Auf dem Weg zum modernen Verkehrsflugzeug

In dem gleichen Zeitabschnitt, in dem die technische Entwicklung von den ersten Schnellverkehrsflugzeugen bis zu den absoluten Geschwindigkeitsweltrekorden des Jahres 1939 stattfand, erfolgte noch eine andere Abzweigung, die für die Flugtechnik von weit größerer Bedeutung war.

Junkers F-13

Die Douglas-Werke in Santa Monica (USA) hatten unter Berücksichtigung der bisher gesammelten Erfahrungen ihre zweimotorige «DC-2» herausgebracht. Mit der Projektierung dieses Typs wurde 1932/33 begonnen, im Frühjahr 1934 lief bereits die Serienproduktion an. Mit zwei Wright-Cyclone- Sternmotoren von 720 PS Nennleistung erreichte die «DC-2» mit zwei Piloten und 14 Fluggästen eine Höchstgeschwindigkeit von 338km/h und eine Reisegeschwindigkeit von 315 km/h bei 75 % Nennleistung; die normale Flugmasse betrug 8,1 t. Der Leistungsüberschuß war so groß, dass dieses vollbeladene Flugzeug mit einem abgeschalteten Triebwerk noch eine Gipfelhöhe von 3650m erreichte, eine Leistung, die damals von keinem anderen Typ wiederholt werden konnte. Es ist verständlich, dass die Firma Douglas zahlreiche Bestellungen für dieses überragende Flugzeug erhielt.

Duglas DC-2

Unter Auswertung einer zweijährigen Flugerfahrung wurde die «DC-2» zur «DC-3» vergrößert, und dieses Flugzeug nimmt einen besonderen Ehrenplatz in der Geschichte der Verkehrsluftfahrt ein. Wenn die Junkers «F 13» der Ahn des modernen Verkehrsflugzeuges war, so ist die «DC-3» der direkte Beginn und Ausgangspunkt des modernen Verkehrsflugzeuges. Von den größeren Ausmaßen abgesehen, besaß die «DC-3» den gleichen Aufbau und die gleichen Formen wie ihre erfolgreiche Vorgängerin. Es war eine Kombination von nüchterner Zweckmäßigkeit und hohem Leistungsvermögen. Die Flugzeugzelle war selbstverständlich in Ganzmetallbauweise ausgeführt. Die Beplankung bestand aus Glattblech und war mittels Versenknieten aufgebracht. Statt der dünnen Wellblechhaut der Junkers-Flugzeuge wurde ein starkes Glattblech gewählt, um Verformungen im Fluge zu verhindern. Diese Tatsache zwang dazu, die Beplankung in noch stärkerem Maße zur Aufnahme der Kräfte heranzuziehen und das Innengerüst zu erleichtern, wenn die Masse des leeren Flugzeugs in günstigen Grenzen bleiben sollte. So entwickelte sich im Laufe der Jahre eine neue Baumethode, die sogenannte Schalenbauweise, bei der die Beplankung gleichzeitig als Außenhaut und Festigkeitsverband dient.

Duglas DC-3

Das Fahrgestell der «DC-3» wurde nach hinten in die Motorengondeln eingezogen, die Räder ragten im eingezogenen Zustand etwa 25 cm aus der Verkleidung heraus. Diese Anordnung erwies sich bei Notlandungen als vorteilhaft (bei Notlandungen auf unvorbereitetem Gelände wird aus Sicherheitsgründen das Fahrgestell stets eingefahren gelassen). Weiterhin gewährte die Tiefdeckeranordnung den Passagieren bei Notlandungen hinreichenden Schutz, da die Hauptzerstörungsarbeit von den Flächen aufgenommen wurde. Große, durchgehende Landeklappen gaben auch diesem Typ eine niedrige Landegeschwindigkeit von 105 km/h. Bedeutend war der Komfort, der den Fluggästen geboten wurde; die Kabine war weitgehend schallgedämpft und mit einer Klimaanlage ausgerüstet.

Die Leistungen dieses Typs waren in jeder Beziehung - Reichweite, Tragfähigkeit und Geschwindigkeit - entschieden höher als die der «Ju 52» und anderer europäischer Verkehrsflugzeuge. Nach dem Erscheinen der «DC-3» wurde von vielen Firmen versucht, ihre Leistungen zu überbieten oder wenigstens zu erreichen. Es ist keiner Firma gelungen. Die «DC-3» stellte für die gegebene Aufgabenstellung ein Optimum dar. Der holländische Flugzeugindustrielle Anthony Fokker, der sowohl technisch wie geschäftlich stets auf der Höhe war erkannte diese Tatsache sofort und erwarb von Douglas die Lizenzrechte

Die «DC-2» und die «DC-3» sind ein Beweis dafür, wie allein zwei gelungene Flugzeugkonstruktionen unter günstigen Umständen den Umfang eines Flugzeugwerkes verändern können. Schon durch die «DC-2» wuchs die Douglas- Belegschaft im Jahre 1934 auf 2000 Menschen an; 1936 waren bei Beginn der «DC-3»-Serie schon 4000 Menschen notwendig, um die vorhandenen Aufträge ausführen zu können. In den folgenden Jahren stieg die Belegschaftszahl weiter sprunghaft an. Selbst bei dieser Produktionserweiterung konnte es sich die Firma Douglas erlauben, weitere Lizenzrechte zu vergeben.

Während des zweiten Weltkrieges war die «DC-3» der Standardtransporter der amerikanischen Luftwaffe. Allein das Schicksal einer Maschine charakterisiert die Vorzüge dieses Typs, der allgemein unter dem Namen «Dakota» bekannt geworden ist. Die «Eastern Airlines» erwarben im Dezember 1936 für 115 000 Dollar eine «DC-3» und ließen sie 15 Jahre lang im Einsatz. Diese Maschine flog nach dem Bordbuch in 56 782 Flugstunden eine Strecke von 13 705 736 km und beförderte 213 000 Fluggäste. Das Flugzeug befand sich insgesamt also 6,5 Jahre in der Luft oder je Tag 10,5 Stunden! Es ist verständlich, dass Flugzeuge mit derartigen Leistungen zum ersten Male die Aussicht eröffneten, zu einem rentablen, von staatlichen Subventionen unabhängigen Luftverkehr zu kommen.

Mit der «Vega», dem «Orion», der «DC-2» und der «DC-3» hatte der amerikanische Verkehrsflugzeugbau eine erstaunliche Entwicklung genommen. Hatte man in den Jahren 1910 bis 1930 in Europa den amerikanischen Verkehrsflugzeugbau mit Recht nicht ernst genommen, so hatte er jetzt offensichtlich die Führung ergriffen, die er für viele Jahre nicht mehr abgab.

Neben den technischen Fähigkeiten der amerikanischen Ingenieure lagen die Ursachen für diese Entwicklung in folgenden objektiven Faktoren. In den USA wurde seit Jahren eine umfangreiche staatliche Grundlagenforschung betrieben und der luftgekühlte Sternmotor trotz technischer Schwierigkeiten bis zur Vollendung weiterentwickelt. Das ausgedehnte Territorium des industriell hochentwickelten Landes - von der Ostküste bis zur Westküste sind es über 4500 km - erzwang geradezu die Entfaltung des Luftverkehrs, nachdem die Flugtechnik das notwendige Niveau erreicht hatte. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war, dass die amerikanischen Ingenieure bei der Konstruktion der Verkehrsflugzeuge auf keinerlei militärische Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen brauchten, wie es z.B. in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern der Fall war. Auf Grund des Umfangs der amerikanischen Luftfahrtindustrie konnte die militärische Entwicklung gesondert laufen, und es waren keine Typenkombinationen notwendig. So kam es, dass die Wiege des modernen Verkehrsflugzeuges mit Kolbentriebwerken in den USA zu suchen ist.

Duglas DC-4 vor einer DC-3

Nach den ersten großen Erfolgen mit der «DC-3» wünschten die Fluggesellschaften für die langen Inlandstrecken einen noch größeren, leistungsfähigeren Typ. Bereits 1938 ging die erste Ausführung der «DC-4» in den Serienbau. Bei einer Spannweite von 42,2 m hatte sie eine Flugmasse von 29,6 t und eine Flächenbelastung von 148 kg/m2. Eine Neuerung war das Bugradfahrwerk. Mit vier 1420-PS-Doppelsternmotoren (Startleistung) erreichte die «DC-4» eine Höchstgeschwindigkeit von 382km/h und eine Reisegeschwindigkeit von 341 km/h. Die Landegeschwindigkeit betrug 119 km/h, die Reichweite lag bei 3550 km. Auch dieses Flugzeug war den gleichartigen europäischen Maschinen überlegen. Während die «DC-3» vom Jahre 1936 an mit nur geringfügigen Veränderungen weitergebaut wurde, ergaben sich bei der «DC-4» noch eine Reihe von konstruktiven Veränderungen, bis auch dieser Typ seine optimale Form gefunden hatte.
Aus dem amerikanischen Verkehrsflugzeugbau dieser Jahre ist noch die «Boeing-307-Stratocruiser» zu nennen. Mit etwas schwächeren Motoren waren die Leistungen niedriger als die der «DC-4». Dafür wurde bei diesem Typ eine Neuerung erprobt, die im Verkehrsflugzeugbau der Nachkriegsjahre von entscheidender Bedeutung werden sollte - die Druckkabine. Die Ingenieure von Boeing hatten nachgerechnet, dass bei Verwendung von Höhenmotoren der Flug in größeren Höhen wegen des geringeren Luftwiderstandes bedeutende Vorteile bot, eine Tatsache, die allgemein bekannt war. Um diese Höhen aufzusuchen, brauchte man entweder Sauerstoffgeräte, die man Passagieren aber nicht zumuten konnte und die auch zu schwer gewesen wären, oder man musste in einer drucksicheren Kabine annähernd normale Druckverhältnisse schaffen. Von den amerikanischen Technikern wurde zum ersten Male bei einem Verkehrsflugzeug der zweite Weg gewählt. Zu bemerken wäre noch, dass die Boeing-Ingenieure sich auf die Erfahrungen mit der «B-17- Flying Fortress» stützen konnten, was ihnen aber nicht half, die Leistungen der «DC-4» zu erreichen.

In Europa wurden im gleichen Zeitraum viele zwei- und viermotorige Verkehrsflugzeuge nach der modernen Auffassung gebaut. In Deutschland waren es die «Ju 86», die «He 111» (vom Reichswehrministerium bereits 1930 als Bomber in Auftrag gegeben), die «Fw 200» und die «Ju 90».
In England waren es die viermotorige Armstrong-«Ensign», die zweimotorige De Havilland-«Flamingo» und die viermotorige «Albatros», ein Flugzeug höchster aerodynamischer Vollendung.
In Frankreich wurden die «Bloch 220» und «Bloch 160», die «Potez 661» und «Potez 662» in Italien die «Savoia-Marchetti S-84», in Polen der P.Z.L. «Wicher», in der Sowjetunion die «ANT-35» gebaut.

Wenn auch einige dieser Flugzeuge schneller flogen als die beschriebenen amerikanischen Douglastypen, so erreichte dennoch keines dieser Flugzeuge die amerikanischen Vorbilder in Zweckmäßigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.

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Unter Verwendung: Wissmann "Geschichte der Luftfahrt" VEB Verlag Technik Berlin 1970
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 27.10. 2017