Die Anfänge der Fliegerei
Es ist dem Engländer George Cayley (1773 - 1857) vorbehalten, als "Vater der Luftfahrt" (oder besser "der Flugtechnik") in die Geschichte einzugehen. Er erkannte, daß gewölbte Tragflügelprofile einen stärkeren Auftrieb liefern, und entdeckte die günstigen aerodynamischen Eigenschaften des Stromlinienkörpers. Zur Erzielung der Flugstabilität empfahl er die Anbringung von Leitwerken in der Art, die im Wesen heute noch gültig ist. 1804 baute er einen flugfähigen Gleiter, eine kleines Modell mit starren Flügeln. Dieses erste "Flugzeug" der Weltgeschichte diente - wie Cayieys weitere Konstruktionen - zu aerodynamischen Versuchen.
Und schon geht es mit ungesicherten, manche mögen sagen unhaltbaren Behauptungen weiter. In Geschichtsbüchern findet sich um 850 der arabische Gelehrte Ben Firnas. Ihm sind im spanischen Sevillia erste Gleitflüge gelungen. Wobei er mehrere Abstürze überlebt haben soll.
Der erste Mensch(gesichert), der mit Hilfe eines Apperates nach dem Prinzip schwerer als Luft flog, war der Deutsche
Otto Lilienthal (1848-1896).
Er führte im Jahre 1891 in
Lichterfelde bei Berlin die ersten "Luftsprünge" aus.
Die Bedeutung Lilienthals liegt weniger in der Erarbeitung neuer theoretischer Erkenntnisse, sondern in der praktischen Anwendung bereits vorhandenen Wissens und
der Vollendung einer sinnvollen Methode das
Fliegen zu erlernen.
In der Folgezeit ermöglichten ihm ständig verbesserte
Apparate eine Ausdehnung seiner Flüge bis zu 300 m Länge. Lilienthals
Fluggerät besteht eigentlich nur aus den Tragflächen und
einem einfachen Stabilisierungsleitwerk. Unter den
fledermausartigen Flügeln lassen sich zwei Manschetten erkennen,
durch die der Pilot - wenn man diese Bezeichnung schon anwenden
will - seine Arme strecken mußte, um den Apparat beim
Start zu halten und während des Fluges selbst Halt zu finden.
Indem Lilienthal mit dem Gleiter einen Hügel herab gegen den
Wind anlief, erreichte er eine flach geneigte Flugbahn. Die Steuerung
erfolgte durch Verlagern des Körpergewichts. Unter den Nachfolgern ist vor allem
Octave Chanute (1832 - 1910) als Vermittler Lilienthalscher Erfahrungen an die
Brüder Wright hervorzuheben.
Waren durch die Gleitflugversuche die aerodynamischen Grundkenntnisse erarbeitet worden, so bedurfte es zur Verwirklichung des eigentlichen Flugzeuges eines leistungsfähigen Triebwerkes.
Bereits 1842 hatte der Engländer William Samuel Henson ein Patent für
ein Dampfmaschinen getriebenes Flugzeug beantragt. Die Zeit, in der
sich die Eisenbahn zum vorherrschenden Verkehrsträger
entwickelte, mußte zweifellos auch optimistische Vorstellungen
hinsichtlich der Realisierbarkeit des Flugzeuges mit Hilfe einer
Dampfmaschine wecken. Zum Bau von Hensons "Luft-Dampfwagen"
kam es jedoch nicht, da berechtigte Zweifel an der Flugfähigkeit
des Apparates eine finanzielle Unterstützung des Projektes
verhinderten. Erst 1883 gelang dem russischen Marineoffizier
Alexander Fjodorowitsch Moshaiski der Bau eines Flugzeuges mit
maschinellem Antrieb. Jetzt zeigten sich die gegen Hensons Vorhaben
geltend gemachten Vorbehalte in der Praxis. Die Leistung der
eingebauten Dampfmaschine war im Verhältnis zum hohen
Gesamtgewicht des Apparates zu schwach. Die Versuche Moshaiskis
blieben erfolglos.
Inzwischen entwickelten Gottlieb Daimler und
Wilhelm Maybach den von Nikolaus August Otto erfundenen Gasmotor
zu einem kleinen, leichten und schnellaufenden
Verbrennungsmotor weiter. Das immer günstiger gestaltete Masse/
Leistungs-verhältnis der Motoren erlaubte schließlich, die
für den Vor- und Auftrieb der Flugmaschinen nötigen
mechanischen Kräfte zu erzeugen.
Betrug die Leistungmasse der Motoren von Otto noch 600 kg/PS bei
einer Drehzahl von etwa 150 bis 180 Umdrehungen je Minute, k
amen die entsprechenden Daimlermotoren auf etwa 900 Umderehungen und ein
Masse/Leistungs-verhältnis von etwa 40 kg/PS.
Am 17. Dezember 1903 starteten
die Amerikaner Wilbur Wright (1867-1912) und Orville Wright
(1871-1948) in Kitty Hawk (North Carolina, USA) ihren "Flyer"
. Sie gingen damit als die ersten erfolgreichen
Motorflieger in die Geschichte ein.
Um den aerodynamischen Auftrieb zu erhöhen, hatten die Wrights einen Doppeldecker in Anlehnung an das Kastendrachen-System gebaut. Auch die liegende Unterbringung des Piloten auf der unteren Tragfläche diente der Verbesserung der Flugeigenschaften. Das Höhenleitwerk befand sich — im Unterschied zu den heute gängigen Flugzeugen — vorn. Der 12 PS leistende Motor trieb zwei Druckpropeller an. Vom Flug der Vögel übernahmen die Erbauer die sogenannte Flügelverwindung. Sie bauten die Enden der Tragflächen flexibel, so daß diese mit Hilfe eines Seilzuges wechselseitig verdreht werden konnten. Diese erste einfache Form des "Querruders" war ein für die weiteren Erfolge wesentliches Moment. Die Wrights verwendeten auf die Konstruktion der Leitwerke besondere Sorgfalt. Bereits im Jahre 1901 lernten sie bei den Gleitflügen in der Art Lilienthais, ihr Fluggerät in allen drei Achsen einwandfrei zu beherrschen. Im September 1904 vollendeten sie den ersten Kreisflug.
Der "Wright-Flieger" besaß noch kein Fahrwerk im eigentlichen Sinne, sondern lediglich Gleitkufen, die auf einer Art Wagen ruhten. Dieser rollte beim Start über eine Bohle, bis das Flugzeug abhob. Im zweiten Jahr der Wrightschen Motorflugversuche kam zu dieser Vorrichtung als weitere Starthilfe eine Katapultanlage, bestehend aus einem Gerüst mit einem 700 kp schweren Fallgewicht, Seil und Umlenkrollen. Das in dem Gerüst herabgleitende Gewicht zog den am anderen Ende des Seiles eingehakten Apparat und unterstützte die Kraft des Motors.
Die Gebrüder Wright gaben dem Fortschritt der europäischen Luftfahrt einen wesentlichen Impuls. Und dies nicht so sehr mit ihrer technischen Lösung - sie wies eine ganze Reihe von Mängeln auf - sondern durch ihr methodisches Vorgehen vom Gleitflug zur vollständigen Beherschung und Steuerung ihres Flugzeuges. Darüber traten sie suverän auf, was die Europäer und vorallem die Franzosen stark beeindruckte.
Während die Wrights in aller Stille ihr Fluggerät und ihre Flugfertigkeit vervollkommneten, kam es in Frankreich 1906 zu den ersten Motorstarts von Alberto Santos-Dumont, denen sich bald diejenigen anderer französischer Flugpioniere anschlossen . Auch hier trifft man noch auf ungefüge Apparate, deren Flugrichtung oft gar nicht so leicht zu bestimmen ist, weil sie einerseits einer modernen Maschine verhältnismäßig ähnlich sehen, andererseits aber zum Teil ganz anderen konstruktiven Grundlagen verpflichtet sind. Die äußere Gestaltung und deren Verhältnis zur Flugrichtung entwickeln sich bis 1914 immer mehr in Richtung auf die heutige Standardform.
Einen wesentlichen Fortschritt brachte der 1909 gebaute Typ XI des Franzosen Louis Bleriot. Zum ersten Mal entstand ein Flugapparat, der im Grundbauplan mit einer heutigen Maschine vergleichbar ist. Tatsächlich steht das Baumuster Bleriot XI am Anfang der Entwicklung des modernen Eindeckers. Der Konstrukteur bewies die Leistungsfähigkeit seines Flugzeuges am 25. Juli 1909 durch das überfliegen des Ärmelkanals zwischen Calais und Dover (etwa 32 km) in 31 Minuten. Die Maschine trug den bezeichnenden Namen "La Manche" ("Ärmelkanal"). In ihrem Rumpf befanden sich drei Lufttanks. Sie sollten dem Flugzeug bei einer eventuellen Notwasserung Schwimmfähigkeit verleihen.
Bleriot hatte als erster Pilot eine größere Wasserfläche überwunden. Es zeigte sich, daß Großbritannien im strategischen Sinne keine Insel mehr war. Die jahrhundertealte glänzende Isolierung " Englands ging damit ihrem Ende entgegen. Gleichzeitig wurde damit nachgewiesen, daß das Flugzeug ein brauchbares Niveau erreicht und eine große Zukunft vor sich hatte.
In Deutschland galt in jenen Jahren das Interesse den Zeppelin-Luftschiffen, deren erste Erfolge in der Öffentlichkeit große Begeisterung hervorriefen. Die Fliegerei stand wie im Schatten der "Silberzigarren" und entwickelte sich verhältnismäßig langsam. Erst am 28. Oktober 1908 gelang Hans Grade (1879-1946) auf dem Cracauer Anger bei Magdeburg mit einem selbstgebauten Dreidecker ein — den Anfangsleistungen der Wrights und Santos-Dumonts vergleichbarer — Luftsprung von 60 m Länge und 8 m Höhe.
1909 ging Grade dann zur Anfertigung seiner relativ zuverlässigen Eindecker über, die als Hochdecker konstruiert waren. Der Pilot saß bei diesem Flugapparat in einer Art Liegestuhl unter der Tragfläche und dem Motor völlig ungeschützt im Luftstrom. Deutlich sichtbar sind die Holz-Stoff-Bauweise und der Mechanismus für Steuerung und Flügelverwindung. Zu beachten ist auch der in der Anfangszeit verwendete Spatenpropeller. Der 4-Zylinder-Zweitakt-Motor — Eigenbau von Hans Grade — leistete 16 PS.
Die bekanntesten Flugzeuge der letzten Jahre vor dem ersten Weltkrieg. (Auswahl)
Typ | Land |
Wright "Flyer" | USA |
Bleriot XI | Frankreich |
Etrich "Taube" | Österreich |
Besonders sei auf die "Tauben" Igo Etrichs und Edmund Rumplers hingewiesen, die hinsichtlich der Tragflächenform dem Vorbild des Flugsamens der auf Java wachsenden Kürbisart "Zanonia Macrocarpa" entsprachen und recht gute Flugeigenschaften besaßen.
Zunächst war auch in Deutschland der Motorflug eine Sache des Sports, der Bau und die Weiterentwicklung der Maschinen in der Regel Angelegenheit der Flieger selbst. Nicht alle Flugpioniere verfügten über ausreichende finanzielle Mittel, und da anfangs jegliche Unterstützung fehlte, waren für viele die Geldpreise für gute Plätze bei Wettbewerbsflügen meist mehr als nur eine willkommene Ehrung. Vor dem schaulustigen Publikum zu den zahlreichen Flugtagen riskierten sie Gesundheit, Leben und Material, um weiterarbeiten zu können. Im Jahre 1909 konnten folgende Bestleistungen mit Flugzeugen erreicht werden
Höchstgeschwindigkeit | 56,6 km/h |
Flugdauer | 3 h 4 min |
Flugstrecke | 180 km |
Flughöhe | 158 m |
Es entstanden ab 1910 Fliegerschulen, und trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren erwarben binnen weniger Jahre Hunderte die seit jenem Jahre ausgegebenen Pilotenpatente. Auch Frauen beteiligten sich in zunehmendem Maße am Flugunterricht. Stellvertretend für sie sei die Bildhauerin Melli Beese aus Dresden genannt, seit 1911 die erste deutsche Fliegerin.
Es fehlte auch nicht an Versuchen, Flugzeuge als Beförderungsmittel zu verwenden. So gehörten seit 1908 Flüge mit Passagieren zum festen Programm der Flugveranstaltungen. Bei diesen ging es oft sehr gewagt zu. Der mutige Fluggast saß zum Beispiel beim Grade-Eindecker anfangs unangeschnallt zwischen den Beinen des Piloten auf der Achse des Fahrwerkes, sich nur mit den Händen haltend. Im Februar 1912 wurde eine — zwar nur kurzzeitig bestehende — erste Luftpostlinie von den Grade-Werken in Bork bei Berlin nach Brück in der Mark eingerichtet. Derartige Flüge waren natürlich keine Verkehrsflüge in unserem Sinne. Sie dienten der Sensation und sollten vor allem die Leistungsfähigkeit der Maschinen beweisen
Obwohl bereits 1910 in Zürich die "Gewerbsmäßige Passagier-Motorluftfahrt" gegr. wurde, begann der Luftverkehr mit Motorflugzeugen (umgebaute Militärflugzeuge) erst nach dem ersten Weltkrieg. Das erste zivile Verkehrsflugzeug (Junkers F 13) wurde 1919 konstruiert. Den eigentlichen Luftverkehr hatten 1909 deutsche Luftschiffe eröffnetet.
Das Interesse der deutschen Regierung für die Fortschritte in der Luftfahrt war anfangs sehr mäßig und galt zunächst vorwiegend dem Bau von Luftschiffen. Im Gegensatz dazu förderten andere imperialistische Länder in Europa die Flugtechnik. Die damit verbundenen militärischen Aspekte waren bald offensichtlich, und man versuchte, im deutschen Kaiserreich im Zusammenhang mit den intensiven Kriegsvorbereitungen nochzuziehen. Ab 1912 setzte eine staatliche Unterstützung der Sportflieger ein, jedoch nur für diejenigen, die bereit waren, militärische Bedingungen anzuerkennen. Außerdem begann die deutsche Armeeführung mit dem Aufbau von Fliegertruppen. Die entstehenden Kosten bürdete man in bewährter Manier - unter anderem durch eine sogenannte "Nationolflugspende" — dem Volk auf.
Als Beispiel sei hier angemerkt, daß die Fliegerin Melli Beese von den Mitteln der "Nationalflugspende" nichts erhielt. Grund: Sie war mit einem französischen Offizier verheiratet.
In der Zeit bis 1914 wurde das Problem des Motorfluges gelöst. Die Leistungsfähigkeit der Maschinen hatte von Jahr zu Jahr zugenommen, und der Schritt zum Verkehrsflugzeug lag greifbar nahe.
Die erreichten Weltrekorde verdeutlichen die qualitativen Fortschritte der Luftfahrt:
Höchstgeschwindigkeit | 197 km/h |
Flugdauer | 24 h 10 min |
Flugstrecke | 2 079 km |
Flughöhe | 8 150 m |
Die Luftfahrt stand damals jedoch völlig unter dem Einfluß militärischer Gesichtspunkte. Der vom Deutschen Reich seit langem vorbereitete imperialistische erste Weltkrieg forderte den Massenbau, und Verbesserungen wurden nur wirksam, wenn sie dem Flugzeug als Waffe dienten. An die Ausnutzung des flugtechnischen Fortschritts für friedliche Zwecke war unter diesen Bedingungen selbstverständlich nicht zu denken.
Die entstandenen Flugzeuge waren in ihrer Mehrzahl einsitzige Konstruktioen aus Holz mit Stoffbespannung, und Eindecker und Doppeldecker existierten gleichberechtigt nebeneinander.
Basierend auf "Begleitheft durch die Ausstellungen Flugtechnik und Luftschiffahrt" © Verkehrsmuseum Dresen 1980.Seite zurück
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.07. 2017