Verzögerungsplatte

Funktionsweise einer Wellenplatte (λ/2-Plättchen)

Eine Verzögerungs- oder Wellenplatte (auch: λ/n-Plättchen) ist ein optisches Bauelement, das die Polarisation und Phase von durchtretenden elektromagnetischen Wellen (meist Licht) ändern kann. Folgende Arten gibt es in der Kristalloptik:

Die Polarisationsänderungen kommen dadurch zustande, dass das Licht in zwei senkrecht stehende Polarisationsrichtungen zerlegt werden kann, die die Verzögerungsplatte mit unterschiedlicher Geschwindigkeit passieren, deren Phasen also gegeneinander verschoben werden. Ein solches Plättchen besteht typischerweise aus einem doppelbrechenden Kristall (zum Beispiel Glimmer) mit passend gewählter Dicke und Ausrichtung. Daneben gibt es auch Verzögerungsplatten, bei denen eine mechanisch vorgespannte Kunststofffolie zwischen zwei Glasplatten verkittet ist.

Funktionsweise

Diese Abbildung zeigt den sog. Brechzahlellipsoid für ein optisch positiv einachsiges Material, mit den zwei unterschiedlichen Brechungsindizes. Daneben ist gezeigt, wie sich zwischen ordentlichem und außerordentlichem Strahl (unterscheiden sich durch ihre Polarisation) ein Gang- (also auch Phasen-)Unterschied aufbaut, wenn die kristalloptische Achse senkrecht zur Einfallsrichtung steht. Über der Kristallgrenzfläche sind die unterschiedlichen Polarisationen des Lichtes angegeben. Die Kreise geben jeweils die Position einer Wellenfront an, die sich mit c/n durch den Kristall bewegt und von einem einzelnen Erregungszentrum ausgeht

Bei einer Verzögerungsplatte handelt es sich um eine dünne Scheibe von optisch anisotropem Material, also Material, welches für unterschiedlich polarisiertes Licht verschiedene Ausbreitungsgeschwindigkeiten c/n (bzw. verschiedene Brechungsindizes n) in verschiedenen Richtungen aufweist. Oft verwendete Materialien sind optisch einachsig, das heißt, es gibt zwei zueinander senkrechte Achsen im Kristall, entlang derer sich die Brechungsindizes unterscheiden. Man nennt diese ordentliche (der E-Vektor des Lichts ist senkrecht zur kristalloptischen Achse polarisiert) und außerordentliche Achse (der E-Vektor des Lichts ist parallel zur kristalloptischen Achse polarisiert). Die Schwingungsrichtung des Lichtes, bei der eine Welle die größere Ausbreitungsgeschwindigkeit hat, heißt „schnelle Achse“, die dazu senkrecht stehende Richtung entsprechend „langsame Achse“. Für Verzögerungsplatten werden die Kristalle so geschnitten, dass ihre kristalloptische Achse in der Ebene der polierten Eintrittsfläche liegt. An käuflich erhältlichen Platten wird üblicherweise die schnelle Achse markiert, so dass die Ausrichtung genau festgelegt werden kann.

Diese Abbildung zeigt, wie ein unter dem Winkel α zur kristalloptischen Achse polarisierter Strahl auf das Plättchen fällt und das elektrische Feld auf die schnelle und langsame Achse projiziert werden. Hier ist nur die kristalloptischen Achse (parallel zur langsamen Achse bei positiv doppelbrechenden Materialien) gezeichnet.

Im Folgenden soll die Funktionsweise eines solchen Wellenplättchens aus einem optisch positiv einachsigen Material (z.B. Quarz) beschrieben werden. Dabei fällt die langsame Achse mit der kristalloptischen Achse des Kristalls (Achse hoher Symmetrie im Kristallgitter) zusammen. Die Brechungsindizes entlang dieser Achsen seien mit n_{{{\mathrm  {schnell}}}} und n_{{{\mathrm  {langsam}}}} bezeichnet.

Licht, welches parallel zur schnellen Achse polarisiert ist, benötigt weniger Zeit zum Durchlaufen der Platte als Licht, welches senkrecht dazu polarisiert ist. Man kann sich das Licht in zwei linear polarisierte Komponenten senkrecht (ordentlicher Strahl) und parallel (außerordentlicher Strahl) zur kristalloptischen Achse aufgeteilt vorstellen. Nach dem Durchlaufen der Platte weisen die beiden Wellen eine Phasenverschiebung zueinander auf:

\Delta \varphi ={\frac  {2\pi }{\lambda }}\cdot d\cdot (n_{{{\mathrm  {langsam}}}}-n_{{{\mathrm  {schnell}}}})

Dabei ist d die Dicke des Plättchens und λ die Wellenlänge des eingestrahlten Lichtes. Die beiden Wellen überlagern sich hinter dem Kristall (Interferenz) zum ausgehenden Licht. Durch die (kohärente) Überlagerung dieser beiden Wellen ergibt sich eine neue Polarisation des Lichtes (Frequenz und Wellenlänge bleiben erhalten; siehe nächster Abschnitt). Wie in der Gleichung erkennbar ist, hat die Dicke einer Verzögerungsplatte entscheidenden Einfluss auf die Art der Überlagerung. Aus diesem Grund ist eine solche Verzögerungsplatte immer nur für eine bestimmte Wellenlänge ausgelegt.

Es sei noch bemerkt, dass die Aufspaltung in zwei Strahlen nur eine Art Rechentrick ist. In der Realität überlagern sich diese beiden Strahlen natürlich an jeder Stelle des Kristalls. Die Elektronen um die Kristallatome bilden lokale und momentane Dipole, die in einer Überlagerung der beiden Polarisationsrichtungen der Strahlen schwingen.

λ/4-Plättchen

λ/4-Plättchen als Zirkularpolarisator

Wählt man d in obiger Formel so, dass sich eine Phasenverschiebung um π/2 ergibt, so erhält man ein λ/4-Plättchen.

Animation der Funktionsweise eines λ/4-Plättchens
Funktionsweise eines λ/4-Plättchens

Trifft nun ein linear polarisierter Lichtstrahl, dessen Polarisationsrichtung um 45° zur kristalloptischen Achse gedreht ist, auf das Plättchen, dann entsteht zirkular polarisiertes Licht. Ist die Einstellung von 45° verschieden, so entsteht im allgemeinen Fall elliptisch polarisiertes Licht. Ursächlich hierfür ist, dass der Lichtstrahl in zwei senkrecht zueinander polarisierte Anteile aufgespalten wird, die sich am Ausgang des Plättchens um eine Viertelphase verschoben wieder überlagern. Damit entsteht für den resultierenden Feldvektor des austretenden Lichtstrahls eine Lissajous-Figur (Kreis oder Ellipse), die während jedes Schwingungszyklus eine vollständige Drehung der Polarisationsebene um 360° hervorruft. Man nennt ein λ/4-Plättchen daher auch Zirkularpolarisator. Umgekehrt verwandelt ein λ/4-Plättchen auch zirkular polarisiertes Licht in linear polarisiertes Licht.

Ist die Polarisationsrichtung des einfallenden Lichts dagegen parallel zu einer der Achsen, dann erhält man nach dem Plättchen wieder linear polarisiertes, aber phasenverschobenes Licht.

Zwei hintereinander geschaltete λ/4-Plättchen ergeben bei paralleler Ausrichtung ihrer optischen Achsen ein λ/2-Plättchen.

λ/2-Plättchen

Ergibt sich oben eine Verschiebung um π, so erhält man ein λ/2-Plättchen. Man kann ein solches Plättchen zur Drehung der Polarisationsrichtung benutzen. Wird Licht unter dem Winkel α zu einer kristalloptischen Achse eingestrahlt, so kommt das Licht unter dem Winkel −α (also um den Winkel 2α zur kristalloptischen Achse hin gedreht) wieder heraus.

Mathematische Beschreibung

Man betrachte eine linear in y-Richtung polarisierte, ebene Welle in z-Richtung

{\vec  {E}}(z,t)={\vec  {E}}_{0}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right]=E_{0}\cdot {\begin{pmatrix}0\\1\end{pmatrix}}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right].

Um eine physikalisch reale Größe zu beschreiben verwendet man nur den Realteil obiger komplexer Beschreibung, also:

{\vec  {E}}(z,t)={\vec  {E}}_{0}\cdot \cos \left[(\omega t-kz)\right]

Der Vektor {\vec {E}}_{0} ist ein Vektor in der x-y-Ebene. Dieser treffe nun senkrecht auf eine Verzögerungsplatte, deren schnelle Achse unter dem Winkel α zur y-Richtung verkippt ist (siehe Zeichnung oben). Wir wechseln nun in das Koordinatensystem der Achsen der Verzögerungsplatte. Dann wird {\vec  {E}}(z,t) auf die Achsen projiziert und man erhält:

{\vec  {E}}(z,t)={\begin{pmatrix}E_{\|}\\E_{\bot }\end{pmatrix}}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right]=E_{0}\cdot {\begin{pmatrix}\cos \alpha \\\sin \alpha \end{pmatrix}}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right].

Das Wellenplättchen bewirkt nun eine Phasenverzögerung \Delta \varphi der langsamen Achse (E_{\bot }-Anteil) gegenüber der schnellen Achse, man erhält also:

{\vec  {E}}(z,t)=E_{0}\cdot {\begin{pmatrix}\cos \alpha \\e^{{i\Delta \varphi }}\cdot \sin \alpha \end{pmatrix}}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right].

Für ein λ/4-Plättchen gilt e^{{i\Delta \varphi }}=i. Betrachtet man dann nur noch den Real-Teil der komplexen Schreibweise (entspricht der realen physikalischen Größe, z.B. E-Feld), so ergibt sich:

{\vec  {E}}(z,t)=E_{0}\cdot {\begin{pmatrix}\cos \alpha \cdot \cos \left[(\omega t-kz)\right]\\-\sin \alpha \cdot \sin \left[(\omega t-kz)\right]\end{pmatrix}}.

Dies entspricht aber einer Bewegung des E-Feldvektors in der x-y-Ebene in Raum und Zeit. Für α = 45° gilt \sin\alpha=\cos\alpha=\frac{1}{\sqrt{2}} und man erhält eine Kreisbahn für die Spitze des E-Feldvektors. Für andere Winkel ergibt sich eine Ellipse.

Bei einem λ/2-Plättchen gilt e^{{i\Delta \varphi }}=-1 und entsprechend:

{\vec  {E}}(z,t)=E_{0}\cdot {\begin{pmatrix}\cos \alpha \\-\sin \alpha \end{pmatrix}}\cdot \exp \left[i(\omega t-kz)\right].

Dies entspricht einer Drehung der Polarisation um den Winkel 2α.

Eleganter können diese Rechnungen im Jones- bzw. Müller-Formalismus durchgeführt werden. Diese eignen sich insbesondere für die Kombination mehrerer Verzögerungsplatten oder mit anderen optischen Elementen.

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 04.03. 2022