Huygenssches Prinzip
Das huygenssche Prinzip bzw. Huygens-Prinzip, auch huygens-fresnelsches Prinzip genannt (nach Christiaan Huygens und Augustin Jean Fresnel), besagt, dass jeder Punkt einer Wellenfront als Ausgangspunkt einer neuen Welle, der so genannten Elementarwelle, betrachtet werden kann. Die neue Lage der Wellenfront ergibt sich durch Überlagerung (Superposition) sämtlicher Elementarwellen. Da die Elementarwelle eine Kugelform bzw. Kreisform hat, bildet sich auch eine rücklaufende Welle. Aus dem huygensschen Prinzip folgen viele Spezialfälle, wie Beugungserscheinungen im Fernfeld (Fraunhoferbeugung) oder Nahfeldbeugung (Fresnelbeugung).
Huygenssches Prinzip in der Physik
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Das Konzept wurde 1678 von Christiaan Huygens vorgeschlagen, um die Ausbreitung von Licht zu erklären. Demnach ist jeder Punkt, der von einer Wellenfront erreicht wird, Ausgangspunkt für eine kugel- bzw. kreisförmige Elementarwelle, welche sich im selben Ausbreitungsmedium mit gleicher Geschwindigkeit ausbreitet wie die ursprüngliche Welle. Die sich weiter ausbreitende Wellenfront ergibt sich als äußere Einhüllende der Elementarwellen. Huygens nahm an, dass die Elementarwellen nicht rückwärts, sondern nur in Ausbreitungsrichtung wirken, konnte jedoch keine qualitative Erklärung dafür geben.
An der Grenze zweier Medien, in denen die Wellen eine andere Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzen, ändert eine Wellenfront, die nicht senkrecht auftrifft, ihre Richtung. Die Theorie von Huygens bot damit eine einfachere Erklärung für die Reflexion und Brechung von Licht, als dies mit der Korpuskeltheorie von Newton möglich war.
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Im Jahr 1816 konnte Augustin Fresnel dieses Prinzip erweitern und damit die Beugung von Licht an Hindernissen erklären. Er zeigte, dass sich nach dem Prinzip der Interferenz die resultierende Welle durch Superposition aller Elementarwellen berechnen lässt. Unter anderem sagte Poisson voraus, dass bei Beugung von Licht an einem runden Objekt ein Poisson-Fleck entsteht. Die experimentelle Bestätigung dieses Phänomens war ein Sieg der Wellenoptik gegenüber der damals verbreiteten Korpuskeltheorie. Gustav Kirchhoff zeigte dann, wie sich das huygenssche Prinzip aus den Maxwell-Gleichungen herleiten lässt, und präsentierte die präzisere Lösung in Form der kirchhoffschen Beugungsintegrale.
Als Ausbreitungsmedium der Lichtwellen postulierte Huygens den Äther. Dieser wird seit der allgemeinen Akzeptanz der 1905 publizierten speziellen Relativitätstheorie Albert Einsteins nicht mehr als physikalisches Konzept benötigt. Der scheinbare Widerspruch zwischen dem Teilchen- und Wellencharakter von Licht wird in der Quantenmechanik aufgelöst. In diesem Zusammenhang wird das huygenssche Prinzip in Form des Zeigermodells zur anschaulichen Erklärung der Ausbreitung von Wahrscheinlichkeitswellen benutzt.
Huygenssches Prinzip in der Mathematik
In der Mathematik findet das huygenssche Prinzip in der Theorie der
partiellen Differentialgleichungen Anwendung. Es besagt, dass Wellengleichungen
eine hintere Wellenfront in den Räumen
für
besitzen. Man spricht von der Existenz einer hinteren Wellenfront, wenn sich
eine Störung der Ausgangsdaten in einer Umgebung eines Punktes nicht auf die
Lösung der Wellengleichung für hinreichend große Zeiten t auswirkt.
Erklärung des huygensschen Prinzips an der einfachen Wellengleichung
Als Anfangsdaten (für )
gilt:
mit
als Zeitvariable und
als Ortsvariable.
Der Fall n = 1
Nach der d'Alembertschen Lösungsformel gilt für :
Stören wir das Anfangsdatum
im Intervall
,
dann erkennt man anhand der obigen Formel, dass für den Punkt
die Störung zum Zeitpunkt
keinen Einfluss mehr hat, denn die Anfangsdaten
und
wurden nicht gestört. Für
gilt das huygenssches Prinzip.
Sei
und man störe das Anfangsdatum
in
.
Dann wird man feststellen, dass für jeden Zeitpunkt T die Störung noch
Auswirkungen auf die Lösungen
hat, denn man integriert über das "Störintervall":
Fazit: Im Eindimensionalen gilt das huygenssches Prinzip im Allgemeinen
nicht, sondern es gilt nur für das Anfangsdatum .
Der Fall n = 2
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Die allgemeine Lösungsformel für den zweidimensionalen Fall (nach der Abstiegsmethode) lautet:
bezeichnet die (ausgefüllte) Kreisscheibe mit Mittelpunkt
und Radius
.
Anhand dieser Formel sieht man sofort, dass das huygenssches Prinzip nicht
gilt. Denn stört man die Anfangsdaten
oder
in einem Rechteck
dann wirkt sich die Störung auch noch zu jeden Zeitpunkt
für alle Punkte
aus, denn die Kreisscheibe
beinhaltet für diese Punkte
das Rechteck R. Also wird wieder über gestörten Daten integriert.
Der Fall n = 3
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Nach der Kirchhoffschen Formel lautet die Lösung für die Wellengleichung:
bezeichnet die Kugeloberfläche der Kugel mit Zentrum
und Radius
.
bezeichnet das Oberflächenelement der Kugel.
Mithilfe dieser Formel erkennt man sofort, dass im 3D-Fall das huygenssche
Prinzip gilt. Werden die Anfangsdaten
oder
auf einem Quader
gestört, dann wirkt sich diese Störung nicht auf die Lösung für die Punkte
x0∈Q für große
aus. Man muss nur
so groß wählen, dass die Kugeloberfläche den Quader komplett umschließt und
somit nicht mehr über die gestörten Daten Q integriert wird.
Offensichtlich muss
gelten.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.01. 2023