Elektronenstrahlung

„Elektronenkanone“, ausgebaut aus einem Farbfernseher. links: Seitenansicht; Deutlich zu erkennen die Vakuumdurchführung, rechts: Frontansicht; Man sieht deutlich die Austrittslöcher der drei Elektronenstrahlen, die die drei Farben ansteuern

Elektronenstrahlung, in Form eines Strahlenbündels früher auch als Kathodenstrahlen bezeichnet, ist eine Teilchenstrahlung aus Elektronen, meist im Vakuum oder in einem gasförmigen Material.

Erzeugung

Technisch erzeugte Strahlenbündel von Elektronen werden als Elektronenstrahl bezeichnet. Die Strahlerzeugung erfolgt technisch meist mit einer Elektronenkanone, einem Strahlensystem, wie es auch in der Kathodenstrahlröhre (Braunschen Röhre und Bildröhre) vorkommt. Die Elektronen werden aus einer Glühkathode freigesetzt und durch ein elektrisches Feld beschleunigt. Eine weitere Beschleunigung kann mit Teilchenbeschleunigern (Linearbeschleuniger, Betatron, Mikrotron, Synchrotron) erfolgen.

Bei der Entdeckung der Kathodenstrahlen traten Strahlen durch eine Öffnung in einer der Kathode gegenüberliegenden (positiven) Anode aus und verursachten Leuchterscheinungen. Man bezeichnete diese offensichtlich von der Kathode ausgehenden Strahlen daher als Kathodenstrahlen. Die bei kalter Kathode entstehenden Strahlen einer Gasentladung bezeichnete man demgegenüber als Kanalstrahlen. Erst später erkannte man, dass erstere aus Elektronen und letztere aus (positiven) Ionen bestanden.

Geschichte

Die Untersuchungen wurden stimuliert durch die Suche nach den kleinsten Teilchen der Elektrizität, wie sie nach den Faradayschen Gesetzen existieren sollten. Man untersuchte deshalb elektrische Vorgänge in verdünnten Gasen und fand dabei Leuchterscheinungen. Julius Plücker verwendete Gasentladungsröhren, in denen Kathoden erhitzt wurden. Er und sein Schüler Johann Hittorf stellten fest, dass

  1. sich aus den Kathoden eine Art elektrischer Strahlung geradlinig ausbreitete,
  2. dazwischen gestellte Gegenstände einen Schatten werfen,
  3. sich die Strahlung durch ein Magnetfeld ablenken ließ.

William Crookes, der die für diese Untersuchungen geeignete Schattenkreuzröhre erfand, stellte 1879 fest, dass diese Strahlen auch in hoch evakuierten Röhren auftraten, in denen ansonsten keine Leuchterscheinungen der Gasentladung mehr zu erkennen waren. Außerdem erkannte er, dass sie feste Körper erwärmt und einen Druck ausübt. Dies führte zur Erkenntnis, dass Kathodenstrahlen offenbar aus Teilchen (Korpuskeln) bestehen.

Erstmals wurden Kathodenstrahlen systematisch von Philipp Lenard in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts untersucht. Er baute hierfür das so genannte Lenard-Fenster, das aus einem Gitter mit einer aufgebrachten Metallfolie bestand. Er erkannte, dass die Kathodenstrahlen eine Folie aus mehreren tausend Atomschichten durchqueren konnten. Lenard erkannte ebenfalls, dass Kathodenstrahlen photographische Platten belichteten und bei geeigneten Stoffen Phosphoreszenz hervorrufen.

Eigenschaften

Im Gegensatz zu den Photonen elektromagnetischer Strahlen besitzen Elektronen eine Ruhemasse von 9,109 382 91(40) · 10−31 kg und eine elektrische Ladung von 1,602 176 565 (35) · 10−19 C (Elementarladung). Damit besteht ein Elektronenstrahl aus bewegten Ladungen, er ist also ein elektrischer Strom und erzeugt somit ein Magnetfeld. Elektronenstrahlen lassen sich daher elektrostatisch und magnetisch mit einem Ablenksystem ablenken.

Aufgrund der gleichnamigen Ladung der Elektronen im Elektronenstrahl hat dieser das Bestreben auseinanderzulaufen. Dem wirkt man mit elektrostatischer oder magnetischer Bündelung (Fokussierung) entgegen (siehe Elektronenoptik).

Streugesetz

Lenard fand das Streugesetz:

N(x)=N_{0}e^{-\alpha \cdot x}

mit:

N_{0} = Zahl der Elektronen vor der Folie, \alpha = Absorptionskoeffizient, x = Foliendicke.

Es gab vielerlei Versuche, die Masse der Teilchen zu bestimmen, aus denen die Kathodenstrahlen bestanden. Dies jedoch gelang erst Joseph John Thomson (1856–1940). Thomson setzte ein stark verbessertes Vakuum ein und konnte das Verhältnis der Ladung zur Masse durch elektrostatische Ablenkung der Kathodenstrahlen bestimmen.

Anwendungsbereiche

Die erste nennenswerte technische Anwendung fand die Elektronenstrahlung als gerichtetes Strahlenbündel in der Braunschen Röhre, die von Karl Ferdinand Braun (1850–1918) entwickelt wurde. Der Kathodenstrahl wird auf einem fluoreszierenden Schirm im Innern der Röhre sichtbar, wenn er auf diesen auftrifft. Anwendungen sind der Kathodenstrahloszillograph und die Bildröhre.

Beschleunigte gepulste abgelenkte Elektronenstrahlen mit relativistischer Geschwindigkeit dienen an Synchrotrons u.a. als Quelle für elektromagnetische Strahlung (Synchrotronstrahlung) vom Infraroten bis zu weicher Gammastrahlung (siehe auch Freie-Elektronen-Laser).

Elektronenstrahlen wechselwirken stark mit Materie, so erhitzt sich beispielsweise ein Festkörper, wenn er mit Elektronenstrahlen bestrahlt wird. Ausgenutzt wird dies unter anderem zum Aufschmelzen von Materialien beispielsweise beim Elektronenstrahlschmelzen oder als Heizer beim Elektronenstrahlverdampfer. Über eine entsprechende Strahlführung lassen sich auch Strukturen im Mikrometerbereich leicht beeinflussen, z.B. Widerstandsabgleich.

In der Metallbearbeitung werden Elektronenstrahlen hoher Leistung (Größenordnung 100 kW) zum Schmelzen, Härten, Glühen, Bohren, Gravieren und Schweißen eingesetzt. Die Bearbeitung geschieht meist im Vakuum (mindestens 10−2 mbar). Beim Elektronenstrahlschweißen an Atmosphärendruck (engl. non-vacuum electron beam welding, NVEBW) kann ein Elektronenstrahlschweißvorgang jedoch auch unter Normaldruck geschehen. Hier muss der Arbeitsabstand zwischen Strahlaustritt und Werkstück zwischen 6 und 30 mm liegen, der Übergang vom Hochvakuum zum Atmosphärendruck geschieht dann über mehrere Druckstufen. Beim WIG-Schweißen wird ebenfalls ein Elektronenstrahl verwendet.

Den Elektronen eines Elektronenstrahles lassen sich nach Louis de Broglie entsprechend ihrer Energie auch Wellenlängen zuordnen, sie sind aber selbst keine elektromagnetische Welle. Ihre De-Broglie-Wellenlänge liegt für typische Energien dabei weit unterhalb eines Nanometers. Elektronenstrahlen weisen daher keine Einschränkungen des Auflösungsvermögens aufgrund von Beugungserscheinungen auf. Aufgrund der ausgeprägten Wechselwirkung mit Materie werden Elektronen zur Abbildung und Analyse der inneren Struktur und der Oberfläche von Festkörpern eingesetzt (siehe Elektronenmikroskop, Photoelektronenspektroskopie und Elektronenstrahlmikroanalyse). Sie eignen sich auch zur Herstellung feinster Strukturen im Nanometerbereich, beispielsweise bei der Elektronenstrahllithografie.

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Basierend auf einem Artikel in Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.01. 2020