Fluktuations-Dissipations-Theorem
In der Statistischen Physik leitet sich im Rahmen der sogenannten „linear response“-Theorie das Fluktuations-Dissipations-Theorem quantitativ-rigoros aus dem statistischen Operator des Systems ab, und zwar am besten mit Hilfe der sogenannten LSZ-Reduktion oder der damit zusammenhängenden Källén-Lehmann-Darstellung. Das Fluktuations-Dissipations-Theorem stellt den Zusammenhang zwischen spontanen Schwankungen eines System im Gleichgewicht und der Reaktion des Systems auf externe Störungen her. Es handelt sich um eines der grundlegendsten und schwierigsten Ergebnisse der Quantenstatistik, das hier in voller Allgemeinheit nicht wiedergegeben werden kann.
Übersicht
Inhaltlich besagt das Theorem, dass die Reaktion eines Systems im thermischen Gleichgewicht auf eine kleine äußere Störung die gleiche ist wie seine Reaktion auf spontane Fluktuationen und dass speziell der sogenannte „dissipative Anteil“ dieser Reaktion (d.h. der „Reibungsanteil“) direkt zu den Fluktuationen proportional ist. Dies kann genutzt werden, um eine explizite Beziehung zwischen Molekulardynamik im thermischen Gleichgewicht und der makroskopischen Reaktion auf kleine zeitabhängige Störungen herzustellen, die in dynamischen Messungen beobachtet werden können. Dadurch erlaubt das Fluktuations-Dissipations-Theorem, mikroskopische Modelle der Gleichgewichts-Statistik zu benutzen, um quantitative Vorhersagen über Materialeigenschaften zu machen, auch wenn diese Abweichungen vom Gleichgewicht beschreiben.
Dissipativer und reaktiver Anteil der Reaktionsfunktion (gerader und ungerader Anteil im Frequenzspektrum) sind über sogenannte Kramers-Kronig-Beziehungen miteinander verknüpft.
In seiner ursprünglichen Form besagt das Fluktuations-Dissipations-Theorem, dass die Reibung eines in einem Lösungsmittel suspendierten Teilchens in quantitativem Zusammenhang mit den von den Flüssigkeitsmolekülen hervorgerufenen Teilchen-Fluktuationen steht.
Das genannte Theorem ist aber u.a. in folgender Hinsicht eine
wesentliche Verschärfung: Es betrifft nicht nur thermische, sondern auch
Quanten-Fluktuationen, und zwar in ganz präziser, aber sehr komplexer Weise. Es
sei nur vermerkt, dass nach dem Theorem, das aus zwei quantenmechanisch
messbaren Größen
und
in bestimmter Art gebildete Fluktuationsspektrum
und das zugehörige Dissipationsspektrum
als Funktion von Kreisfrequenz
und Temperatur
(in Kelvin)
folgendermaßen zusammenhängen
d.h. die beiden Größen
und
sind in präziser Weise zueinander proportional. Dabei wird Ergodizität
vorausgesetzt (d.h. das Theorem gilt z.B. nicht für Glas-Systeme). Die Funktion
ist der hyperbolische
Cotangens,
die Boltzmann-Konstante
und
ist das Plancksche
Wirkungsquantum, geteilt durch
.
Für hohe Temperaturen, niedrige Frequenzen bzw. allgemein unter klassischen
Bedingungen,
,
vereinfacht sich der Vorfaktor vor
zu
Nachdem Vorläufer schon länger bekannt waren, bewiesen Herbert B. Callen und Theodore Welton 1951 ein allgemeines Fluktuations-Dissipations-Theorem. Einen Überblick über die Komplexität der mathematischen Voraussetzungen bietet der Artikel von Ryogo Kubo.
Anwendungen des Theorems
Einstein-Relation
Einstein merkte 1905 in seiner Veröffentlichung zur Brownschen Molekularbewegung an, dass dieselben zufälligen Kräfte, die die ziellose Bewegung eines Teilchens aufgrund der Brownschen Bewegung bewirken, einen Widerstand hervorrufen, wenn das Teilchen durch die Flüssigkeit gezogen wird. Anders gesagt: Die Fluktuationen des eigentlich in Ruhe befindlichen Teilchens haben denselben Ursprung wie die dissipative Reibungskraft, gegen die man arbeiten muss, wenn man das Teilchen in eine bestimmte Richtung zieht. (Ein ähnliches Resultat erreichte Marian Smoluchowski 1906).
Aufgrund dieser Beobachtung war es ihnen möglich, mithilfe der Statistischen Mechanik eine unerwartete Beziehung herzuleiten, die Einstein-Smoluchowski-Beziehung:
Sie verknüpft die Diffusionskonstante
(entsprechend der fluktuierenden Kraft) mit der Mobilität
der Teilchen (entsprechend der Dissipation).
Hierbei ist
das Verhältnis der Endgeschwindigkeit (Driftgeschwindigkeit)
,
die das Teilchen unter der Wirkung einer äußeren Kraft
erreichen kann. Weiter ist
die Boltzmann-Konstante
und
die absolute
Temperatur.
Langevin-Gleichung
Für die fluktuierende Kraft
in einer Langevin-Gleichung
gilt das als „weißes Rauschen“ bezeichnete Gesetz:
.
Thermisches Rauschen in einem elektrischen Widerstand
Fließt bei einem Widerstand kein Strom, so gilt
Hierbei ist
die Spannung,
der Widerstand und
die Bandbreite, über die die Spannung gemessen wird.
Dieses Johnson-Nyquist-Rauschen
wurde 1928 von John
B. Johnson entdeckt und von Harry
Nyquist erklärt.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 30.03. 2023