Beweise der gödelschen Unvollständigkeitssätze
Dieser Artikel skizziert Beweise der Gödelschen Unvollständigkeitssätze. Dabei handelt es sich um zwei mathematische Sätze, die zu den wichtigsten Ergebnissen der Logik gezählt werden und die von Kurt Gödel 1930 bewiesen wurden.
Der erste Unvollständigkeitssatz besagt, dass kein konsistentes Axiomensystem, dessen Theoreme von einem Algorithmus aufgezählt werden können, alle wahren Aussagen über natürliche Zahlen mit Addition und Multiplikation beweisen kann. Der zweite Unvollständigkeitssatz besagt, dass ein solches System die eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen kann.
Erster Unvollständigkeitssatz
Der erste Unvollständigkeitssatz lässt sich wie folgt allgemein formulieren:
- Sei
ein rekursiv aufzählbares und widerspruchsfreies formales System, in dem die Robinson-Arithmetik interpretierbar ist. Dann ist
unvollständig. (Es gibt also arithmetische Formeln, die in
weder beweisbar noch widerlegbar sind.)
Dabei ist die Robinson-Arithmetik (auch )
eine schwache Form der Arithmetik in Prädikatenlogik
erster Stufe. Diese verfügt über die Konstante
„null“, die Nachfolgerfunktion
,
welche intuitiv zu einer gegebenen Zahl eins addiert, sowie die Funktionen
für Addition und
für Multiplikation. Sie hat folgende Axiome, die elementare Eigenschaften der
natürlichen Zahlen und der arithmetischen Operationen formalisieren:
- Null hat keinen Vorgänger:
- Wenn x+1 = y+1 gilt, dann ist x=y:
- Jede Zahl ist gleich Null oder hat einen Vorgänger:
- Axiomatische Definition von Addition und Multiplikation:
Die Punkte über den Ausdrücken deuten hier und im weiteren Verlauf des
Artikels an, dass diese Ausdrücke zu der betrachteten Sprache gehören. So ist
(s.u.) eine Formel des betrachteten formalen Systems, während
eine Relation zwischen natürlichen Zahlen ist. Das "Numeral" einer natürlichen
Zahl
,
die Repräsentierung der natürlichen Zahl im System, wird mit
bezeichnet, das Numeral von 4 ist z.B.der Term
.
Im Folgenden wird angenommen, dass
die Robinson-Arithmetik selbst ist. Der Beweis lässt sich genauso für jedes
andere System durchführen, in dem sich die Arithmetik so interpretieren lässt,
dass sich alle Funktionen aus der Robinson-Arithmetik so durch Ausdrücke des
neuen Systems definieren lassen, dass alle Theoreme der Robinson-Arithmetik in
Theoreme des anderen Systems übergehen. Insbesondere wird davon ausgegangen,
dass das Axiomensystem entscheidbar
ist. Gödel bewies den Satz ursprünglich für das viel stärkere System der Principia
Mathematica. Ebenso lässt sich der Beweis für die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
durchführen, die als einziges nichtlogisches Zeichen die Elementrelation
hat, in der Zahlen aber als Mengen interpretiert werden können, sodass alle
Theoreme der Robinson-Arithmetik als Theoreme der Mengenlehre interpretierbar
sind. Der Beweis lässt sich ebenfalls für ein lediglich aufzählbares
Axiomensystem adaptieren.
Der Beweis zerfällt in vier Teile:
- Arithmetisierung der Syntax: Jedem Ausdruck der Theorie wird eine Zahl, die sogenannte Gödelnummer, zugewiesen, aus der sich die Formel wieder effektiv rekonstruieren lässt. Diese Nummerierung wird auf endliche Folgen von Formeln erweitert.
- Arithmetisierung der Beweisbarkeitsrelation: Eine Formel
wird konstruiert, sodass für jedes Paar von Zahlen
und
,
genau dann beweisbar ist, wenn
die Gödelnummer eines Beweises einer Formel ist, deren Gödelnummer
ist.
- Konstruktion des Gödelsatzes: Es wird eine Formel konstruiert, die informell besagt „Ich bin nicht beweisbar.“, der sogenannte Gödelsatz.
- Nachweis der Unbeweisbarkeit: Es wird gezeigt, dass der Gödelsatz weder bewiesen noch widerlegt werden kann.
Arithmetisierung der Syntax
Das Hauptproblem bei der Ausführung des oben beschriebenen Beweises scheint
zunächst darin zu liegen, dass bei der Konstruktion einer Aussage ,
die äquivalent zu „
ist unbeweisbar“,
eine Referenz auf
enthalten muss. Gödels Lösung ist, zu zeigen, dass Aussagen auf eine solche
Weise Zahlen zugewiesen werden können, dass das Beweisen einer Aussage dadurch
ersetzt werden kann, dass überprüft wird, ob die der Aussage zugewiesene Zahl
eine gewisse arithmetische Eigenschaft hat. Dies ermöglicht die Konstruktion
einer selbstbezüglichen Formel, die unendlichen Regress vermeidet.
Der erste Schritt des Beweises besteht somit darin, Formeln und endliche Folgen von Formeln (injektiv) auf natürliche Zahlen abzubilden. Diese Zahlen heißen Gödelnummern der Formeln. Zunächst wird jedem Symbol der Sprache der Arithmetik eine Zahl zugeordnet, ähnlich dem ASCII-Code, der jedem Buchstaben eine eindeutige Zahl zuordnet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten dazu, hier wird direkt jedem Zeichen eine Ziffernfolge zugeordnet.
|
|
Man sieht hier, dass das im 2. Axiom benutzte Symbol für Implikation ()
fehlt; bekanntlich ist
aber äquivalent zu
(zumindest in der klassischen
Logik).
Die Gödelnummer einer Formel erhält man durch Aneinanderreihung der
Gödelnummern für jedes Symbol der Formel. Jede Formel kann eindeutig aus ihrer
Gödelnummer rekonstruiert werden. Die Gödelnummer einer Formel
wird mit
bezeichnet.
Mit dieser Gödelnummerierung erhält beispielsweise der Satz, der das Kommutativgesetz der
Addition ausdrückt,
die Nummer:
- 22 18 22 18 19 16 18 14 18 19 13 18 19 14 18 17
(die Leerzeichen dienen nur der Lesbarkeit.) Nicht alle Zahlen repräsentieren Formeln, beispielsweise steht
- 13 22 14 18
für "",
was keine korrekte Formel ist.
Im System wird jede natürliche Zahl n durch ihr Numeral repräsentiert.
Umgekehrt hat auch jedes Numeral eine Gödelnummer, so ist die Gödelnummer für
gleich:
- 12 12 12 12 11.
Die Zuweisung von Gödelnummern kann auf endliche Folgen von Formeln erweitert werden. Um die Gödelnummer einer endlichen Folge von Formeln zu erhalten, werden die Nummern der Formeln hintereinander geschrieben und jeweils durch eine Null getrennt. Da die Gödelnummer einer einzelnen Formel nie eine Null enthält, kann jede Formel der Folge eindeutig rekonstruiert werden.
Es ist wichtig, dass die formale Arithmetik einige einfache Tatsachen
beweisen kann. Insbesondere muss sie beweisen können, dass jede Zahl eine
Gödelnummer hat. Ebenso muss sie beweisen, dass es für die Gödelnummer einer
Formel ,
die eine freie Variable besitzt, und für eine Zahl
die Gödelnummer einer Formel
,
in der alle Vorkommen von
durch die Gödelnummer von
ersetzt wurden, gibt, und dass man diese Gödelnummer aus der ersten durch eine
effektive Prozedur erhalten kann.
Die Beweisbarkeitsrelation
Das formale System besitzt Axiome und Schlussregeln, aus denen die Formeln des Systems bewiesen werden können. Ein formaler Beweis im System ist somit eine Kette von Formeln, in der jede entweder ein Axiom ist oder sich durch eine Schlussregel aus früheren Formeln gewinnen lässt.
Da das formale System entscheidbar ist, kann man effektiv entscheiden, ob
eine gegebene Zahl Gödelnummer eines Axioms ist. Im Falle des endlich
axiomatisierten Systems
genügt es sogar, zu überprüfen, ob die Zahl zur Gödelnummer einer der sieben
Axiome gleich ist.
Schlussregeln können als binäre Relationen
zwischen Gödelnummern von Folgen von Formeln repräsentiert werden. So gibt es
beispielsweise eine Schlussregel ,
durch die man aus den Formeln
die Formel
erhält. Dann besagt die Relation
zu dieser Ableitungsregel, dass
genau dann in Relation zu
steht (
gilt), wenn
die Gödelnummer einer Liste von Formeln ist, die
und
enthält, und
die Gödelnummer einer Liste von Formeln ist, die aus den Formeln in der von
kodierten Liste besteht und zusätzlich
enthält. Da jede Ableitungsregel eine einfache formale Vorschrift ist, ist es
möglich, effektiv zu entscheiden, ob zwei Zahlen
und
in Relation
stehen.
Der zweite Schritt ist, zu zeigen, dass diese Gödelnummerierung benutzt
werden kann, um den Begriff der Beweisbarkeit auszudrücken. Ein Beweis einer
Formel
ist eine Kette von Formeln, in denen jede ein Axiom ist oder aus früheren
Aussagen durch eine Ableitungsregel entsteht, und in der die letzte Aussage
ist. Damit lässt sich die Gödelnummer eines Beweises mit der oben angegebenen
Methode zur Kodierung endlicher Folgen von Formeln definieren. Zudem lässt sich
eine Relation
definieren, die für zwei Zahlen
and
genau dann wahr (und beweisbar) ist, wenn
die Gödelnummer eines Beweises von
ist, und
ist.
ist eine arithmetische Relation, ebenso wie etwa „
“,
nur viel komplizierter. Für alle spezifischen Zahlen
und
ist entweder die Formel
oder ihre Negation
beweisbar (aber nicht beide). Dies liegt daran, dass die Relation zwischen den
Zahlen auf einfache Weise „überprüft“ werden kann. Die Konstruktion der Formel
hängt entscheidend davon ab, dass das Axiomensystem entscheidbar ist; ohne diese
Annahme wäre die Formel nicht konstruierbar.
Damit lässt sich nun eine Relation
definieren, die die metasprachliche Aussage „
ist beweisbar“ repräsentiert:
ist beweisbar, wenn es eine Zahl
gibt, die einen Beweis für
kodiert:
Dabei ist ""
ebenso wie "
"
nur eine Abkürzung für eine bestimmte, sehr lange, arithmetische Formel; die
Symbole "
"
und "
"
selbst gehören nicht zur Sprache des Systems.
Ein wichtiges Merkmal der Formel
ist, dass
beweisbar ist, wenn
beweisbar ist. Denn wenn
beweisbar ist, dann existiert ein Beweis mit Gödelnummer
.
Dann ist
wahr und, wie oben dargelegt, beweisbar. Damit ist erst recht die schwächere
Existenzaussage
beweisbar.
Formalisiert lassen sich die Ergebnisse dieses Abschnitts mit Hilfe des
Ableitbarkeitssymbols
zusammenfassen:
Diagonalisierung
Der nächste Schritt besteht darin, eine Aussage zu konstruieren, die ihre
eigene Unbeweisbarkeit behauptet. Hierzu lässt sich das Diagonallemma
anwenden. Dieses besagt, dass es in der Arithmetik und stärkeren formalen
Systemen für jede Formel
mit freier Variable
eine Aussage
gibt, sodass das System die Äquivalenz
beweist. Man erhält also eine Formel mit der intuitiven Bedeutung „Ich habe
die Eigenschaft .“
Wenn man für
die Negation von
einsetzt, erhält man die Aussage
mit der Bedeutung „Meine Gödelnummer ist die Gödelnummer einer unbeweisbaren
Formel“, also „Ich bin unbeweisbar“.
Die Formel
ist nicht direkt gleich zu
;
vielmehr besagt
,
dass man, wenn man eine gewisse Berechnung ausführt, die Nummer einer
unbeweisbaren Aussage erhält. Wenn man nun diese Berechnung durchführt, zeigt
sich aber, dass die entstehende Zahl die Gödelnummer von
selbst ist. Diese Konstruktion ähnelt folgender natürlichsprachigen Aussage:
- "ist in Anführungszeichen und gefolgt von sich selbst unbeweisbar." ist in Anführungszeichen und gefolgt von sich selbst unbeweisbar.
Dieser Satz bezieht sich nicht direkt auf sich selbst, aber man erhält die ursprüngliche Aussage, wenn man die angegebene Umformung durchführt, und damit behauptet der Satz seine eigene Unbeweisbarkeit. Der Beweis des Diagonallemmas benutzt eine ähnliche Methode.
Beweis der Unabhängigkeit des Gödelsatzes
Man nehme nun an, dass das formale System ω-konsistent,
und damit konsistent, ist. Sei
die Aussage, die im vorangehenden Abschnitt konstruiert wurde.
Wenn
beweisbar wäre, dann wäre
beweisbar. Aber
ist äquivalent zur Negation von
.
Damit wäre das System inkonsistent, da es eine Aussage und ihre Negation
beweisen würde. Also kann
nicht beweisbar sein, da die Theorie nach Voraussetzung konsistent ist.
Wenn die Negation von
beweisbar wäre, folgt aus der Konsistenz des Systems, dass
nicht beweisbar ist. Daher kann keine natürliche Zahl
die Gödelnummer eines Beweises von
sein. Gleichzeitig ist die Negation von
äquivalent zu
.
Damit beweist das System einerseits die Existenz einer Zahl mit einer bestimmten
Eigenschaft, aber beweist andererseits für jede Ziffer
,
dass sie diese Eigenschaft nicht hat. Dies ist in einem
-konsistenten
System unmöglich. Damit ist die Negation von
nicht beweisbar.
Damit ist die Aussage
unentscheidbar: Sie kann im gewählten System weder bewiesen noch widerlegt
werden. Damit ist das System
-inkonsistent
oder unvollständig. Diese Argumentation lässt sich auf jedes formale System, das
die Voraussetzungen erfüllt, anwenden. Damit sind alle formalen Systeme,
die die Voraussetzungen erfüllen,
-inkonsistent
oder unvollständig.
Dabei ist zu bemerken, dass
auch dann nicht beweisbar ist, wenn das System konsistent und
-inkonsistent
ist. Die Annahme der
-Konsistenz
ist nur dazu nötig, zu zeigen, dass die Negation von
nicht beweisbar ist.
Wenn man versucht, die Unvollständigkeit zu beseitigen, indem man eine der
unbeweisbaren Formeln
oder nicht
als Axiom hinzufügt, erhält man ein neues formales System. Auf dieses lässt sich
der gleiche Prozess anwenden und man erhält wieder eine Aussage der Form „Ich
bin im neuen System nicht beweisbar.“ und das neue System ist wieder
-inkonsistent
oder unvollständig.
Verallgemeinerung von Rosser
Wie im vorangehenden Abschnitt gezeigt, erlaubt die Konstruktion des
Gödelsatzes zunächst nur den Beweis der Unvollständigkeit für -konsistente
Systeme. John Barkley Rosser zeigte 1936, dass sich mit der gleichen Technik die
Unvollständigkeit auch für konsistente, aber
-inkonsistente
Systeme zeigen lässt.
Durch das Diagonallemma lässt sich ein Satz konstruieren, der die
metasprachliche Bedeutung „Wenn es einen Beweis für mich gibt, dann gibt es
einen kürzeren Beweis für meine Negation.“ hat. Dieser Satz wird auch als
Rossersatz
bezeichnet:
Angenommen das System ist konsistent und
ist beweisbar, wobei es einen Beweis mit Gödelnummer
gibt. Dann beweist das System
und somit das äquivalente
.
Da
für alle Einsetzungen entscheidbar ist und das System nach Annahme konsistent
ist, ist diese Aussage auch wahr in
.
Damit gibt es eine Zahl
,
die Gödelnummer eines Beweises der Negation von
ist. Damit beweist das formale System einen Satz und seine Negation, ist also
inkonsistent, Widerspruch.
Nun nehme man an, das System sei konsistent und der Rossersatz sei
widerlegbar, wobei es einen Beweis für die Negation mit Gödelnummer
gibt. Da das System konsistent ist, ist
nicht beweisbar. Dann ist beweisbar:
- Da es keinen Beweis für
gibt, gibt es auch keinen Beweis mit Gödelnummer kleiner gleich
. Damit ist die Formel wahr. Da es nur endlich viele Zahlen kleiner
gibt, ist die Formel äquivalent zu einer quantorenfreien Formel
und damit auch beweisbar.
- Da es keinen Beweis für
- Für jede Zahl größer
findet man eine kleinere Zahl, die Nummer eines Beweises von
ist. Dies folgt direkt daraus, dass
eine solche Nummer ist.
- Für jede Zahl größer
Damit lässt sich aber durch Kontraposition und Modus ponens beweisen:
was dem Rossersatz
entspricht. Dies ist ein Widerspruch, da
nach Annahme nicht beweisbar sein kann. Also ist der Rossersatz in einem
konsistenten System nicht widerlegbar.
Zweiter Unvollständigkeitssatz
Der zweite Unvollständigkeitssatz besagt:
- Jedes hinreichend mächtige konsistente System kann die eigene Konsistenz nicht beweisen.
Eine hinreichende Bedingung für „hinreichend mächtig“ ist, dass der Beweis
des ersten Unvollständigkeitssatzes im System formalisiert werden kann. Dazu
muss es eine Formel
besitzen, die die Beweisbarkeit in diesem System ausdrückt. Zudem muss diese
Formel den sogenannten Bernays-Löb-Axiomen genügen. Diese fordern, dass
für alle Formeln
und
folgende Bedingungen gelten:
- Wenn
, dann
Dies ist zwar im System ,
für das sich der erste Unvollständigkeitssatz bereits zeigen lässt, noch nicht
erfüllt, aber bereits in der Primitiv
Rekursiven Arithmetik (PRA), und erst recht in stärkeren Theorien wie der
Peano-Arithmetik und
der Mengenlehre.
Mithilfe dieser Eigenschaften lässt sich nun wie folgt der erste
Unvollständigkeitssatz formalisieren.
Sei
die beim Beweis des ersten Satzes konstruierte Aussage mit der Bedeutung „Ich
bin nicht beweisbar.“ Dann lassen sich folgende drei Aussagen ableiten:
(nach Axiom 3)
(nach der Definition von F)
(aus der Tautologie
nach Axiom 1 und 2)
Durch Kontraposition erhält man aus diesen drei Sätzen folgenden Satz, der dem ersten Unvollständigkeitssatz entspricht:
Um einen Widerspruch zu erzeugen, nehme man nun an, dass T seine Konsistenz
beweist, das heißt .
Damit gilt
,
also
.
Nach Axiom 1 gilt dann
.
Dann wäre aber T inkonsistent, da es sowohl
als auch
beweist. Also kann T, wenn es konsistent ist, die eigene Konsistenz nicht
beweisen.
Alternativ lässt sich der zweite Unvollständigkeitssatz auch durch den Satz
von Löb beweisen. Nach diesem gilt für ein System ,
das die Bernays-Löb-Axiome erfüllt, die Aussage
nur dann, wenn auch
gilt. Wenn nun
seine eigene Konsistenz beweist, gilt
und damit
.
Nach dem Satz von Löb gilt also
,
also ist
inkonsistent.
Alternative Beweise
Es sind verschiedene andere Beweise des Unvollständigkeitssatzes bekannt, die im Gegensatz zu Gödels Beweis keine selbstbezügliche Formel benötigen. Direkte Beweise des ersten Unvollständigkeitssatzes für spezielle mächtige Systeme wie die Peano-Arithmetik oder die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre erhält man durch verschiedene Unbeweisbarkeitsresultate für mathematische Aussagen. Zudem gibt es auch verschiedene Beweise, die wie Gödels Beweis durch Formalisierung von Paradoxien die Unvollständigkeit aller ausreichend mächtigen formalen Systeme zeigen.
Halteproblem
Alan Turing zeigte 1937, dass sich der erste Unvollständigkeitssatz durch Mittel der Berechenbarkeitstheorie zeigen lässt.
Das Halteproblem ist die Menge
der Gödelnummern von Paaren aus Turingmaschinen
und Wörtern
,
sodass
auf Eingabe
nach endlich vielen Schritten anhält. Analog lässt sich das Halteproblem auch
für andere Berechenbarkeitsmodelle
definieren. Turing zeigte, dass das Halteproblem nicht entscheidbar ist. Es lässt
sich zeigen, dass das Halteproblem arithmetisch repräsentierbar ist, es also
eine arithmetische Formel
gibt, so dass
genau dann wahr ist, wenn
auf Eingabe
hält. Angenommen, die betrachtete Theorie ist vollständig und beweist nur
arithmetisch wahre Formeln. Sei eine Turingmaschine
und ein Wort
gegeben. Dann kann man alle Beweise der Theorie systematisch durchsuchen, bis
man einen Beweis für
oder
findet. Da die Theorie vollständig ist, ist genau eine der beiden Formeln
tatsächlich beweisbar. Damit ließe sich aber das Halteproblem entscheiden,
Widerspruch. Also gibt es Turingmaschinen
und Wörter
,
sodass
weder beweisbar noch widerlegbar ist.
Berry-Paradoxon
George Boolos zeigte 1989, dass sich der erste Unvollständigkeitssatz durch eine Formalisierung des Berry-Paradoxons beweisen lässt. Dieses besteht aus folgendem natürlichsprachigen Ausdruck:
- „Die kleinste natürliche Zahl, die nicht mit weniger als vierzehn Worten definierbar ist.“
Da jede nichtleere Menge natürlicher Zahlen ein kleinstes Element hat und weil nur endlich viele Zahlen mit weniger als vierzehn Wörtern definiert werden können, definiert dieser Ausdruck eine Zahl. Das Paradoxon besteht nun darin, dass die benannte Zahl angeblich nicht in weniger als vierzehn Wörtern benannt werden kann, der Ausdruck aber nur dreizehn Wörter hat.
Dieses Paradoxon wird von Boolos wie folgt formalisiert. Eine Formel
benennt die Zahl
,
wenn das betrachtete System
beweist, dass
die einzige Zahl mit Eigenschaft
ist:
Nun gibt es ein arithmetisch definierbares Prädikat ,
das genau dann wahr ist, wenn eine arithmetische Formel mit Länge
die Zahl
benennt. Damit lassen sich dann folgende Prädikate definieren:
. „x kann mit weniger als y Symbolen benannt werden“
„
ist die kleinste Zahl, die sich nicht mit weniger als
Symbolen definieren lässt“
Sei nun
die Länge der Formel
.
Dann betrachte man die Formel
„
ist die kleinste Zahl, die sich nicht mit weniger als
Symbolen definieren lässt.“ Da nur endlich viele Zahlen mit weniger als
Symbolen definierbar sind, muss es eine Zahl
geben, sodass
wahr ist, und da es genau eine kleinste Zahl gibt, ist auch
wahr. Wäre diese Formel beweisbar, dann würde
die Zahl n benennen. Die Formel
hat aber viel weniger Zeichen als 10·k, damit kann die Formel
nicht beweisbar sein.
Gregory Chaitin zeigte 1974
durch eine ähnliche Formalisierung des Berry-Paradoxons, dass es für jedes
formale System, das keine falschen arithmetischen Aussagen beweist, eine Zahl
gibt, sodass das System für keine Zahl beweisen kann, dass ihre
Kolmogorow-Komplexität
größer als
ist.
Grelling-Nelson-Antinomie
Ein anderer Beweis lässt sich aus der Grelling-Nelson-Antinomie
gewinnen.
Eine Formel
mit freier Variable heiße autologisch, wenn
beweisbar ist. Nun existiert eine arithmetische Formel
(für „Gödel-Grelling-Formel“) mit der Bedeutung: „
ist nicht die Gödelnummer einer autologischen Formel.“ Nun betrachte man die
Formel
mit der Bedeutung „Die Formel
ist nicht autologisch.“ Angenommen, die Formel sei beweisbar. Dann ist aber nach
Definition
autologisch und das System ist inkonsistent. Also ist die Formel
unbeweisbar, aber, da sie ebendiese Unbeweisbarkeit behauptet, auch wahr. Wäre
die Formel widerlegbar, dann wäre das System ähnlich wie bei Gödels Beweis
-inkonsistent,
würde also eine falsche Aussage beweisen.
Literatur
- Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. Monatshefte für Mathematik und Physik 38, 1931, S. 173–198.
- Kurt Gödel: Diskussion zur Grundlegung der Mathematik: Erkenntnis 2. Monatshefte für Math. und Physik, 1931–32, S. 147–148.
- J. Barkley Rosser: Extensions of some theorems of Gödel and Church. In: Journal of Symbolic Logic. Band 1, 1936, S. 87–91.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 14.01. 2023