Bodeneffektfahrzeug
Ein Bodeneffektfahrzeug, in russischer Sprache auch Ekranoplan ( englisch wing-in-ground-effect oder WIG), ist ein Fluggerät, das in geringster Höhe über ebene Oberflächen, meist Wasser fliegt, um den Bodeneffekt auszunutzen. Der Russische Name Ekranoplan steht dabei nicht als Synomym für Bodeneffektfahrzeuge schlechthin sondern bezeichnet eine spezielle russische Entwicklung unter den bisher bekannten Bodeneffektfahrzeugen. Eine Differenzierung zwischen Bodeneffektfahrzeugen, die freiflugfähige Luftfahrzeuge sind, und den tatsächlich an den bodennahen Bereich gebundenen Bodeneffektfahrzeugen ist nötig. Erklärbar wird diese Unterscheidung durch die genaue Beschreibung des Bodeneffektes.
Bodeneffektfahrzeuge sind verwendungstechnisch auf Sparsamkeit, große Reichweite und/oder erhöhte Zuladung ausgelegt und können in ihren Einsatzmöglichkeiten die Lücke zwischen schnellen Luft- und transportstarken Wasserfahrzeugen schließen. Je nach Bauart werden sie unter spezielle Wasserfahrzeuge oder eigentliche Flugzeuge geordnet. Bodeneffekt-Luftfahrzeuge sind aber eingeschränkter einsatzfähig als Flugzeuge und weniger effektiv als Schiffe, Bodeneffekt-Wasserfahrzeuge oder Landfahrzeuge stellen eine wirtschaftlich erfolgreiche Alternative für den Einsatz von Luftfahrzeugen oder Wasserfahrzeugen dar.
Bauformen
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Bodeneffektfahrzeugen, die
freiflugfähigen Einflügler nach dem Prinzip Alexander Lippisch,
Hanno Fischer und Alexejew (Ekranoplan) und ein ausschließlich im Bodeneffekt
arbeitendes Tandem Airfoil Flairboat des Dipl.Ing. Günther W. Jörg.
Bei den einflügeligen Bodeneffektfahrzeugen,
die auch als Flugzeuge den Bodeneffekt verlassen können, müssen zur Regulierung der Flughöhe im
bodennahen Bereich zusätzliche konstruktive Maßnahmen getroffen werden, meist
elektronischer Art (Stabilisatoren).
Die zweite Art von Bodeneffektfahrzeugen arbeitet nach dem Prinzip eines Stauflügelfahrzeuges mit Tandemflügeln völlig eigenstabil ohne zusätzliche Hilfsmittel und kann den Bodeneffekt nicht verlassen. Das Problem des plötzlichen Hochschießens der einflügeligen Bodeneffektfahrzeuge tritt bei den Tandem Airfoil Flairboaten konstruktionsbedingt nicht auf.
Im Bodeneffekt halten einflügelige Bodeneffektfahrzeuge, abgesehen vom Problem des plötzlichen Hochschießens, ihre Flughöhe bedingt eigenstabil. Beim "Kaspischen Seemonster" der Sowjetunion ist die Auswirkung des Bodeneffekts so groß, dass, wenn der Bodeneffekt einmal erreicht worden ist, nur noch zwei Triebwerke arbeiten müssen, um das Fluggerät voll beladen und höhenstabil auf Reisefluggeschwindigkeit zu halten. Die anderen Triebwerke werden nach Erreichen des Bodeneffekts und der Reisefluggeschwindigkeit abgeschaltet. Langstreckenflüge ohne Zwischenlandung sind effektiver.
Bei erhöhter Antriebsleistung können die meisten Bodeneffektfahrzeuge kurzfristig auch in den freien Flug übergehen, z.B. um Hindernisse zu überwinden. Die mögliche Zeit des Freiflugs und somit auch die zwischen zwei bodeneffektfähigen Untergründen überbrückbare Strecke ist durch die mitgeführten Kraftstoffreserven limitiert, die ohne Bodeneffekt deutlich schneller zur Neige gehen als bei echten Flugzeugen mit vergleichbarer Masse. Ökonomische Einsparungen hängen deshalb vor allem von der Routenplanung bzw. dem bestimmungsmäßigem Gebrauch ab.
Mit großen Bodeneffektfahrzeugen wie den russischen Ekranoplanen, ist das Landen und Starten an Land auf Grund gewaltiger Start- und Landestrecken nicht möglich, ohne die derzeit existierenden Start- und Landebahnen der Landflugplätze deutlich auszubauen. Das Problem des teuren, platz- und masseverbrauchenden Fahrwerks wurde bei diesen Maschinen nicht gelöst. Sie sind ausschließlich auf die Wasserung ausgelegt. Kleinere Hybridmaschinen können oft feste Startbahnen nutzen..
Strömungsabriss
Bei Bodeneffektfahrzeugen ist die Tragfläche im Verhältnis zur Rumpflänge kürzer als bei Fluggeräten, die für größere Flughöhen konstruiert wurden. Da die Wirbelschleppe sich von den Tragflüchenspitzen aus nach hinten kegelförmig ausbreitet, können sich bei einem Bodeneffektfahrzeug die Kegel der Wirbelschleppen der beiden Tragflächenenden noch vor dem Rumpfende treffen. Wenn das geschieht, sinkt das Heck schlagartig ab, das Fahrzeug steigt erst steil nach oben, um dann, den Bodeneffektflug verlassend, seine Mindestfluggeschwindigkeit zu unterschreiten und durch einen Strömungsabriss an den Tragflächen abzustürzen.
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, um dem zu begegnen:
- Das Heckleitwerk so hoch bauen, dass das Zusammentreffen der Wirbelschleppen das Höhen- und Seitenruder nicht erreicht.
- Die Spannweite vergrößern, damit die Wirbelschleppen sich erst hinter dem Bodeneffektfahrzeug treffen. Das würde allerdings die Manövrierfähigkeit negativ beeinflussen und das Leergewicht stiege deutlich an.
- Die Steuerung mit sogenannten "Entenflügeln" vom Heck an den Bug verlegen.
- Den Gewichtsschwerpunkt nach vorne verlegen.
- Die Tragflächen so formen, dass die Wirbelschleppe sich nicht kegelförmig, sondern verwirbelt nach hinten ausbreitet und dieser Wirbel das Heck des Bodeneffektfahrzeuges nicht berührt.
- Schließlich kann man die Elektronik das Flugzeug fliegen lassen, um dem plötzlichen Aufsteigen rechtzeitig begegnen zu können.
Im Westen war es üblich, rein aerodynamische Wege zu finden. Im Osten brachte man alle Triebwerke nach vorne, verlagerte also das Gewicht, baute das Heckleitwerk möglichst hoch und ließ die Elektronik (analoge Rechner und Röhrentechnologie) den Piloten unterstützend das Fliegen übernehmen.
Ein weiterer problematischer Effekt entsteht durch die Luftrolle, die einen starken Wind entgegen der Flugrichtung erzeugt und beim Flug über festen Untergrund Schäden an Bauwerken und Vegetation hinterlassen kann. Durch aerodynamische Störungen kann es insbesondere beim Wechsel der Bodenart (Wasser, Steppe, Buschland) zu Turbulenzen kommen, die zum Strömungsabriss oder zur Destabilisierung des Fluges führen können. Dies wird bei Bodeneffektfahrzeugen berücksichtigt, die im Binnenbereich eingesetzt werden und z.B. Landstrecken zwischen zwei Seen überfliegen müssen. Durch zusätzlich benutzte Triebwerke steigt der Treibstoffverbrauch. Zur Erhöhung der Flugsicherheit können Flugschneisen mit dem Piloten vertrauten Bodenarten benutzt werden. Wenn technisch möglich, können diese Fahrzeuge bei bewaldetem oder bergigem Gelände kurzzeitig in den freien Flug übergehen und die Luftrolle verlassen.
Entwicklungen
Im Westen wurden die ersten erfolgreichen Tests von reinen als Bodeneffektfahrzeuge entworfenen Fluggeräten 1971 mit der von Professor Alexander Lippisch entwickelten X-113 durchgeführt. Eine Reihe von Testflügen über dem Bodensee bestätigten das Funktionsprinzip, zeigten aber, dass der für den Praxisbetrieb wichtige stabile Flugzustand mit dem Prototyp von nur 5,89 m Spannweite so dicht über der Oberfläche erzielt wurde und dass der geringste Wellengang einen Flug im Bodeneffekt unmöglich machte. Aufbauend auf der X-113 wurde im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums von der Firma Rhein-Flugzeugbau das sechssitzige, amphibische Muster RFB X-114 als Erprobungsträger gebaut, bevor die weitere Entwicklung aufgegeben wurde.
Ausgehend von den Erkenntnissen der Testreihe der X113 von Prof. Lippisch, erkannte der Ingenieur Günther W. Jörg die Störanfälligkeit des Systems in der praktischen Anwendung. Für einen Piloten war es nur kurzzeitig und unter höchster Konzentrationsleistung möglich, im Bodeneffektflug das Verhalten der X113 stabil zu steuern. Als Ergebnis einer systematischen Modellreihe weg vom einflügeligen Bodeneffektfahrzeug über verschiedene Flügelformgebungen entsteht das Konstruktionsprinzip der Tandem-Airfoil-Flairboote. Mit dem zweiflügeligen Tandem Airfoil Flairboat wird ein exzellentes Flugverhalten bei gleichzeitiger Eigenstabiltät des Systems im Bodeneffekt erreicht. Infolge der selbstregulierenden Flugeigenschaften ist ein Verlassen des Bodeneffektes für das Fahrzeug nicht möglich, ein Tandem-Airfoil-Flairboot wird daher auch als Bodeneffektfahrzeug Typ A klassifiziert.
Erste bemannte Tandem-Airfoil-Flairboote der Baureihe TAF wurden bereits im Jahre 1973 / 1974 gebaut und 1974 vom damaligen Bundesministerium für Verkehr als Schiffe zugelassen. Eine Baureihe von 16 bemannten Fahrzeugen in unterschiedlichen Größen und Werkstoffkombinationen folgte in den Jahren bis 2004. Im Jahre 1984 wurde Günther Jörg für seine Forschungsergebnisse mit dem Phillip-Morris-Forschungspreis ausgezeichnet. Zur Zeit werden die Forschungsergebnisse der Baureihe weiter umgesetzt und auf neueste Technologien übertragen.
Das Rostocker Unternehmen Meerestechnik Engineering GmbH (MTE) hat ein achtsitziges Bodeneffektfahrzeug namens "Seafalcon" entwickelt. Seit Ende 2006 wird er auf der Warnow in Rostock und auf der Ostsee vor Warnemünde getestet. Das Fahrzeug entspricht nach seiner Klassifizierung einem Wasserfahrzeug (Boot) und ist wie viele ähnliche Konstrutionen nicht für den landgestützen Betrieb ausgelegt. Als Antrieb werden zwei leicht modifizierte Dieselmotoren mit jeweils 136 PS der A-Klasse von Daimler-Benz verwendet. Der Kasko des Fahrzeuges wurde vollständig aus faserverstärkten Kunststoffen hergestellt. Daher besitzt das Fahrzeug eine extrem geringe Masse.
Sowjetisches Ekranoplan
Die sowjetische Marine baute unter dem Namen Ekranoplan eine Anzahl sehr großer Bodeneffektfahrzeuge, wovon im Westen durch Satellitenaufnahmen erstmals das Caspian Sea Monster ("kaspisches Seeungeheuer") bekannt wurde. Die offizielle Bezeichnung des Schiffs war "KM", eine Abkürzung vom russischem - "Makettschiff". Es entstand 1964 und hatte eine Spannweite von nur 40 m bei einer Länge von 106 m und einem Gewicht von bis zu 540 t - seinerzeit das Doppelte der schwersten Flugzeuge. Angetrieben von zehn Strahltriebwerken, erreichte die Maschine bis zu 750 km/h bei 280 t Nutzlast. Allerdings wurden acht der zehn Triebwerke allein für das Abheben von der Wasseroberfläche benötigt. Sie war darauf ausgelegt, Atomraketen zu tragen und zu starten.
Die Maschinen waren äußerst träge im Flug, schwer lenkbar und hatten einen extrem großen Wendekreis. Beim Wechsel der Flugrichtung um 180° konnte ein Wassern, Drehen im Wasser und anschließendes Neustarten taktisch günstiger sein. Der militärische Vorteil dieser Maschinen gegenüber Schiffen und U-Booten lag neben der hohen Geschwindigkeit auch darin, dass sie während des Flugs keinen Tiefgang hatten und daher nicht vom aktiven Sonar gegnerischer Boote erfasst wurden. Gegenüber Flugzeugen bestand der Vorteil neben der großen Nutzlast in der geringen Flughöhe, was die Radarerfassung erschwerte. Die hohe Nutzlast ermöglichte es, Material oder Lazarett-Einrichtungen zu transportieren, die im Zielgebiet sofort genutzt werden können.
Der technische Fortschritt hat jedoch beide Vorteile inzwischen beseitigt. Moderne Flugzeuge können durchaus auch Tiefflieger, Hubschrauber und Bodeneffektfahrzeuge wahrnehmen. Die Möglichkeiten moderner Satellitenüberwachungen und Überwachungsflugzeuge beseitigten das Flugüberwachungsradarloch in niedrigen und niedrigsten Flughöhen. Zivile Anwendungsmöglichkeiten werden heute im Katastrophenschutz und schneller Hilfe bei Unfällen auf hoher See gesehen. Eine international verfügbare Anwendung der Technik gibt es jedoch gegenwärtig nicht.
Bodeneffekt bei anderen Fahrzeugen
Die als Surface Effect Ships bezeichneten Hybride aus Schiff und Luftkissenfahrzeug sind, wie auch reine Luftkissenfahrzeuge, keine Bodeneffektfahrzeuge im eigentlichen Sinn, da sie ihren "Schwebeffekt" nicht aerodynamisch durch den Vortrieb erreichen, sondern "autoerzeugt" durch einen oder mehrere nach unten gerichtete Luftströme, die zwischen Seitentaschen "gefangen" sind und während des Vortriebes "mitgenommen" werden. Der namensgebende Begriff surface effect ist an dieser Stelle vom Bodeneffekt (engl. ground effect) zu unterscheiden.
Die an einer Stelle schwebenden Hubschrauber befinden sich im Moment des Schwebeflugs (Hover) auch in geringen Flughöhen nicht im Bodeneffekt, da sie in diesem Moment streng aerodynamisch betrachtet eher übermotorisierten Luftkissenbooten ohne Seitentaschen gleichen und nicht den auf "Luftrollen" "reitenden" Bodeneffektfahrzeugen. Befindet sich ein Hubschrauber jedoch im Tiefflug in Bewegung, kann er, wie jedes andere Fluggerät auch, in einen ökonomisch sinnvollen Bodeneffektflug geraten.
Im Überschallflug befindliche Luftfahrzeuge sind auch in kleinster denkbarer Flughöhe nicht mehr dazu in der Lage, den Bodeneffektes zu nutzen, da die "Luftrolle" bei Überschallgeschwindigkeit überholt und abgehängt wird.
Bei Zeppelinen, Blimps und anderen (Halb-) Luftschiffen ist der Bodeneffekt unerwünscht, weil er die Struktur gefährdet, weshalb diese Fluggeräte gerne in Flughöhen ab eineinhalbfacher Rumpflänge betrieben werden. Dieses Beispiel dokumentiert auch, dass der Bodeneffekt nicht alleine von der Existenz von Tragflächen abhängig ist, sondern dass ein beliebig geformter Rumpf eines Fluggerätes zum Bodeneffekt beiträgt.
Das Bodeneffektluftkissenfahrzeug
Kombinierte Fahrzeuge aus Luftkissenfahrzeug und Bodeneffektfahrzeug werden z.B. von einem Hersteller in den USA unter der geschützten Bezeichnung "Hoverwing" hergestellt und beruhen auf der konstruktiven Idee, aus den sehr verbrauchsintensiven Luftkissenfahrzeugen ökonomisch sinnvoller zu betreibende Geräte zu machen, was die Betriebskosten deutlich senken und für alle Anwender die möglichen Reichweiten von Luftkissenfahrzeuge signifikant erhöhen würde. Außerdem könnten auch große Bodeneffektluftkissenfahrzeuge überall (auch an Land) starten, landen und betrieben werden.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 21.04. 2021