COIN
Counter Insurgency AircraftLeichtflugzeuge für den Militäreinsatz
Wer aufmerksam die Flugzeugentwicklung der letzten Jahre verfolgt hat, konnte feststellen, daß bei Klein- oder Leichtflugzeugen - die normalerweise als zivile Sport-, Reise- oder Mehrzweckflugzeuge verwendet werden - immer wieder nach Möglichkeiten gesucht wird, solche Maschinen militärisch zu nutzen. Nun werden derartige Flugzeugtypen in Streitkräften seit Jahrzehnten für die Ausbildung von Flugschülern, für Kurier- und Verbindungsaufgaben, als leichte Transporter sowie für Such- und Rettungsflüge verwendet. Auch gelegentliche Beobachtungs- und Aufklärungseinsätze mit solchen Flugzeugen sind aus der Vergangenheit bekannt. Jüngeren Datums dagegen ist das offensichtliche Bestreben, diese leichten Maschinen mit Kanonen, MGs, ungelenkten und gelenkten Raketen, Bomben sowie Abwurfbehältern auszustatten.
Seit etwa 1972 gibt es kaum eine Luftfahrtausstellung oder fliegerische Veranstaltung in den verschiedensten Staaten, bei denen nicht Neuentwicklungen auf diesem Gebiet oder Umrüstungen vorhandener ziviler Muster für rein militärische Zwecke angepriesen werden. Regelmäßig berichtet die Presse dieser Länder auch über Tendenzen, die sich dabei abzeichnen, sowie über neue Flugzeuqtypen.
Sehen wir uns drei Beispiele — sie können beliebig erweitert werden - aus drei Ländern an: (Aus der damaligen Zeit)
Für die Beech PD-249 (eine Militärausführung der Beech A-36 "Bonanza")
warb die BRD-Zeitschrift "Der Flieger " in der Ausgabe 1/1973 mit einem
Kurzbeitrag:
"Die Flugerprobung begann im Frühjahr 1971 in Eglin AFB . Diese mit PD-249 bzw. U-22 bezeichnete Maschine ist eine zweisitzige Ausführung mit
350-PS-Lycoming GIO-520. Zusätzliche Treibstofftanks sind in der Flügelnase angeordnet,
selbstdichtend und mit Schaum gegen Verletzungen durch MG-Einschüsse gesichert. Das Flugzeug besitzt keinerlei Hydraulik, alle Betätigungen erfolgen elektrisch.
Die Sitze haben Panzerschutz. Die Daten entsprechen der A-36. Die Serienmaschine soll etwa 25 cm länger werden als der Prototyp.
Die Bezeichnung U-22 wurde von der bei der USAF bereits eingesetzten QU-22B abgeleitet, die ebenfalls aus der Bonanza A-36 entstanden ist. Auch diese hat nur zwei
Fenster auf beiden Seiten und das über dem Motor liegende Untersetzungsgetriebe mit leise laufendem
dreiflügligem Propeller von 2,3 m Durchmesser.
Das Flugzeug ist in der Lage, eine Bombenlast von 545 kg oder entsprechende andere Waffen mitzuführen.
Es sind 1. Waffenbehälter mit 7,62 Minigun, 2. Raketenwerfer, 3. Bombenwerfer mit 114 kleinen Bomben, 4. Napalmbomben von 11 Okg,
5.110-kg-Bomben,6.135-kg-Verzögerungsbombe MK-81 Snakeye. Der Innenraum kann für Fotoaufklärung,
Tiefflugfernsehanlage, Transport von Soldaten oder Verwundeten benutzt
werden."
Die "Interavia" (Genf) empfahl die Britten-Norman "Defender" so:
"Die Militärversion der Islander wurde auch für den Einbau von Waffen konstruiert, die der Kunde im Handumdrehen installieren kann. Beim Entwurf der
Waffeneinbauten für die Defender sicherte sich
Britten-Normarn die Unterstützung der ML Aviation Company Ltd., die als Spezialist für Waffentrag- und Auslösevorrichtungen bekannt ist. Am Tragwerk lassen sich
an vier Stellen leichte Waffenträger montieren,
so daß die Defender unter jedem Tragflügel eine Last bis zu 450 kg mitführen kann. Für den Einbau weiterer Waffen stehen die schon vorhandenen Befestigungspunkte im
Kabinenboden zur Verfügung. Durch die
Öffnung der hinteren Backbordtür ist ein breites Schußfeld für Maschinenwaffen gegeben.
Für Polizeieinsätze bei Aufständen oder in Situationen allgemeiner Zivilunruhen kann das Flugzeug mit Lautsprechern und einer CS-Gaskanone von Webley ausgerüstet
werden, um dort einzugreifen, wo Bodeneinheiten
der Zutritt verwehrt ist. Weitere CS-Gasbehälter lassen sich an den Unterflügelstationen einklinken, falls die Überdeckung einer großen Fläche erforderlich ist, und
im schlimmsten Fall wird das Flugzeug zum
Abwurf von Splittergranaten verwendet. Bei Einsätzen zur Wahrung der inneren Sicherheit kann die Defender mit einem leichten Solo- oder Zwillingsmaschinengewehr von
FN (Kaliber 7,62 mm) ausgestattet werden,
das sich am Kabinenboden befestigen läßt und durch die hintere Tür
feuert (das Flugzeug ist bereits für den Flug mit offener Tür zugelassen). Für jedes MG ist ein Magazin vorgesehen, das 500 Schuß gegurtete Munition faßt. Falls eine
Tarnung der Waffe angebracht ist, um den
Überraschungseffekt ausnutzen zu können oder eine offene Machtdemonstration zu vermeiden, wird das Maschinengewehr so installiert, daß es durch eine Luke in der Tür
feuern kann. Auch ein schweres
12,7-mm-Browning-MG steht für den Einbau zur Verfügung, wobei allerdings die Tür ausgebaut werden muß. Darüber hinaus kann die Defender in Behältern an den
Unterflügelstationen ungelenkte Matra-Raketen
mitführen oder mit drahtgelenkten Flugkörpern SS 12 bewaffnet werden. Letztere gestatten es dem Piloten, beim Angriff einen sicheren Abstand zu stark verteidigten
Boden- oder Seezielen einzuhalteli."
Wieder war es "Der Flieger", der im November 1972 die MFI-15/17 anpries:
"Die MFI läßt sich auf jedem kleinen, unvorbereiteten Wiesen- oder Straßenstück einsetzen. Schulterdecker-Bauweise und T-Leitwerk gewährleisten gute Bodenfreiheit,
auch auf schmalen Straßen. Niedrige
Anfangsinvestition und minimale Betriebskosten machen die SAAB-MFI zu einem kostenwirksamen Waffenträgersystem als Ergänzung für komplexe Waffensysteme. Geringe
Abmessungen beschränken die Gefahr der
Radar-Erfassung, der Lycoming-Motor ist kein gutes Ziel für Infrarot-Zielsuchwaffen,
und der geringe Motorenlärm kündigt den Anflug nicht schon von weitem an.
An sechs Flügelhalterungen können bis zu 300 kg Außenlasten eingehängt werden. Diese Zuladekapazität in Verbindung mit hervorragender Sicht macht die SAAB-MFI 17
gut geeignet für:
- Kampfzonenbeobachtung;
- Kampfzonennachschub mittels.Abwurfbehältern;
- Aufklärung;
- Artilleriebeobachtung;
- Tarnungsinspektion;
- Zielschlepp und Zielflug für die Ausbildung von Bodentruppen. Bewaffnungsvarianten an drei Flügelhalterungen (innen 100 kg, Mitte und außen je 50 kg);
- Luft-Boden-Raketen;
- drahtgelenkte Luft-Boden-Flugkörper;
- Kanonenrüstsätze mit Minigun;
- andere Bewaffnungskombinationen."
Diese Auszüge sprechen für sich und zeigen ganz klar,für welche Einsatzzwecke diese Flugzeuge gedacht sind. Dabei ist interessant, daß sie auch zur Aufrechterhaltung
des imperialistischen Regimes im eigenen
Land (siehe Britten-Norman "Defender") vorgesehen sind. Gibt es nun bereits "Erfahrungen" mit bewaffneten oder anderweitig direkt militärisch verwendeten
Leichtflugzeugen?
Diese Frage muß eindeutig bejaht werden. Es waren die USA-Streitkräfte, die in ihrem verbrecherischen Krieg in Indochina das bisher bekannte Einsatzspektrum militärischer
Leichtflugzeuge um folgende
Möglichkeiten erweiterten:
- Luftspionage mit Auge, Kamera und elektronischen Geräten;
- psychologische Kriegführung;
- bewaffnete Unternehmen.
Um die Mitte des Jahres 1966 zum Beispiel befanden sich etwa 250 "vorgeschobene Fliegerleitoffiziere" (FAC) in Südvietnam, die mit speziell ausgerüsteten
Leichtflugzeugen des
Typs Cessna 0-1 E "Bird Dog" (Cessna L-19) ausgestattet waren. Sie hatten nach Sichtaufklärung die taktischen Jagdflugzeuge anzufordern, Erdziele (also Kämpfer der FNL
oder wen man dafür hielt) zu markieren
und die Jagdbomber auf diese zu leiten. Da die FNL-Kämpfer sehr schnell die Bedeutung dieser"harmlosen" Cessnas erkannten, tarnten sie sich beim Nähern der
Leichtflugzeuge und griffen diese nicht an. Deren
Besatzungen jedoch faßten jede Regung am Boden als "willkommene Abwechslung" auf, forderten über Funk Jagdbomber an und vernichteten so jedes Leben, zerstörten
systematisch Reisfelder und friedliche Dörfer.
Zu diesen menschenfeindlichen Handlungen gehören auch die Einsätze weiterer Cessnas in Indochina: Die von der "Super Skymaster" abgeleiteten Militärversionen wurden mit
Bomben, Raketen und Maschinengewehren
unter den Flügeln (0-2 A) oder mit Flugblättern und Lautsprechereinrichtungen (0-2 B) für die psychologische Kriegführung in Südvietnam verwendet. Von den rund 500
Flugzeugen dieses Typs, über die die
USA-Streitkräfte damals verfügten, waren etwa 60 nach Südvietnam verlegt worden.
Offensichtlich fühlte sich der schwedische Graf Rosen durch diese "Vorbilder" angeregt. Dieser Abenteurer benutzte 1970 in Nigeria auf der Seite des Separatistenobersten
Ojukwu (über den die Geschichte schon
lange ihr Urteil geschrieben hat) neun aus Schweden"besorgte" Leichtflugzeuge MFI-9 (direkte Vorgänger der heutigen MFI-15 und MFI-17), die mit Trägern für
großkalibrige Raketen ausgerüstet wurden, um damit
Flugplätze und andere Ziele der rechtmäßigen nigerianischen Bundestruppen anzugreifen.
Das Flugzeug MFI-9 war 1960 bei der Malmö-Flygindustri (MFI) als militärisches Übungsflugzeug entwickelt worden und wurde seit 1961 in der BRD in Lizenz gebaut
als Bölkow 208 "Junior" (ab 1965 verbessert als "Junior B").
Ähnliches gab es in der Vergangenheit in den ehemaligen portugiesischen Kolonien. In Mocambique, Angola und Guinea-Bissau wurden neben anderen auch BRD-Flugzeuge vom
Typ Dornier Do 27 verwendet, die vor allem
mit kleinkalibrigen Raketen unter den Tragflügeln bewaffnet waren, um Dörfer und Siedlungen sowie Einheiten der Befreiungsstreitkräfte anzugreifen.
Dieses Flugzeug wurde ab 1953/54 von Dornier in Spanien entwickelt und befand sich ab 1956 in Serienproduktion. Von den zahlreichen Versionen dieses Typs war
insbesondere die Do 27 A-4 für militärische
Zwecke (Verbindungs-, Rettungs- und Sanitätseinsätze) vorgesehen. Angeregt durch diese Beispiele, folgten vor einigen Jahren zahlreiche Flugzeugfirmen dem Trend,
diese sich zusätzlich eröffnende Profitquelle
kräftig auszuschöpfen.
In den USA sind es vor allem die Firmen Cessna, Beechcraft und Piper, die Leichtflugzeuge für militärische Zwecke bauen. Stimulierend mag auf diese Entwicklung
die Tatsache eingewirkt haben, daß es in den
USA um die Mitte des Jahres 1970 eine Krise auf dem zivilen Flugzeugmaffrt gab. Die Verkäufe von USA-Leichtflugzeugen sanken um 40 bis 50 Prozent, und die
Lagerbestände nicht verkaufter Flugzeuge stiegen
an. Ein großer Teil der Beschäftigten wurde arbeitslos.
Das Rüstungsprogramm dagegen sichert den Konzernen auf lange Zeit höchste Profite. Was also lag näher, als darauf Einfluß zu nehmen, daß sich die Streitkräfte
mehr Leichtflugzeuge beschafften? Neben den
bereits erwähnten Typen entstanden in den USA bei Piper das Tiefangriffsflugzeug "Enforcer" und bei Fairchild unter der Typenbezeichnung AU-23 "Armed Porter"
eine schwerbewaffnete Version der in Lizenz
gebauten Pilatus "Porter", die sich zur "Partisanenbekämpfung" eignen soll.
In stärkerem Maße geht aber in den USA beim militärischen Leichtflugzeug die Tendenz zur Mehrzweckmaschine. Aus Westeuropa liegen zahlreiche Informationen über Umrüstvarianten oder direkte Neuentwicklungen bewaffneter Leichtflugzeuge vor. In Italien entstand Ende der sechziger Jahre bei der Firma SIAI-Marchetti der Typ SM-1019 A, der sich sehr eng an das Vorbild 0-1 "Bird Dog" anlehnt. Das Leitwerk wurde stark vergrößert; als Antrieb dient eine Propellerturbine. In den Jahren nach 1975 wurden die italienischen Heeresflieger mit diesem Flugzeug ausgerüstet. Für die 224 kg umfassende Waffenlast wurde unter jedem Flügel eine Verstärkung für die Aufnahme einer Station angebracht. Unter dem Rumpf läßt sich ein Aufklärungsbehälter mitführen. Die italienische Firma Aeritalia/Aermacchi wollte in diesem Geschäft nicht zurückstehen und versah ihr 1967 entstandenes leichtes Überwachungsund Aufklärungsflugzeug AM-3 C ebenfalls mit zwei Außenstationen, von denen jede 170 kg Waffenzuladung (bis zu "mittelschweren Waffen") aufnehmen kann. Wahlweise läßt sich auch ein aus vier Kameras bestehender Aufklärungssatz mitführen. Neben der Britten-Norman "Defender" bietet die britische Luftfahrtindustrie neuerdings die aus der Beagle "Pup" 1968 als reine Anfängerschulmaschine hervorgegangene Scottish Aviation "Bulldog" auch als bewaffnete Version an. Diese Maschine soll bis zu 290 kg Waffenlast an vier Aufhängepunkten befördern, wobei als Nachteil angesehen wird, daß es sich hierbei um einen Tiefdecker handelt. Fast alle anderen für militärische Einsätze vorgesehenen Leichtflugzeuge sind Hochdecker.
In Frankreich entwickelte Reims, eine Tochtergesellschaft des Cessna-Konzerns, in Zusammenarbeit mit dem französischen Waffenkonzern Matra aus der Cessna "Super Skymaster" die Reims "Milirôle". Das Flugzeug kann an vier Außenstationen vier Raketenwerfer oder zwei Behälter mit je zwei Maschinengewehren (2000 Schuß), vier 50-kg-Bomben oder bis zu 16 15-kg-Bomben aufnehmen. Auch die israelische Luftfahrtindustrie wollte sich die zusätzliche Profitquelle nicht entgehen lassen und entwickelte aus der "Arava", einem kleinen Reiseflugzeug, eine bewaffnete Version, die seitlich des Rumpfes je ein MG und unter den Flügeln Raketenbehälter trägt. Dieses Flugzeug ist für die Erdkampfunterstützung der israelischen Landstreitkräfte bei bewaffneten Überfällen auf die arabischen Nachbarstaaten gedacht.
Faßt man die Informationen über bewaffnete Leichtflugzeuge zusammen, so ist zu schlußfolgern, daß diese Flugzeugtypen keinesfallsdie herkömmlichen Kampfmaschinen ersetzen sollen. Ihre Aufgaben bestehen darin, im Interesse der imperialistischen Globalstrategie in einem speziellen Bereich, der sehr unterschiedlich sein kann - wobei jedoch immer das Überraschungsmoment eine Rolle spielen soll -, verwendet zu werden. Dazu gehören überraschende bewaffnete Einsätze gegen die verschiedensten Ziele (auch gegen gepanzerte), aber auch optische, visuell und elektronische Spionageflüge - möglicherweise sogar in Friedenszeiten. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht das Bestreben, geräuscharme Motoren und leichte Aufklärungsgeräte für Flugzeuge dieser Größenordnung zu entwickeln, die einfach zu bedienen sind.
beruhen auf einem Artikel von W. Kopenhagen im Fliegerkalender der DDR 1976
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