Modifizierte diskrete Kosinustransformation
Die modifizierte diskrete Kosinustransformation (englisch modified discrete cosine transform, kurz: MDCT) ist eine reellwertige, diskrete, lineare, orthogonale Transformation, die zu der Gruppe der diskreten Fouriertransformationen (DFT) zählt und eine Modifikation der namensgebenden diskreten Kosinustransformation (DCT) ist.
Die MDCT wurde in den Jahren 1986, 1987 von John P. Princen, A. W. Johnson und Alan B. Bradley entwickelt.
Die MDCT ist die zentrale Transformation der Audiodatenkompressionsverfahren Advanced Audio Coding (AAC), Dolby Digital (AC-3), Ogg Vorbis, aber auch MPEG Audio Layer 3 (MP3), Opus und ATRAC benutzen u.a. die MDCT als Spektraltransformation. Daneben existiert die ähnlich aufgebaute modifizierte diskrete Sinustransformation (MDST), die auf der diskreten Sinustransformation basiert, die aber im Bereich der digitalen Signalverarbeitung keine wesentliche Bedeutung hat.
Motivation
Die MDCT basiert auf dem Typ IV der diskreten Kosinustransformation, auch als DCT-IV bezeichnet, und verwendet am Anfang der zu transformierenden Eingangssignalfolge, beispielsweise ist dies eine endliche Anzahl von Abtastwerten eines Audiosignals, eine gerade Fortsetzung und am Ende der Signalfolge eine ungerade Fortsetzung. Das Eingangssignal wird in aufeinander folgende Blöcke unterteilt, wobei jeder Block getrennt der Transformation unterworfen wird. Bei der MDCT werden die Signalfolgen zur Bildung der einzelnen Blöcke teilweise miteinander überlappt, um die geraden bzw. ungeraden Fortsetzungen der Blockbildung zu kompensieren. In der meist englischsprachigen Fachliteratur wird dies als time-domain aliasing cancellation (TDAC) bezeichnet. Ähnliche Verfahren finden im Rahmen der DFT beim Overlap-Add-Verfahren und dem Overlap-Save-Verfahren Anwendung, um die dort periodische Fortsetzung der DFT in die aperiodische Faltungsoperation zu überführen.
Die MDCT vermeidet das, was bei der DCT der JPEG-Kompression als
Blockartefakte bekannt ist: Sprünge zwischen Abtastwerten benachbarter
Transformationsblöcken. Das menschliche Gehör reagiert auf diese Form von
Störungen noch wesentlich empfindlicher als das Auge, sodass ein Verfahren
gefunden werden musste, das zwischen benachbarten Blöcken nicht schlagartig,
sondern allmählich wechselt. Dies erfolgt durch eine Vergrößerung der in eine
Transformation eingehenden Abtastwerte unter Verwendung einer Fensterfunktion.
Dabei besteht aber das Problem, dass damit normalerweise die Datenmenge
vergrößert würde, da Abtastwerte in Berechnungen mehrfach eingehen und redundant
abgespeichert würden. Dieses Problem umgeht die MDCT, indem zwar
Abtastwerte als Ausgangswerte in die Transformation eingehen, aber nur
Spektralwerte entstehen. Normalerweise wäre so eine Transformation hochgradig
verlustbehaftet, allerdings löschen sich diese Fehler bei der Rücktransformation
und beim Addieren von benachbarten rücktransformierten Blöcken unter gewissen
Bedingungen wieder aus.
So besteht die Möglichkeit, eine Spektraltransformation mit Fensterfunktion durchzuführen, ohne dass sich die Anzahl der Werte vergrößert. Diese Fensterfunktion führt zu einer besseren Spektralauflösung bei der MDCT und zu weniger Artefakten bei der IMDCT.
Definition
Transformation
Durch die Überlappung ist bei der MDCT und im Unterschied zu symmetrischen Frequenztransformationen
die Menge der Eingangssamples aus dem Zeitbereich doppelt so groß wie die daraus
gebildeten spektralen Ausgangsdaten. Formal werden bei der Transformation
reelle
Zahlen
auf
reelle Zahlen
nach folgender Beziehung abgebildet:
mit
In der Literatur werden manchmal, in nicht einheitlicher Form und zur Normierung, in dieser Beziehung zusätzliche konstante Faktoren eingebracht, welche aber die Transformation nicht grundsätzlich verändern.
Inverse Transformation
Die inverse MDCT, abgekürzt IMDCT, stellt die Umkehrung zur obigen Transformation dar. Da die Eingangs- bzw. Ausgangsfolge eine unterschiedliche Anzahl umfassen, ist zur Umkehrung eine Addition im Zeitbereich der aufeinander folgenden Blöcke und der zeitlich überlappenden Bereiche im Rahmen der time-domain aliasing cancellation (TDAC) nötig.
Formal werden bei der IMDCT
reelle Zahlen
in
reelle Zahlen
übergeführt:
mit
Wie bei der DCT-IV, als eine Form von orthogonaler Transformation, ist die Rücktransformation bis auf einen Faktor identisch zu der Vorwärtstransformation.
Verwendung
Die MDCT ist die Basisoperation moderner Audiokompressionsverfahren. Dazu
wird das Eingangssignal in sich zur Hälfte überlappende Blöcke
der Länge
geteilt, die jeweils vom Abtastwert
reichen.
Die Transformation wird blockweise jeweils für jeden Block
unter Verwendung einer Fensterfunktion
(die gewisse Eigenschaften haben muss) durchgeführt:
mit
Die Rücktransformation erfolgt für ein Sample
mit
und
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blau: Kosinus, rot: Sinus-Kosinus, grün: modifizierte Kaiser-Bessel
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blau: Kosinus, rot: Sinus-Kosinus, grün: modifizierte Kaiser-Bessel
Die Fenster-Funktion
muss folgende Eigenschaften haben:
- Für die Analyse wie die Synthese eines Blocks
ist die gleiche Funktion zu verwenden. Sonst funktioniert das TDAC nicht.
- Für jeden Abtastwert wird die Fensterfunktion sowohl bei der Analyse wie
bei der Synthese je 2-mal angewendet. Diese beiden Werte müssen O.
B. d. A. die Gleichung
erfüllen. Die Bedingung nennt sich Princen-Bradley-Bedingung.
sollte eine möglich glatte Funktion sein, um den Leck-Effekt gering zu halten, der
- bei der Analyse die Konzentration dominierender Signalkomponenten verringern würde und
- bei der Synthese Störsignale entfernt von dominierenden Signalkomponenten erzeugen würde (DC-Anteile würden z.B. ein Knattern erzeugen).
Durch die zweite Bedingung unterscheidet sich die Fensterfunktion erheblich von den normalerweise üblichen Fensterfunktionen. Im Wesentlichen finden folgende drei Fensterfunktionen Anwendung:
- Kosinusfenster
- modifizierte Kaiser-Bessel-Fenster
- Sinus-Kosinus-Fenster
Berechnungsaufwand
Die direkte Berechnung der MDCT nach obiger Formel benötigt O(N2) Operationen. Ähnlich wie bei der schnellen Fourier-Transformation (FFT), als eine Form der effizienten Berechnung der DFT, existieren auch bei der MDCT-Algorithmen die ähnlich wie der Radix-2-Algorithmus aufgebaut sind, um die Anzahl der Rechenoperationen auf O(N log N) zu reduzieren.
Zudem lässt sich die MDCT mittels Pre- und Postprocessing und einer FFT berechnen.
Literatur
- Henrique S. Malvar: Signal Processing with Lapped Transforms. Artech House, 1992, ISBN 0-89006-467-9.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 23.02. 2021