daß er das Brustwachstum fördert und vor allem bei bereits Operierten eine als weiblich erlebte Libido stimuliert.

Das häufig präoperativ eingesetzte Antiandrogen Cyproteronacetat (Androcur) hat ebenfalls eine leicht gestagene Wirkung, so daß es hier die Gestagen-Gabe ersetzen kann. Nach der Operation ist Androcur allerdings nicht mehr zu empfehlen. Als weiteres antiandrogen wirkendes Gestagen wäre der Wirkstoff Chlormadinonacetat (z.B. im Präparat "Chlormadinon" enthalten) zu nennen.

Gestagene scheinen eine höhere thrombogene Wirkung zu haben als Estradiol. Daher sollte an eine Langzeitsubstitution vorsichtig herangegangen werden, ggf. können sie auch nur phasenweise nach Bedarf eingesetzt werden.

3.1.4. Androgene

Für die Post-OP-Frau kann eine gewisse Menge Testosteron entscheidend für ihr psychisches Wohlbefinden, für Antrieb und Libido sein. Eine vorsichtige, niedrige Testosteron-Dosierung, bei der noch keine neuerliche Vermännlichung zu befürchten ist, kann deshalb angeraten sein.
Vergeliche auch: Androgene

3.2 Präparate für Frau-zu-Mann-Transsexuelle

3.2.1 Testosteron-Präparate

Zur Verhinderung von Kastrationseffekten bei Männern oder zur Unterstützung der körpereigenen Testosteronproduktion, vor allem im Alter, gibt es eine Reihe von Testosteron-Präparaten. Auch im Body-Building-Bereich werden sie eingesetzt. Frau-zu-Mann-Transsexuelle können daher auf ein gutes Angebot zurückgreifen.

In der Regel wird Testosteron intramuskulär gespritzt. Gels sind eine verträgliche Alternative; hier wird das Hormon über die Haut aufgenommen. Pflaster und Tabletten sind ebenfalls möglich.

Die orale Einnahme in Form von Tabletten belastet den Organismus (Leber) allerdings sehr viel stärker und kann nur für schwächere Dosierungen empfohlen werden. Implantate befinden sich in der Testphase. Sie haben zwar den Vorteil, daß man damit die Hormonversorgung über Monate hinweg abdecken kann, es kann jedoch noch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß lokale Gewebeveränderungen (Krebs) auftreten. In anderen Ländern (z. B. in Australien) sind sie allerdings schon seit längerer Zeit im Gebrauch.

Die Dosierung von Testosteron sollte nicht zu hoch gewählt werden, da ein Teil des Testosterons dann in Estrogene umgesetzt wird, mit einer diesen entsprechenden Wirkung auf Fettverteilung, z.B. im Brust- und Hüftbereich.

3.2.2 Estrogen-"Blocker"

Vor Beginn einer Testosterontherapie können Brustwachstum und Periode durch Einsatz von "Blockern" unterbrochen werden. Mit Gestagenen kann man ähnliche Wirkungen erzielen, allerdings haben sie auch eine gewisse femininisierende Wirkung und Einflüsse auf die Psyche, die für einen Transmann nicht angebracht scheinen. Dennoch werden sie gelegentlich verschrieben.

4. LH/FSH-Antagonisten als "Blocker" für MzF und FzM-Transsexuelle, vor allem in der Pubertät

Statt die im Körper vorhandenen Geschlechtshormone in ihrer Wirkung zu blockieren, ist es auch möglich, in den Kreislauf der Hypophysenhormone LH und FSH einzugreifen, so daß sie die Hoden oder Eierstöcke nicht anregen können. Damit wird deren Aktivität und Hormonausschüttung wirksam unterbunden.

Diese Mittel sind relativ teuer und werden nur in Ausnahmefällen verwendet, zum Beispiel, um bei sehr jungen Transsexuellen die Pubertät hinauszuzögern. Das Größenwachstum (gemessen an den Wachstumsfugen der Hand) kann dabei mit der Gabe von Glukokortikoiden gesteuert werden.

Um Hormone einzunehmen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sog.

Applikationsformen
Oral (Tabletten):
Transdermal (Pflaster):

Die Hormone sind entweder in einem kleinen Reservoir oder im Leim auf einer dünnen Plastikfolie enthalten und sie gelangen durch die Haut direkt in das Blut.

  • Vorteile: Kein First-Pass Effekt, einfache Handhabung (Wechsel: 1-2mal wöchentlich), kontinuierliche Hormonabgabe
  • Nachteile: Hautreaktionen möglich, Pflaster ist sichtbar und kann sich bei feuchter Haut lösen
Transdermal (Gel)
  • Vorteile: Kein First-Pass Effekt, sehr individuell dosierbar, nicht sichtbar
  • Nachteile: Hautreaktionen möglich, Hormonschwankungen sind grösser als beim Pflaster, nach dem Auftragen muss es einige Minuten trocknen
Intramuskuläre Injektion (Depotspritzen)
  • Vorteil: Kein First-Pass Effekt
  • Nachteile: Dosierung schlecht steuerbar (unnormal hohe Hormonwerte nach Injektion), Injektion etwa alle 3 Wochen (meistens durch einen Arzt), bei Nebenwirkungen kann man das Präparat nicht einfach absetzen
Implantat

Ein etwa steichholzgrosses Hormonstäbchen aus Kunststoff wird an der Unterseite des Oberarms unter die Haut eingesetzt.

  • Vorteile: Kein First-Pass Effekt, kontinuierliche Hormonabgabe, Wirkdauer min. 12 Monate
  • Nachteil: Einsetzen durch Arzt bei lokaler Anästesie notwendig

5. Nebenwirkungen

Durch die Anwendung hormonhaltiger Medikamente kann es auch zu Nebenwirkungen kommen. Es sei darauf hingewiesen, daß solche Nebenwirkungen auftreten können, es aber nicht müssen. Es ist aber dennoch wichtig, darüber informiert zu sein. Deshalb sollen diese im Folgenden dargestellt werden.

Herzinfarkt und Schlaganfall
Gegenüber der Nicht-Einnahme sind häufiger Herz- und Gefäßerkrankungen zu beobachten. Das kann darauf zurückgeführt werden, daß sich durch Estrogeneinnahme die Blutgerinnung verkürzt. Außerdem kann sich das Gesamtcholesterin erhöhen, welches die Blutgefäße verändert. Deshalb besteht eine Neigung zu Blutgerinnseln, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen können.
Allem Anschein nach ist das Herzinfarktrisiko bei Frauen, die die Pille nehmen, drei- bis fünfmal so hoch. Da dieses Risiko von der Dosierung des verwendeten Medikaments abhängt, dürfte bei uns die Häufigkeit noch höher sein. Eine besondere Anfälligkeit besteht bei folgenden Risikogruppen: Übergewicht, Diabetes, starkes Rauchen, Bluthochdruck.

Bluthochdruck
Bei einem gewissen Anteil der Patienten verursacht die Einnahme von Hormonpräparaten eine Blutdruckerhöhung. Da der Bluthochdruck, wie eben schon erläutert, ein mögliches Herzinfarktrisiko darstellt, sollte eine regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks erfolgen. Da einige Ärzte nicht von sich aus Blutdruckmessungen durchführen, sollte jeder von uns eigenverantwortlich selbst darauf achten.

Leberschäden
Unter Einwirkung von Estrogenen kann es zu einer Störung der Leberfunktion, vor allem Bromthaleinaufnahme und -ausscheidung, kommen. Aber auch eine Gelbsucht mit LeberzellenAschädigung ist möglich. Desweiteren muß mit einer Glykogenverarmung gerechnet werden.
Aus diesem Grund sind die Leberwerte regelmäßig zu Überwachen und ein übermäßiger Alkoholkonsum zu vermeiden.

Krebs
Möglicherweise ist ein Zusammenhang zwischen Hautkrebs und Estrogeneinnahme gegeben. Der endgültige Nachweis konnte aber bisher noch nicht erbracht werden. Ebenso besteht Anlaß zu der Vermutung, daß sich das Brustkrebsrisiko erhöht. Da bei uns häufig ein starker Anstieg des Prolaktinwertes zu beobachten ist, sollte dieser Verdacht druchaus ernst genommen werden. Eine regelmäßige Brustuntersuchung in möglichst halbjährlichen Abständen ist daher empfehlenswert.
Bei Transmännern ohne Unterleibsoperation wird bei langfristiger Testosterongabe vor einer möglichen Entartung der Gebärmutter und Eierstöcke gewarnt.

Hautänderungen
Unter Estrogen-Gaben sind Veränderungen der Haut möglich. Es kann zu Pigmentflecken kommen, und Allergien können ausgelöst werden. Andererseits kann auch eine Besserung von Allergien eintreten. Eine Akne kann durch Estrogeneinnahme zur Abheilung gebracht werden.
Unter Testosteron-Gabe kann es zur Bildung von Akne kommen.

Kopfschmerzen und Sehstörungen
In seltenen Fällen kann es während der Hormonbehandlung zu häufigen Kopfschmerzen kommen, die teilweise auch migräneartig sein können. Ebenso können sich Sehstörungen bemerkbar machen. Dies sind unter Umständen Anzeichen minimaler Veränderungen der Blutgefäße, die zum Gehirn bzw. den Augen führen. Sie können Vorboten eines Schlaganfalls sein.

Depressionen
Bei manchen transsexuellen Frauen machen sich Depressionen bemerkbar, und sie fühlen sich zunehmend gereizt. In diesen Fällen kann die Verwendung von gestagenärmeren Medikamenten Abhilfe schaffen. Es kann auch hilfreich sein, bei der Ernährung auf die Zufuhr von Vitamin B6 zu achten, denn durch die Hormonbehandlung steigt der Bedarf an diesem Vitamin.

Übelkeit
Wahrscheinlich wird durch Estrogen das Brechzentrum des Gehirns gereizt. Besonders die orale Einnahme hoher Hormondosen kann zu Übelkeit und Erbrechen führen. Dies gilt insbesondere für hochdosierte Präparate, die eine Methyl-, Ethyl- oder Ethinylgrupe an C17 enthalten. Eine zu hohe Dosierung oral einzunehmender Medikamente ist deshalb nicht möglich. Unter Umständen ist es hilfreich, die Einnahme während des Essens oder kurz vor dem Schlafengehen vorzunehmen.

Osteoporose
Bei hormoneller Unterversorgung kann, wie bereits angedeutet, bei beiden Geschlechtern Osteoporose auftreten. Daher ist dieser Zustand stets auszuschließen. Prophylaktisch ist eine ausreichende Kalziumversorgung bei der Ernährung sowie ausreichende Bewegung sinnvoll.

Gewichtszunahme
Häufig kann auch eine Gewichtszunahme beobachtet werden. Insbesondere Gestagene steigern den Appetit. Durch Estrogene kann es zu vorübergehenden Wassereinlagerungen kommen. Grundsätzlich ist zu bemerken, daß sich die geschilderten Nebenwirkungen umso stärker bemerkbar machen, je höher die verwendete Dosis ist, wobei auch die Art der Hormone eine Rolle spielt. Daher ist eine zu hohe Dosierung der Medikamente nicht sinnvoll.
Bei der Injektion von öligen Lösungen, wie sie etwa bei Depotspritzen Anwendung finden, kann eine bindegewebige Geschwulst entstehen. Bei Epilektikern kann in Einzelfällen die Einnahme oraler Kontrazeptiva zu häufigeren Anfällen führen. Durch niedrig dosierte Estrogen-Gestagen-Kombinationen wird die Anfallsfrequenz nicht nennenswert beeinflußt.


Nebenwirkungen des Testosterons

Unter Testosteronbehandlung können sich Appetitlosigkeit, Schwächegefühl, Übelkeit und Erbrechen einstellen. Vereinzelt kann eine Niereninsuffizienz eintreten. Bei hochdosierter Testosteronbehandlung sind in ca. 25% Ödeme (Wasseransammlungen im Gewebe) zu finden. Das Auftreten einer Gelbsucht ist möglich. Durch Testosteron erhöht sich die Talgdrüsenaktivität, so daß sich eine Akne ausbilden kann. Manchmal kommt es zu Eiterausschlägen. Ein Ausfall der Kopfbehaarung ist möglich.


Kontraindikationen

Entgegen der Ansicht einiger Ärzte besteht die Verantwortung des Arztes nicht etwa in der Bevormundung darüber, ob generell eine Hormonbehandlung stattfindet, sndern vielmehr in der Abklärung möglicher Kontraindikationen. Darunter versteht man Umstände, die die Anwendung eines sonst nützlichen Medikamentes verbieten. Eine der häufigsten Kontraindikationen ist das Rauchen. Verantwortungsbewußte Ärzte werden einer Raucherin nicht die "Pille" verschreiben.

Weitere Kontraindikationen sind: Gefäßerkrankungen wie Thrombose oder Embolien; Zustand nach Herzinfarkt oder Schlaganfall; extremer Bluthochdruck, sowie bestimmte Krebserkrankungen und bestimmte Lebererkrankungen.

Diabetes mellitus ist keine Kontraindikation, jedoch sollten die Zuckerwerte vor Beginn der Hormonbehandlung gut eingestellt und weiterhin genau beobachtet werden, da die Geschlechtshormone auf den Zuckerhaushalt einwirken können.

Basierend auf einem Artikel auf transsexuell.de

Hinweis zu Gesundheitsthemen Dieser Artikel dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose.
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 10.02. 2018