Zugversuch
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Der Zugversuch ist ein genormtes Standardverfahren der Werkstoffprüfung zur Bestimmung der Streckgrenze, der Zugfestigkeit, der Bruchdehnung und weiterer Werkstoffkennwerte. Er zählt zu den quasistatischen, zerstörenden Prüfverfahren.
Im Zugversuch werden standardisierte Proben mit definierter
Querschnittsfläche bis zum Bruch
gedehnt, wobei die Dehnung bzw. der Weg gleichmäßig, stoßfrei und mit einer
geringen Geschwindigkeit gesteigert wird. Während des Versuchs werden die Kraft
an der Probe und die Längenänderung
in der Messstrecke der Probe kontinuierlich gemessen. Aus der Kraft wird mit der
Querschnittsfläche der undeformierten Probe
die Nennspannung
:
berechnet, aus der Längenänderung
bestimmt man die Totaldehnung
mit Bezug auf die Ausgangslänge der Messstrecke
:
Das Ergebnis des Zugversuchs ist das Nennspannungs/Totaldehnungs-Diagramm. Daraus können die technischen Werkstoffkenngrößen abgelesen werden.
Werkstoffkenngrößen
: Elastizitätsmodul
- Elastizitätsgrenze
: Dehngrenze
: Untere Streckgrenze
: Obere Streckgrenze
: Zugfestigkeit
: Gleichmaßdehnung
bzw.
: Bruchdehnung der Zugprobe (im Diagramm als
gekennzeichnet)
Lüdersdehnung
: Brucheinschnürung
Beschreibung einer Zugverfestigungskurve
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Zu Beginn einer Beanspruchung verhalten sich viele Werkstoffe annähernd
linear-elastisch, d.h. die Verformung gegenüber der Ausgangslänge verschwindet
bei Entlastung wieder vollständig. Der zugehörige Werkstoffkennwert, der das
linear-elastische Verformungsverhalten beschreibt ist der Elastizitätsmodul
und entspricht der Steigung der sogenannten Hooke'schen
Geraden.
Bei Erreichen der Streckgrenze
setzt die erste erkennbare plastische Deformation ein (siehe Abbildung 1). Ab
diesem Punkt ist der Verlauf stark werkstoffabhängig. Häufig ist der Beginn
plastischer Deformation nicht durch ein Abknicken der Kurve (wie in der
Abbildung 1) eindeutig zu identifizieren. In diesen Fällen werden stattdessen
die Dehngrenzen
unter Angabe der verwendeten plastischen Deformation verwendet (häufig:
für die Dehngrenze bei 0,2 % plastischer Deformation).
Die dargestellte Zugverfestigungskurve beschreibt den schematischen Verlauf eines ferritisch-perlitischen Stahles mit ausgeprägten Streckgrenzeneffekten bei Weg- bzw. Dehnungsregelung. Austenitische Stähle, Vergütungsstähle oder duktile Nichteisenmetalle zeigen abweichende Kurvenverläufe. Bei nichtmetallischen Werkstoffen wie Kunststoffen, Keramiken oder Verbundwerkstoffen treten in der Regel deutlich andere Kurvenverläufe auf, da die mikrostrukturellen Prozesse der plastischen Deformation fast ausschließlich in metallischen Werkstoffen auftreten (Versetzungsbewegung). Im Vergleich dazu handelt es sich z.B. bei der bleibenden Verformung von Kunststoffen um die Auflösung und Neubildung sekundärer Bindungen (Wasserstoffbrückenbindungen, Dipol-Dipol- und Van-der-Waals-Kräfte).
Gemeinsam ist allen Werkstoffen, dass plastische Verformungen bei Entlastung
bestehen bleiben. Nur der elastische Anteil
an der Gesamtverformung
verschwindet wieder. Vor diesem Hintergrund können die Beträge der
Gleichmaßdehnung und der Bruchdehnung bestimmt werden, indem von der
Zugverfestigungskurve parallel zur Hooke'schen Geraden entlastet wird und der
Schnittpunkt mit der Abszisse
abgelesen wird. Bei allen Dehnungskennwerten handelt es sich demnach um
plastische Dehnungsanteile und es gilt für die Gesamtdehnung stets:
Das Maximum der Zugverfestigungskurve bezeichnet einen der wichtigsten
Werkstoffkennwerte: die Zugfestigkeit
.
Der zugehörige Dehnungskennwert ist die Gleichmaßdehnung, da bis hierher die
Proben keine makroskopische Einschnürung (Querschnittsverjüngung) zeigen.
Werkstoffe, die nicht bei Erreichen der Zugfestigkeit versagen, zeigen eine
deutliche Einschnürung. Beim Probenbruch kann dann die Bruchdehnung (
bzw.
)
wie im vorherigen Absatz beschrieben, ermittelt werden.
Probengeometrien
Die Zugproben sind für metallische Werkstoffe in der DIN 50125 (Ausgabe 2009-07) definiert.
Technische und physikalische Versuchsführung
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Im physikalischen Zugversuch werden kontinuierlich der wahre Querschnitt und
die wahre Länge der Probe gemessen und daraus die wahre Spannung und die wahre
Dehnung berechnet. Für technische Anwendungen wird die technische
Versuchsführung (Bezug auf Ausgangsquerschnitt
und -messlänge
)
aus Gründen der Einfachheit und besseren Erfassung der Dehnungskennwerte
bevorzugt. Außerdem entspricht die Zugfestigkeit auch der maximal ertragbaren
Kraft in Abhängigkeit von der Querschnittsfläche. Ab Erreichen der Zugfestigkeit
spricht man auch von einsetzendem Werkstoffversagen, da der Bruch eines Bauteils
in einer technischen Anwendung ab hier nicht mehr aufzuhalten ist.
Für die Versuchsdurchführung werden meist Universalprüfmaschinen mit PC-Kopplung oder X-Y-Schreiber> genutzt (Abbildung 4). Die Dehnung kann dabei über den Traversenweg der Maschine oder zusätzliche Dehnungsaufnehmer wie Extensometer oder Dehnungsmessstreifen direkt an der Probe aufgezeichnet werden. Die Ermittlung der Probendehnung anhand des Traversenweges wird durch die Verformung der Maschine unter Last sowie mechanisches Spiel im Kraftschluss zur Probe verfälscht. Extensometer umgehen dieses Problem, indem die Dehnungsmessung direkt an der Probe außerhalb des Kraftflusses erfolgt.
Normen
Der Zugversuch wird vornehmlich bei metallischen und synthetischen (Kunststoffe) Werkstoffen verwendet und ist unterschiedlich genormt.
Eine Auswahl aktueller Normen zum Zugversuch:
- Metalle: EN ISO 6892-1, ISO 6892, ASTM E 8, ASTM E 21, DIN 50154
- Kunststoffe: ISO 527, ASTM D 638;
- Faserverstärkte Verbundwerkstoffe: ISO 14129 ;
- Weichelastische Schäume: ISO 1798, ASTM D 3574;
- Hartschäume: ISO 1926, ASTM D 1623;
- Gummi: ISO 37, ASTM D 412, DIN 53504;
- Klebstoffe: ISO 6922;
- Papier: ISO 3781, TAPPI T 456, ISO 1924, TAPPI T 494;
- Fasern und Filamente: ISO 5079, ASTM D 3822;
- Garne und Zwirne: ISO 2062, ASTM D 2256, ISO 6939;
- Textile Flächengebilde: ISO 13934-1;
- Vliesstoffe: ISO 9073-3.
Bei technisch relevanten keramischen Werkstoffen ist häufig nur eine minimale Dehnung bei sehr großen Kräften zu beobachten, weshalb sie als zugfest bis zum Bruch gelten. Zum Testen der Zugfestigkeit keramischer Werkstoffe wird daher der Berstversuch verwendet.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 27.11. 2022