Potenz (Geometrie)

Geometrische Bedeutung der Potenz

Der Begriff Potenz bezeichnet in der Geometrie ein spezielles, von Jakob Steiner 1826 eingeführtes Maß dafür, wie weit außerhalb oder innerhalb eines Kreises sich ein Punkt befindet. Die Potenz eines Punktes P bezüglich eines Kreises k mit Mittelpunkt M und Radius r ist die reelle Zahl

{\displaystyle \Pi (P)=|PM|^{2}-r^{2}.}

Falls P außerhalb des Kreises liegt, ist >{\displaystyle \Pi (P)>0} und gleich dem Quadrat der tangentialen Distanz {\displaystyle |PT|} von P zum Kreis k (siehe Bild). Dies folgt aus dem Satz des Pythagoras.
Falls P auf dem Kreis liegt, ist {\displaystyle \Pi (P)=0}.
Falls P innerhalb des Kreises liegt, ist {\displaystyle \Pi (P)<0}.

Steiner benutzte die Potenz eines Kreises, um zahlreiche Aussagen über Kreise zu beweisen. Z.B. eine Konstruktion der Malfatti-Kreise.


Geometrische Bedeutung

Orthogonalkreis (grün)
Sekantensatz, Sehnensatz

Außer den im ersten Bild mit Hilfe des Satzes von Pythagoras erkennbaren geometrischen Bedeutungen der Potenz, gibt es weitere Eigenschaften:

Orthogonalkreis

Zu einem Punkt P außerhalb des Kreises k gibt es zwei Berührpunkte {\displaystyle T_{1},T_{2}} auf dem Kreis k (siehe Bild), die gleichweit von P entfernt sind. Der Kreis mit P als Mittelpunkt durch T_{1} geht also auch durch T_{2} und schneidet den Kreis k senkrecht. Dies liefert eine weitere geometrische Bedeutung der Potenz:

Sekantensatz, Sehnensatz

Im Sekantensatz und Sehnensatz spielt die Potenz eines Punktes die Rolle einer Invarianten:

Potenzgerade

Betrachtet man zu zwei vorgegebenen Kreisen (Mittelpunkte M_{1},M_{2} und Radien r_1,r_2), einen Punkt P, so hat dieser die Potenz {\displaystyle \Pi _{1}(P)} bezgl. des ersten Kreises und die Potenz {\displaystyle \Pi _{2}(P)} bezgl. des zweiten Kreises. Bestimmt man die Gesamtheit aller Punkte, die bezgl. beider Kreise dieselbe Potenz besitzen, es ist also {\displaystyle \Pi _{1}(P)=\Pi _{2}(P)}, so erhält man eine Gerade, die Potenzgerade der beiden Kreise.

Sekantensatz, Sehnensatz: einheitlicher Beweis

Bei den Sätzen Sekantensatz, Sekanten-Tangenten-Satz und Sehnensatz spielt die Potenz eines Punktes als Invariante eine wesentliche Rolle. Diese Sätze lassen sich mit Hilfe von ähnlichen Dreiecken und dem Kreiswinkelsatz koordinatenfrei beweisen.

Potenz: Sekanten-Satz, Sehnen-Satz

Für einen einfachen rechnerischen und einheitlichen Nachweis kann man das Koordinatensystem so einführen, dass der Punkt P, durch den die Sekanten/Sehnen/Tangenten gehen der Nullpunkt ist und die jeweilige Sekante bzw. Sehne auf der x-Achse liegt. Der Kreis k hat den Mittelpunkt {\displaystyle M=(x_{0},y_{0})} und Radius r:

{\displaystyle P=(0,0),\quad k:(x-x_{0})^{2}+(y-y_{0})^{2}-r^{2}=0}

Die Potenz des Punktes P bezgl. des Kreises k ist {\displaystyle \quad \Pi (P)=x_{0}^{2}+y_{0}^{2}-r^{2}}.

Die Schnittpunkte {\displaystyle S_{1}=(x_{1},0),S_{2}=(x_{2},0)} der x-Achse (Gerade y=0) mit dem Kreis ergeben sich aus der quadratischen Gleichung

{\displaystyle (x-x_{0})^{2}+y_{0}^{2}-r^{2}=x^{2}-2xx_{0}+x_{0}^{2}+y_{0}^{2}-r^{2}=0.}

Nach dem Satz von Vieta gilt für die möglichen Lösungen:

{\displaystyle x_{1}\cdot x_{2}=x_{0}^{2}+y_{0}^{2}-r^{2}=\Pi (P)}.

Also gilt (siehe Bild)

{\displaystyle |PS_{1}|\cdot |PS_{2}|=x_{1}\cdot x_{2}=\Pi (P)\ }, falls P außerhalb des Kreises liegt,
{\displaystyle |PS_{1}|\cdot |PS_{2}|={\color {red}-}x_{1}\cdot x_{2}={\color {red}-}\Pi (P)\ }, falls P innerhalb des Kreises liegt (x_1,x_2 haben dann verschiedene Vorzeichen und {\displaystyle \Pi (P)} ist negativ !).

In beiden Fällen hängt also das Produkt {\displaystyle |PS_{1}|\cdot |PS_{2}|} nur von {\displaystyle P,M,r} ab und nicht von den mit P kollinearen Punkten S_1,S_2. Der erste Fall liefert den Sekantensatz, der zweite Fall den Sehnensatz.

Ist im ersten Fall die x-Achse eine Tangente (d.h. {\displaystyle S_{1}=S_{2}}), so ist {\displaystyle \Pi (P)=x_{0}^{2}+y_{0}^{2}-r^{2}} das Quadrat der tangentialen Distanz des Punktes P zum Kreis k und liefert die Aussage des Sekanten-Tangenten-Satzes.

Potenz bezüglich einer Kugel

Das Konzept der Potenz eines Punktes bezüglich eines Kreises lässt sich auf Kugeln im Raum übertragen. Auch die Sekanten/Sehnen-Sätze haben im Raum ihre Gültigkeit. Analog zur Potenzgerade zweier Kreise gibt es im Raum eine Potenzebene zu zwei Kugeln. Zu drei Kugeln gibt es eine dem Radikal dreier Kreise entsprechende Potenzgerade.

Nachweis der Sekanten/Sehnen-Sätze im Raum
 
Zum Sekantensatz für eine Kugel

Es sei P:{\vec  p} ein Punkt, {\displaystyle K:{\vec {x}}^{2}-r^{2}=0} eine Kugel mit Mittelpunkt im Ursprung und {\vec {v}} ein Einheitsvektor. Die Parameter t_1,t_2 der möglichen Schnittpunkte der Gerade {\displaystyle g:{\vec {x}}={\vec {p}}+t{\vec {v}}} (durch P) mit der Kugel K ergeben sich durch Einsetzen der Parameterdarstellung der Gerade in die Kugelgleichung:

{\displaystyle ({\vec {p}}+t{\vec {v}})^{2}-r^{2}=0\quad \rightarrow \quad t^{2}+2t\;{\vec {p}}\cdot {\vec {v}}+{\vec {p}}^{2}-r^{2}=0\ .}

Aus dem Satz von Vieta folgt für die Lösungen dieser quadratischen Gleichung:

{\displaystyle t_{1}\cdot t_{2}={\vec {p}}^{2}-r^{2}=\Pi (P)}. (Unabhängig von {\vec {v}} !)

{\displaystyle \Pi (P)} ist die Potenz von P bezüglich der Kugel K.

Da {\displaystyle |{\vec {v}}|=1} ist, gilt für die Schnittpunkte S_1,S_2:

{\displaystyle |PS_{1}||PS_{2}|=t_{1}t_{2}=\Pi (P)}, falls P außerhalb der Kugel liegt,
{\displaystyle |PS_{1}||PS_{2}|=-t_{1}t_{2}=-\Pi (P)}, falls P innerhalb der Kugel liegt (t_1,t_2 haben verschiedene Vorzeichen !).

Im Fall {\displaystyle t_{1}=t_{2}} ist die Gerade eine Tangente und die Potenz {\displaystyle \Pi (P)} das Quadrat des tangentialen Abstandes von P zur Kugel K.

Dieser vektorielle Beweis lässt sich formal auch auf den ebenen Fall (Kreis) anwenden.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 27.06. 2021