Fundamentalsystem (Astronomie)

Das Fundamentalsystem der Astronomie ist ein genauer Koordinatenrahmen für die Positionen von Sternen (Sternörter) und außergalaktischen Objekten. In den letzten Jahrzehnten stellten die jeweiligen Kataloge von Fundamentalsternen die beste Annäherung an den Inertialraum dar – heute wird das Fundamentalsystem noch genauer über Quasare realisiert.

Die zugrundeliegenden Messungen wurden früher ausschließlich visuell oder fotografisch durchgeführt (siehe klassische Astrometrie). Heute spielt auch die Radioastronomie in Form eines präzisen Netzes von 500 Quasaren und seiner Vermessung durch VLBI-Methoden eine entscheidende Rolle.

Sternkataloge als Datenbank für Fixpunkte

In diesem Koordinatenrahmen dreht sich der Kreisel Erde und kann dadurch in seinen Bewegungen modelliert werden. Der Rahmen wird in Form eines Sternverzeichnisses hunderter sogenannter Fundamentalsterne definiert. Seit Ende des 19. Jahrhunderts waren dies insbesondere:

Kurzname Sternanzahl Titel Publiziert Messung Örter Messung Eigenbewegungen Überdeckung
Auwers, A., 1879 539 Fundamentalkatalog für Zonenbeobachtungen am Nördl. Himmel 1879 Ø 1860 ≈1850–1870 bis Dekl.= −10°[1]
Peters, J., 1907 925 Neuer FK Berliner Astr.Jahrbuch nach den Grundlagen von Auwers 1907 Ø 1880 1745–1900 bis Dekl.= −89°
FK3 873 Dritter Fundamentalkatalog des Berliner Astronomischen Jahrbuchs 1937 1912–1915   ab hier über ganzen Himmel,
mit Epochen 1900, 1950, 2000
FK3sup 662 (Zusatzsterne, Band II) 1938 Ø 1913 1845–1930
FK4 1.535 Fourth Fundamental Catalogue 1963 Ø 1950  
FK4sup 1.111 Supplement Stars FK4/5 ≈1965    
FK5 1.535 Fifth Fundamental Catalogue 1988 Ø 1975  
FK5sup 3.117 Supplement Stars of FK5 1991    
Hipp.[2] 118.000 Hipparcos-Katalog 1998 1989–1993 1989–1993
FK6 4.150 Sixth Catalogue of Fundamental Stars 1999, 2000 Ø 1992  

Quasare als Datenbank für Fixpunkte

Neuere Koordinatensysteme basieren meist auf Messungen der Positionen von Quasaren. Beispiele für solche Kataloge sind ICRF und GCRF2.

Himmel, Erde und Erdrotation

Diese Koordinaten gehören aber nicht nur für die Astronomen zum „täglichen Brot“, sondern auch für viele jener Wissenschaftler, die sich mit dem Planeten Erde oder manchen seiner Erscheinungen beschäftigen. Denn letztlich gehen zum Beispiel alle geografischen Koordinaten und sogar die genauen Zeitsysteme der Physik auf astronomische Richtungs- und Zeitmessungen zurück.

Dass Erd- und Himmelskoordinaten zusammenhängen, lässt sich mit einem Bild leicht verstehen: Man kann sich die Erde als kugelförmigen stabilen Kreisel im Weltraum vorstellen, dessen Drehachse zu einem Pol an einer gedachten Himmelskugel weist.

Wir sind gewohnt, uns Norden immer „oben“ vorzustellen, weil wir die „Weltachse“ natürlich in die Erdachse legen. Eigentlich ist das nichts anderes als das traditionelle geozentrische System der Antike, mit dem erst Kopernikus teilweise gebrochen hat.

Wenn sich nun die Erde als „Kreisel“ in diesem „Käfig“ aus lauter umgebenden Sternen dreht, bietet sich an, den Breitenkreisen ähnliche Kreise auf einer die Erde umhüllenden Himmelskugel gegenüberzustellen.

Während sich aber die Menschheit für die Längenkreise erst langwierig auf den Nullmeridian von Greenwich einigen musste, bietet sich für ihr astronomisches Pendant Rektaszension ein solcher förmlich an: Der Frühlingspunkt, in dem die Sonne jedes Jahr von der Südhalbkugel kommend den Himmelsäquator überquert.

Mathematisch ist der Frühlingspunkt die Schnittlinie des Äquators mit der sog. Ekliptik (Ebene der Erdbahn bzw. der jährlichen scheinbaren Sonnenbahn durch die Sternbilder).

Veränderliche Erdachse

Diese für Astronomen praktischen Ebenen sind aber langsam veränderlich. So wie jeder Spielzeugkreisel ein wenig taumelt, ist es auch bei der Erde – nur viel langsamer und regelmäßiger. Man nennt diesen Effekt Präzession und seine Dauer von ca. 25.800 Jahren ein Platonisches Jahr. Die Erdachse beschreibt in dieser Zeit einen klar definierbaren Kegel mit einem Öffnungswinkel von derzeit 23,43°, was man inzwischen auf 0,01" (0,000005 %) genau vorausrechnen kann. Dazu gehört auch ein zweiter Effekt namens Nutation – ein vom Mond verursachtes „Zittern“ im Rhythmus von 18,613 Jahren (der Nutationsperiode), das ebenso genau modelliert ist.

Gemessen werden diese Effekte durch spezielle Instrumente und Methoden der Astrometrie und der Geodäsie; die wichtigsten sind die Weltraumverfahren VLBI (Very Long Baseline Interferometry, Richtungsmessung nach Quasaren), Weltraumlaser und GPS, sowie erdgebunden der Meridiankreis und Astrolab bzw. PZT (Photographisches Zenitteleskop); die beiden letztgenannten haben im letzten Jahrzehnt an Bedeutung verloren. Ergänzend kam vor einigen Jahren noch eine Art Weltraumscanner dazu, der Satellit Hipparcos.

Das hier beschriebene astronomisch-geodätische Modell der Erde und ihrer Bahn ist unser Fundamentalsystem der Astronomie – und stellt die derzeit beste Realisierung eines Inertialsystems dar.

Terrestrisches Fundamentalsystem

Seine terrestrische Entsprechung – „heruntergeholt“ auf die sich darin drehende Erde – nennt man International Terrestrial Reference System (ITRS). Es ist durch Fundamentalstationen (wie zum Beispiel Wettzell in Bayern) und durch zahlreiche GPS-Messstationen dauerhaft vermarkt.

Die Beziehung zu den Vermessungspunkten der jeweiligen Landesvermessung wird durch Koordinatentransformationen hergestellt und in der 3. Dimension durch Höhenmessung und das Geoid.

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Der erste FK (Auwers 1879) überdeckte nur 60 % des Sternhimmels (bis Deklination −10°).
  2. Hipparcos ist kein FK im strengen Sinn, sondern wurde nur dem FK5-System genau angepasst und hat es 'versteift'. Das neue System (FK6) hat durch die Messungen des Astrometriesatelliten (Hipparcos|1989–1993) aber wesentlich an Genauigkeit gewonnen.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 30.01. 2022