Satz von Cauchy-Kowalewskaja
Der Satz von Cauchy-Kowalewskaja, benannt nach Augustin-Louis Cauchy und Sofja Kowalewskaja, ist ein Satz aus der mathematischen Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Er sichert die Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen einer solchen Gleichung, genauer des sogenannten Cauchy-Problems, unter geeigneten Analytizitätsvoraussetzungen.
Das Cauchy-Problem
Zunächst wird eine spezielle Form des Cauchy-Problems
betrachtet. Sei dazu
eine Funktion in
Variablen, die wegen der besonderen Rolle der letzten Variable mit
geschrieben werden. Die
-te
Ableitung nach
sei mit
bezeichnet, für einen Multiindex
sei
eine Ableitung nach den ersten
Variablen.
Gegeben seien nun eine natürliche Zahl ,
Funktionen
für
und eine Funktion
in
Variablen. Das Cauchy-Problem fragt in dieser Situation nach einer Funktion
in den Variablen
,
die folgende Bedingungen erfüllt:
- (1)
- (2)
für
in einer Umgebung von 0. Dabei laufen die Variablen von
neben
und
über alle möglichen Multiindizes
der Länge
und natürliche Zahlen
mit
.
Die Stelligkeit von
wurde gerade so gewählt, dass dies möglich ist. Die Gleichung (1) ist dann eine
Bedingung an die
-te
Ableitung von
nach
,
die auf der rechten Seite nur von
-Ableitungen
kleinerer Ordnung abhängt. Durch (2) sind die
-Ableitungen
kleinerer Ordnung für
,
die sogenannten Rand- oder Anfangswerte, vorgeschrieben. Man nennt
und die
auch die Daten des Cauchy-Problems,
heißt Ordnung des Problems. Man beachte dazu, dass alle auftretenden Ableitungen
eine Ordnung kleiner gleich
haben und auf der linken Seite eine Ableitung der Ordnung
tatsächlich auftritt. Jede Funktion
,
die obige Gleichungen erfüllt, heißt eine Lösung des Cauchy-Problems.
Formulierung des Satzes
Der Satz von Cauchy-Kowalewskaja sagt aus:
Sind
und die Funktionen
in der obigen Formulierung des Cauchy-Problems analytisch, so gibt es in einer
Umgebung des Nullpunktes eine eindeutige analytische Lösung des Cauchy-Problems.
Allgemeinere Formulierung
In einer allgemeineren Formulierung betrachtet man Funktionen in
Variablen
,
ohne eine dieser Variablen besonders auszuzeichnen. Es ist ein Punkt
aus einer hinreichend glatten
Hyperfläche
mit Normalenfeld
vorgegeben. Die Normalenableitung in Richtung
werde mit
bezeichnet.
Nun seien Funktionen
und eine Funktion
mit
Stellen gegeben. Im allgemeinen Cauchy-Problem fragt man nach Funktionen
mit
- (1)
- (2)
auf
in einer Umgebung von .
In dieser Form handelt es sich im Allgemeinen nicht um ein korrekt
gestelltes Problem und man kann keine Existenz- und Eindeutigkeitsaussagen
erwarten, auch dann nicht, wenn ,
und die
als analytisch vorausgesetzt werden. Man benötigt dazu die zusätzliche
Voraussetzung, dass man (1) nach einer höchsten Ableitung auflösen kann. Aber
dann kann man die vorliegende Situation durch eine geeignete
Koordinatentransformation auf die oben beschriebene speziellere Formulierung des
Cauchy-Problems transformieren. Das kann man dann so tun, dass die Analytizität
der Funktionen erhalten bleibt, und dass
auf die Hyperfläche
und der Punkt
auf 0 abgebildet werden. Man spricht dann von einem sogenannten
nicht-charakteristischen Cauchy-Problem. Die Anfangsdaten müssen auf einer
Hyperfläche vorgegeben werden, die keine Charakteristik
der partiellen Differentialgleichung ist (oder tangential zu einer
Charakteristik ist). Salopp kann man den Satz von Cauchy-Kowalewskaja auch so
aussprechen, dass ein nicht-charakteristisches analytisches Cauchy-Problem
lokal, das heißt in einer Umgebung von
,
eine eindeutige analytische Lösung besitzt.
Bemerkungen
Für eine positive Zahl
hat das Cauchy-Problem
- (1)
- (2)
offenbar die Lösung
,
wie man leicht nachrechnet. Lässt man nun
gehen, so konvergieren die Cauchy-Daten gleichmäßig gegen 0. Die Lösung hingegen
oszilliert immer schneller und konvergiert nicht für
.
Dieses auf J.
Hadamard zurückgehende Beispiel zeigt, dass die Lösung des Cauchy-Problems
nicht stetig von den Daten des Cauchy-Problems abhängt.
Weiter stellt sich die Frage, ob man im Satz von Cauchy-Kowalewskaja die Analytizitätsvoraussetzung zu „beliebig oft differenzierbar“ abschwächen kann. Das 1957 gefundene Beispiel von Lewy ist ein überraschend einfaches Beispiel eines Cauchy-Problems mit beliebig oft differenzierbaren Daten, das keine Lösung besitzt.
Literatur
- Sophie von Kowalevsky: Zur Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Reimer, Berlin 1874 (Dissertation von Sofja Wassiljewna Kowalewskaja, Universität Göttingen; erschienen unter der damals in Deutschland üblichen Schreibweise ihres Namens).
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.10. 2021