Vollständigkeit (Statistik)
Als Vollständigkeit bezeichnet man in der Schätztheorie, einem Teilgebiet der mathematischen Statistik, eine Eigenschaft von Verteilungsklasse, σ-Algebren oder messbaren Funktionen. Im Allgemeinen sind vollständige Verteilungsklassen „groß“, wohingegen vollständige σ-Algebren „klein“ sind.
Die Vollständigkeit spielt meist in Verbindung mit der Suffizienz eine Rolle. So liefert sie Kriterien für die Minimalsuffizienz oder die Existenz gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer mittels des Satzes von Lehmann-Scheffé.
Definition
Für Verteilungsklassen
Gegeben sei ein Messraum
und eine Menge
von Wahrscheinlichkeitsmaßen
auf diesem Messraum. Dann heißt
vollständig, wenn die Menge der
-Nullschätzer
-trivial
ist. Sprich für alle
gilt
.
Dabei bezeichnet
den Raum aller
-integrierbaren
Funktionen (siehe Lp-Raum).
Für σ-Algebren
Eine Unter-σ-Algebra
von
heißt vollständig für
,
wenn
vollständig auf dem Messraum
ist. Dabei bedeutet
,
dass man den Definitionsbereich aller Wahrscheinlichkeitsmaße in
auf die kleinere σ-Algebra
einschränkt.
Für Statistiken
Eine Statistik
heißt vollständig, wenn die von ihr erzeugte
σ-Algebra
vollständig ist bzw.
vollständig ist.
Häufig wird die Verteilungsklasse
mit einem Index
versehen, man schreibt dann
.
Formuliert man in dieser Schreibweise die Vollständigkeit aus, so erhält man die
gängige Definition:
Eine Statistik
heißt vollständig, wenn für alle integrierbaren
mit
immer folgt, dass
.
Erläuterung
Intuitiv zugänglicher ist die folgende Definition der Vollständigkeit einer
Verteilungsklasse: Eine Verteilungsklasse ist vollständig, genau dann wenn sie
eine trennende
Familie für
ist. Das heißt, für beliebige
mit
folgt
Die Verteilungsklasse
ist also groß genug, um alle Funktionen aus
unterscheiden zu können.
Gegenbeispiele
Seien
unabhängig
und identisch verteilte Zufallsvariablen mit Erwartungswert
und beschränkter Varianz.
Dann ist .
Die Funktion
ist also ein erwartungstreuer Schätzer von 0 und der Integrand ist nicht die Nullfunktion.
Präzisierungen
Beschränkte Vollständigkeit
Sei
die Menge der beschränkten Funktionen auf
.
Eine Verteilungsklasse
heißt beschränkt vollständig, wenn sie vollständig für
ist. Die Definitionen einer beschränkt vollständigen σ-Algebra und einer
beschränkt vollständigen Statistik folgen wie oben.
L-Vollständigkeit
Für eine gegebene Menge von Funktionen
heißt eine Verteilungsklasse
-vollständig,
wenn sie vollständig für
ist. Die Definitionen einer
-vollständigen
σ-Algebra und einer
-vollständigen
Statistik folgen wie oben.
Beschränkte L-Vollständigkeit
Die beiden obigen Begriffe lassen sich auch kombinieren: Eine
Verteilungsklasse heißt beschränkt -vollständig,
wenn sie vollständig für
ist. Die Definitionen einer beschränkt
-vollständigen
σ-Algebra und einer beschränkt
-vollständigen
Statistik folgen wie oben.
Anwendung
Statistische Vollständigkeit ist eine Voraussetzung für den Satz von Lehmann-Scheffé, in diesem Zusammenhang wurde der Begriff von E. L. Lehmann und H. Scheffé auch in die Statistik eingeführt. Die Sätze von Basu stellen einen Zusammenhang zwischen der Vollständigkeit, der Suffizienz und der Verteilungsfreiheit her.



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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.02. 2021