Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Aufgrund des Gesetzes zur
Strukturreform im Gesundheitswesen wurde am 1.1.1989 das
Krankenversicherungsrecht, das zuvor Bestandteil der
Reichsversicherungsordnung (RVO) von 1911 war, in das Fünfte
Buch des Sozialgesetzbuchs ( SGB V) überführt.
Diese Neuordnung beinhaltete ebenfalls die Neugründung des MDK, dem
sozialmedizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienst der
Krankenversicherung.
Für die Inanspruchnahme von
versicherungsrechtlichen Leistungen der Krankenkassen ist
immer das Vorliegen einer Krankheit notwendig. Das Problem
hierbei ist aber, dass es seit der Schaffung des
Sozialgesetzbuchs keine rechliche Definition des
Krankheitsbegriffs mehr gibt.
Durch das Fehlen der
Definition des Krankheitsbegriffs, der in der RVO §182 noch
enthalten war, musste dieser nun in der Rechtsprechung und in
der Praxis interpretiert werden, was bei einer
Entscheidungsfindung immer noch im Sinn dieses Paragraphen
geschieht: "Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder
Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen
Behandlung und zugleich oder ausschließlich eine
Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat" (Inzwischen hat die
Rechtsprechung den Krankheitsbegriff auch auf seelische
Regelwidrigkeiten erweitert).
In seinem Urteil (3 RK
15/86) vom 06.08.87 hat das Bundessozialgericht bereits
entschieden, dass nicht jeder "vom Leitbild des gesunden
Menschen abweichende Körper- oder Geisteszustand" bereits eine
Krankheit sei, also auch nicht die Transsexualität. Eine
Kostenübernahme für die geschlechtsangleichende Operation muss
allerdings dann von den Krankenkassen übernommen werden, wenn
durch die Transsexualität ein Leidensdruck entstehen, der so
groß ist, dass er einen Krankheitswert hat.
In einem
weiteren Urteil (1 RK 14/92) vom 10.02.93 geht das
Bundessozialgericht näher darauf ein, wann Krankenkassen den
Leidensdruck der Transsexualität als Krankheit anerkennen
müssen. Dies ist der Fall, wenn
- psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht nicht lindern oder beseitigen können,
- und dass eine Linderung durch eine operative Maßnahme wahrscheinlich ist.
Hierin liegt einer der Gründe,
warum der MDK und die Krankenkassen eine Kostenübernahme der
geschlechtsangleichenden Maßnahmen nicht befürworten, bzw.
bewilligen, weil die Möglichkeiten und die Dauer einer Psychotherapeutischen
Begleitung nicht ausgeschöft sind.
Kostenübernahme der
psychotherapeutischen Bgleitung:
Diese
psychotherapeutische Begleitung ist eine tiefenpsychologische
Psychotherapie und damit ein Bestandteil des
Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch
den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen wurde
festgelegt, dass bei dieser Therapieform bis zu 100 Stunden
als Kassenleistung anerkannt werden.
Bevor die
eigentliche Therapie beginnt, finden zunächst bis zu fünf
diagnostische Sitzungen statt, in denen abgekärt wird, ob
- eine therapeutische Behandlung/Begleitung sinnvoll, notwendig und erfolgversprechend ist, und
- sich eine gute, tragfähige und vertrauensvolle therapeutische Beziehung entwickelt.
Diese
"Probestunden" können bei einem, oder fünf Therapeuten
genommen werden, wofür Eure Krankenversicherungskarte
ausreicht.
Soll nach diesen fünf Sitzungen eine
Therapie durch den Therapeuten bei Eurer Krankenkasse
beantragt werden, ist eine Bescheinigung Eures Hausarztes über
den körperlichen Befund notwendig (Konsiliarbericht), um
körperliche Ursachen der Probleme auszuschließen.
Steht in Eurem Umkreis kein kassenärztlich
zugelassener Psychotherapeut zur Verfügung, kann auch, mit
dieser Begründung, ein nicht zugelassener Therapeut genemigt
werden.
Kostenübernahme zur
Hormonbehandlung:
Grundsätzlich sind die Kosten
der Hormonbehandlung von
den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen, wenn die Indikation
zur Hormonbehandlung durch Euren Psychotherapeuten vorliegt,
da damit die Diagnose "transsexuelles Syndrom" gesichert ist
(ein Antrag auf Kostenübernahme ist nicht notwendig).
Am 19.03.2002 fällte das Bundessozialgericht ein
Urteil (Az: B1 KR 37/00 R) über die Kostenübernahme von sog.
"Off-Label-Use" Medikamenten, also Arzneimitteln im
Einsatz außerhalb ihrer zugelassenen Indikation. Da
Hormonpräparate nicht zur Behandlung Transsexueller zugelassen
sind, kann ein verschreibender Arzt demnach durch die
Krankenkasse in Regress genommen werden, stellt er ein
Vertragsrezept aus.
Allerdings hat das BSG auch
festgelegt, dass unter besimmten Bedingungen eine
Kostenübernahme auch bei diesen Medikamenten zur erfolgen hat.
Eine dieser Bedingungen ist, wenn zur Behandlung keine andere
Therapie verfügbar, also kein anderes Arzneimittel für die
Indikation zugelassen ist.
Wenn Euch Euer Arzt bei
einer Verschreibung ein grünes Rezept (Privatrezept)
überreicht, führt in dieser Situation leider kein Weg an einem
Gespräch mit Eurer Krankenkasse oder dem MDK vorbei, um diesen
Sachverhalt zu klären.
Nach dem MDK-Nordrhein sind die
zeitlichen Voraussetzungen zur Hormonbehandlung eine
psychotherapeutische Begleitung von mindestens 6 Monaten und
einem Alltagstest von mindestens 3 Monaten. Eine
Hormonbehandlung ohne Alltagstest ist ebenfalls möglich, wenn
diese den Alltagstest erst möglich macht.
Kostenübernahme zur Epilation der
Barthaare:
Ein heikles Thema. Normalerweise gehört
die Epilation mit zu den
geschlechtsangleichenden Maßnahmen, werden also, bei
entsprechender Indikation, von den Kassen genehmigt. Da man
als Transfrau den Alltagstest aber nicht mit Bart bewältigen
kann, muss die Epi, vor den ganzen Begutachtungen, während der
Hormonbehandlung beginnen.
Ein Antrag bei der
Krankenkasse kann gestellt werden, wenn Euer Psychotherapeut,
bei Sicherstellung der Diagnose "transsexuelles Syndrom", Euch
die Notwendigkeit einer Epilation bescheinigt. I.d.R geht
dieser Antrag dann, auch beim MDK, erfolgreich duch.
Leider ist hier noch nicht das Ende: Aufgrund der
Zulassungsbestimmungen für Heilmittelerbringer verweisen
einige Krankenkassen dann auf die Epilation durch einen
Dermatologen ( SGB V §124). So
weit, so gut. Das Problem taucht dann bei der
Epilationsmethode auf. Da die Laser- und IPL-Epilation nicht
in den Leistungskatalogen der Krankenkassen verzeichnet sind
(versicherungsfremde Leistungen), bleibt die Nadelepilation
übrig, die diese Ärzte aber nicht durchführen. Gott sei Dank
werden mittlerweile aber auch Elektrologisten von vielen
(nicht allen) Kassen akzeptiert.
Dieses geschilderte
Verfahren ist allerdings von den einzelnen Kassen abhängig.
Versucht einfach mal auch eine Laserepilation, mit Hilfe eines
Dermatologen, zu beantragen. Manchmal ist der Versuch
erfolgreich, wenn Ihr auch einen Kosten/Stunden-Vergleich
zwischen Laser- und Nadelepilation, die ausführliche
Beschreibung des Leidensdrucks und der Schwierigkeit des
Alltagstest (z.B. auf der Arbeit) mit einreicht. Als
Behandlungsdauer solltet Ihr bei der Lichtepilation eine max.
Anzahl von ca. 8 Sitzungen durch einen Dermatologen zur
Entfernung des Bartschattens bestätigen lassen (also nicht
eine vollständige Epilation).
Die Methode, "beginnende
Laserepilation und weiterführende Nadelepilation", wird vom
MDK-Nordrhein, Dr. Pichlo, bei entsprechender Antragstellung,
den Krankenkassen empfohlen.
Kostenübernahme der
geschlechtsangleichenden Maßnahmen:
In diesem Fall
werden die Krankenkassen immer den medizinischen Dienst zur
Indikationsstellung zur geschlechtsangleichenden Operation
heranziehen.
Ist diese Indikation gestellt, gehören zu
den zu bewilligenen operativen Maßnahmen
bei MzF:
- Epilation der Barthaare
- Operative Brustvergrößerung
- Angleichende Genitaloperation
bei FzM:
- Brustamputation (Mastektomie)
- Angleichende Genitaloperation
- Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke (Hysterektomie, Ovarektomie)
- Operativer Penoidaufbau und Implantation von Surrogathoden
(Quelle: Dr. Pichlo,
Transsexualismus - Diagnose, Behandlung und Begutachtung)
Nach dem MDK-Nordrhein sind die zeitlichen
Voraussetzungen zur GA-OP mindestens 1,5 Jahre
psychotherapeutische Begleitung, mindestens 6 Monate
Hormonbehandlung und 1 Jahr vollständiger Alltagstest.
Ein Antrag auf eine
stimmangleichende Behandlung läuft zunächst über einen
Hals-Nasen-Ohrenarzt, von dem Ihr eine Bescheinigung mit der
Diagnose "männliche Stimme bei Mann-zu-Frau Transsexualität"
benötigt.
Hier habt Ihr dann zwei Möglichkeiten:
- Inanspruchnahme von Logopädie, die, als Bestandteil der medizinischen Grundversorgung, von den Krankenkassen auf Verordnung zu tragen ist,
- oder eine Stimmbandoperation, die, nach dem Urteil des Sozialgerichts Bayreuth (S 6 KR 72/96) vom 27.02.1998, bei Mann-zu-Frau-Transsexualität, nach einer phoniatrischen Begutachtung übernommen werden muss.
Anmerkung: Nach den deutschen Standards zur Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen gehört die operative Maßnahme nicht zu den empfohlenen Standards der "Transformationsoperation".
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 31.07. 2017