Regelfunktion
Unter einer Regelfunktion oder sprungstetigen Funktion versteht man in der Mathematik eine Funktion, deren einzige Unstetigkeitsstellen Sprungstellen sind. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Integrationstheorie. Die Bezeichnung „Regelfunktion“ (fonction réglée) wurde von der französischen Mathematiker-Schule eingeführt.
Definition
Es sei
ein offenes, halboffenes oder abgeschlossenes Intervall mit
Anfangspunkt
und Endpunkt
.
Eine reell- oder komplexwertige Funktion
bzw.
heißt Regelfunktion, falls sie
- in jedem Punkt
sowohl einen linksseitigen als auch einen rechtsseitigen Grenzwert besitzt und
- im Fall
in
einen rechtsseitigen Grenzwert und im Fall
in
einen linksseitigen Grenzwert hat.
Da links- und rechtsseitige Grenzwerte nicht übereinstimmen müssen, kann eine
Regelfunktion Sprungstellen aufweisen, das heißt Stellen, bei denen es eine
Folge
gibt, für die
gilt. Regelfunktionen werden daher auch als sprungstetige Funktionen
bezeichnet. Eine Regelfunktion heißt dabei stückweise stetig, falls sie
nur endlich viele Stellen besitzt, an denen sie nicht stetig ist,
und damit nur endlich viele Sprünge aufweist.
Die Definition kann verallgemeinert werden, indem man anstatt reell- oder komplexwertiger Funktionen Banachraum-wertige Funktionen betrachtet.
Beispiele
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- Regelfunktionen
- Jede stetige Funktion auf einem Intervall ist eine Regelfunktion ohne Sprungstellen.
- Die Heaviside-Funktion
und die Vorzeichenfunktion
sind auf einem Intervall um den Nullpunkt Regelfunktionen mit einer
Sprungstelle an der Stelle
.
- Jede reellwertige monotone Funktion auf einem Intervall ist eine Regelfunktion.
- Die Thomaesche Funktion ist eine Regelfunktion mit abzählbar vielen Sprungstellen. Sie ist daher nicht stückweise stetig.
- Keine Regelfunktionen
- Eine Funktion mit einer Polstelle innerhalb des betrachteten Intervalls ist keine Regelfunktion, denn an dieser Stelle existiert zumindest einer der Grenzwerte nur als uneigentlicher Grenzwert.
- Die Funktion
ist in keinem Intervall, das den Nullpunkt enthält, eine Regelfunktion, denn sie besitzt an der Stelle
keinen Grenzwert.
- Die Dirichlet-Funktion ist keine Regelfunktion, denn bei ihr existiert an keiner Stelle ein Grenzwert. Sie besitzt überabzählbar viele Sprungstellen.
Eigenschaften
Charakterisierung
Eine Funktion ist genau dann sprungstetig, wenn sie keine Unstetigkeitsstellen zweiter Art hat. Jede Regelfunktion auf einem kompakten Intervall ist beschränkt. Die umgekehrte Richtung muss jedoch nicht wahr sein, wie das Beispiel der Dirichlet-Funktion zeigt.
Räume von Regelfunktionen
Die Menge der Regelfunktionen auf einem Intervall
bilden einen Vektorraum,
der mit
bezeichnet wird.
Mit der Supremumsnorm
ist
ein Banachraum.
Mit dem (punktweisen) Produkt zweier Regelfunktionen handelt es sich dabei sogar
um eine Banachalgebra.
Approximierbarkeit
Jede Regelfunktion auf einem kompakten Intervall kann durch eine Folge von Treppenfunktionen
gleichmäßig approximiert werden. Das heißt, zu jeder Regelfunktion
bzw.
existiert eine Folge
von Treppenfunktionen, so dass
gilt, wobei
die Supremumsnorm ist. Umgekehrt ist jede Funktion auf einem kompakten
Intervall, die gleichmäßig durch Treppenfunktionen approximiert werden kann,
eine Regelfunktion. Deswegen kann diese Eigenschaft alternativ zur
Sprungstetigkeit benutzt werden, um Regelfunktionen zu definieren.
Integral von Regelfunktionen
Sei
eine Regelfunktion und
eine Folge
von Treppenfunktionen mit
,
wobei
die Supremumsnorm ist. Dann kann ein Integral
durch
definiert werden. Dieses Integral wird durch das Riemann-Integral verallgemeinert.
Literatur
- Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis II. Birkhäuser, Basel 1999,
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.02. 2021