Titan(IV)-oxid
Sicherheitshinweise | |||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
|
Titan(IV)-oxid (Titandioxid) ist das IV-wertige Oxid des Titans. Neben diesem polymorphen Oxid gibt es eine Reihe an nichtstöchiometrischen Suboxiden des Titans, sogenannte Magneli-Phasen sowie das Ti(III)2O3 und Ti(II)O.
Titandioxid hat als Weißpigment ein weites Einsatzgebiet, daher werden weltweit pro Jahr vier bis fünf Millionen Tonnen produziert. Die Haupteinsatzgebiete liegen im Bereich der Beschichtungen wie Lacke und Anstriche, gefolgt von Kunststoffeinfärbungen. Auch farbige Produkte enthalten in der Regel Weißpigmente um eine hohe Deckkraft zu erreichen.
Geschichte
Nachdem Titan 1791 von William Gregor im Ilmenit entdeckt wurde, erkannte Heinrich Klaproth das Titanoxid im Rutil. Die industrielle Nutzung begann, als die hervorragende Eignung als weißes, ungiftiges Pigment 1908 in Norwegen und den USA erkannt wurde. Ab 1916 wurde das Pigment bereits unter der Bezeichnung Kronos Titan White kommerziell hergestellt. Bis 1938 wurde Titanweiß nur in der Anatas-Modifikation hergestellt, dann aber zunehmend in der Rutil-Modifikation, da deren photokatalytische Aktivität geringer und die Bewitterungsstabilität der daraus hergestellten Produkte entsprechend höher ist. Das Weißpigment auf der Basis der Rutil-Modifikation wird auch als Rutilweiß bezeichnet.
Mehr als die Hälfte der Produktionsmenge wird in Beschichtungsstoffen eingesetzt, gefolgt von Polymeren. 70 % der Weltproduktion werden von fünf Herstellern produziert, wobei neben dem Marktführer DuPont (USA) noch die Unternehmen Cristal Global (Saudi-Arabien), Huntsman (USA), Kronos (USA) und Tronox (USA) zu den weltweit größten Produzenten gezählt werden. Die Regionen, die am meisten Titandioxid verbrauchen, sind Nordamerika, Europa und China. Insgesamt wird jeweils ein Drittel in Europa-Afrika-Mittlerer Osten, Amerika und im pazifisch-asiatischen Bereich verbraucht.
Kristallstruktur | |
---|---|
Titan(IV)-oxid in der Modifikation Rutil | |
Rutil __ Ti4+ __ O2− | |
Allgemeines | |
Name | Titan(IV)-oxid |
Andere Namen | |
Verhältnisformel | TiO2 |
CAS-Nummer |
|
Kurzbeschreibung |
weißes, kristallines Pulver |
Eigenschaften | |
Molare Masse | 79,90 g/mol |
Aggregatzustand |
fest |
Dichte |
Rutil 4,24 g/cm3 |
Schmelzpunkt |
1855 °C |
Siedepunkt |
2900 °C |
Löslichkeit | |
Brechungsindex |
optisch anisotrop, doppelbrechend oder zweiachsig |
Vorkommen
Titan(IV)-oxid kommt in der Natur in drei Modifikationen vor:
- Rutil ist ein tetragonales Mineral von meist prismatischem Habitus. Die Kristallstruktur ordnet in der Raumgruppe 136, das entspricht dem Hermann-Mauguin-Symbol P42/mnm. Das Rutil-TiO2 hat eine Dichte von 4,26 g/cm3. Der Name Rutil stammt vom lateinischen rutilus — rötlich, in Anspielung auf die durch Eisen-Verunreinigungen erzeugte Farbe.
- Anatas bildet tetragonale holoedrische Kristalle (holoedrisch bedeutet die höchstsymmetrische Gruppe innerhalb eines Kristallsystems) im tetragonalen damit 4/m 2/m 2/m. Es kristallisiert in der Raumgruppe 141, das heißt I41/amd. Anatas wandelt sich bei 700 °C, abhängig von der Atmosphäre und Fremdionen, irreversibel in Rutil um. Die Dichte von Anatas beträgt 3,88 g/cm3.
- Brookit bildet orthorhombische Minerale und kristallisiert in der Raumgruppe 61, Pbca. Auch Brookit geht unterhalb des Schmelzpunktes in Rutil über und hat eine Dichte von 4,12 g/cm3. Technisch hat der Brookit keine Bedeutung.
Gewinnung und Darstellung
Titandioxid kann im Labor durch Solvolyse (Hydrolyse) von Ti(IV)-Verbindungen hergestellt werden, z.B:
- Reaktion von Titanoxosulfat mit Wasser zu Titanoxohydrat und Schwefelsäure
- Reaktion von Titantetrachlorid mit Wasser im ersten Schritt zu Titanoxychlorid und Salzsäure und dann zu Titanoxohydrat und Salzsäure
oder Metallalkoholaten wie das Titan-tetraisopropylat:
- Titano-tetraisopropylat und Wasser reagieren zu Titandioxid und Isopropanol
Das so erhaltene Titanoxohydrat, formal TiO(OH)2 oder TiO2xH2O, wird durch Temperung in Anatas oder Rutil überführt. Die Verbrennung von TiCl4 mit Sauerstoff wird im Labormaßstab selten angewendet.
Da die Hauptmenge des technisch hergestellten TiO2 als Pigment verwendet wird, stören färbende Ionen wie Eisen. Als Erze werden für das Sulfatverfahren in der Regel Ilmenit (FeTiO3) oder titanhaltige Schlacken aus der Elektroreduktion des Ilmenits eingesetzt. Diese Schlacke, genau wie Rutil aus alluvialen Lagerstätten, kann auch im technisch anspruchsvolleren Chloridverfahren eingesetzt werden. Beide Verfahren erhöhen die Reinheit des Titanoxids deutlich. Die Summe der färbenden Ionen liegt in der Regel unter 200 ppm beim Sulfatverfahren, hauptsächlich Niob, untergeordnet Eisen, und weniger als 50 ppm beim Chloridverfahren, Niob und Eisen.
Bei der industriellen Herstellung von Titanoxid aus Ilmenit nach dem Sulfatverfahren entsteht Dünnsäure (verdünnte Schwefelsäure), die meist nach Aufkonzentration für den Ilmenit-Aufschluss wiederverwendet wird. In einigen Ländern wird diese Dünnsäure bis heute zum Teil in Flüsse und Meere geleitet oder verklappt. Die Gewinnung nach dem Chloridverfahren, vorwiegend aus Rutil-Erz oder TiO2-Schlacke, lässt dagegen keine Dünnsäure entstehen. Das verwendete Chlor bleibt weitgehend im Prozesskreislauf. Die in beiden Verfahren entstehenden Eisensalze werden unter anderem zur Chromat-Reduktion in Zementen, Abwasserbehandlung und in Biogas-Anlagen eingesetzt.
Einkristalle
Rutil-Einkristalle werden in der Regel nach dem Verneuil-Verfahren hergestellt und in der Optik aufgrund der hohen Brechzahlen als Koppelprismen oder auch Diamantimitationen eingesetzt. Vereinzelt wird auch das Zonenschmelz-Verfahren eingesetzt, während das Czochralki-Verfahren als ungeeignet beschrieben wird.
Die Herstellung von Anatas-Einkristallen kann nicht aus der Schmelze erfolgen. Hier werden CTR-Verfahren eingesetzt.
Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften
Der Schmelzpunkt von Titandioxid liegt bei 1855 °C, die Verbindung ist thermisch stabil. Titandioxid ist außerdem chemisch inert. Es ist lichtbeständig, preiswert, bisherigen Untersuchungen zufolge ungiftig und daher das bedeutendste Weißpigment und auch für Lebensmittel zugelassen (E171).
Optische Eigenschaften
Die Brechungsindizes sind sehr hoch, jedoch abhängig von der Kristallmodifikation des Titandioxids und der Wellenlänge des Lichts (Optische Dispersion). Dabei erzeugt der ordentliche Strahl des Rutil die höchste Brechzahl bei einer Doppelbrechung Δn = 0,29.
Aus koloristischer Sicht hat Titandioxid in Folge des hohen Brechungsindexes das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente und gleichzeitig ein hervorragendes Aufhellvermögen. Das teilchengrößenabhängige Maximum des Deckvermögens von Rutil liegt bei einer Korngröße von etwa 200 nm bis 300 nm je nach Anwendung und Bezugsgröße, anzahlbezogene oder massenbezogene Größenverteilung.
Titandioxid ist ein Halbleiter, somit ist das Valenzband voll gefüllt und das Leitungsband unbesetzt. Die Bandlücke ist von der Modifikation abhängig. Lichtquanten mit einer Energie größer als die Bandlücke werden absorbiert. Auch UV-Licht kann ab der entsprechenden Wellenlänge absorbiert und so ein UV-Schutz hergestellt werden. Durch kurzwellige Lichteinstrahlung werden Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband gehoben und hinterlassen ein Loch. Die Größe der Bandlücke ist von der Kristallrichtung und zusätzlich im Bereich von nanopartikulärem Material von der Teilchengröße abhängig.
Modifikation | Bandabstand (eV) | Wellenlänge (nm) | interpolierter Brechungsindex bei 589 nm |
---|---|---|---|
Anatas | 3,23 | 385 | ne=2,489 no=2,561 |
Brookit | 3,14 | 395 | nα=2,585 nβ=2,583 nγ=2,702 |
Rutil | 3,02 | 410 | ne=2,900 no=2,613 |
Dielektrische Eigenschaften
Titandioxid hat eine vergleichsweise hohe Dielektrizitätskonstante. Für Rutil liegt sie bei ε = 111 in der kristallographischen a-Richtung und ε = 257 entlang der c-Achse. Andere Quellen nennen kleinere Werte, wobei die Werte von Messparametern wie Frequenz und Temperatur abhängig sind. Anwendungen sind zum Beispiel High-k-Dielektrika.
Chemische Eigenschaften
Von den Titanoxiden ist das Titan(IV)-dioxid die häufigste Verbindung. Es ist chemisch inert und kann nur in heißer Schwefelsäure, Flusssäure und heißen Laugen gelöst werden. Es ist teilweise Ausgangsmaterial für die Herstellung von Titanaten. Bei Beleuchtung mit UV-Licht können photokatalytische Radikalreaktionen stattfinden.
Verwendung
Titandioxid findet überwiegend als weißes Pigment Verwendung und ist im Colour Index unter C.I. Pigment White 6 bzw. C.I. 77891 aufgeführt. Es ist chemisch stabil, ungiftig und unter der Kennzeichnung E 171 als Lebensmittelzusatzstoff beispielsweise in Zahnpasta, Kaugummis und Hustenbonbons anzutreffen, sowie unter CI 77891 als Pigment in Kosmetika. Auch in der Ölmalerei findet es teilweise Verwendung. Im technischen Bereich findet es Verwendung in Farben und Lacken, Textilien, bei der Papierherstellung zur Erzielung eines hohen Weißgrades sowie als UV-Blocker in Sonnencremes und Aufheller in Arzneimitteln (Tabletten).
Pigment
Titandioxid mit Partikelgrößen im Bereich von 200 nm bis 300 nm wird aufgrund des großen Brechzahlunterschieds zu den meisten organischen Stoffen als Pigment verwendet. Der Größenbereich ergibt sich aus der Mie-Theorie. Die Partikelgröße beeinflusst zum einen die Deckkraft und zum anderen den Farbton, feinteiligere Pigmente erscheinen blaustichiger. Die wichtigsten Anwendungen sind mit rund 60 % Marktanteil Beschichtungsmaterialien und 25 % Polymer-Anwendungen.
Reines Titandioxid kommt dabei außer als E171 kaum zum Einsatz, da neben der UV-Schutzwirkung durch das TiO2 lichtinduzierte chemische Radikal-Reaktionen stattfinden. Durch eine Funktionalisierung der Pigmentkörner wird dieser Effekt vermindert und gleichzeitig eine Verbesserung der Farbeigenschaften, in der Regel durch einfachere Dispergierung, erreicht. Einige Anwendungen, z.B. für Fasern oder Zementanwendungen, verwenden trotz der höheren photochemischen Aktivität Anatas-Pigmente, während die Mehrzahl der Anwendungen auf Rutil-Pigmente zurückgreift.
Photokatalysator
Viele Hersteller bieten Photokatalysatoren auf TiO2-Basis an. Dies sind in der Regel Anatase, Anatas-Rutil-Mischungen oder dotierte Titandioxide mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Die Photokatalyse ist eine heterogene Katalyse, bei der unter UV-Beleuchtung gasförmige oder gelöste Stoffe per Radikalreaktion oder Ladungsträgerübergang an Titandioxid oder anderen Stoffen reagieren. Durch die Beleuchtung mit UV-Licht, dessen Energie größer als die Bandlücke ist, oder durch die weniger effiziente Anregung aus den Störstellen einer Dotierung werden freie Ladungsträger, Elektronen im Leitungsband und Löcher im Valenzband, erzeugt. In der Regel rekombinieren diese Ladungsträgerpärchen sehr schnell, allerdings kann durch die Bandverbiegung im Bereich der Oberfläche eine Ladungsträgertrennung erfolgen. Diese reagieren in der Regel mit adsorbiertem Sauerstoff und Wasser zu Hydroxi- und Peroxi-Radiakalen. In der Regel, außer bei direkten Ladungsübergängen zu Adsorbaten, reagieren die Radikale mit adsorbierten Organika. Die Reaktionspfade bis zur vollständigen Mineralisierung können sehr komplex sein und viele Photonenanregungen benötigen.
Bei der Außenanwendung, als Beispiel sei die photokatalytische Selbstreinigung genannt, wird in der Regel der UV-Anteil des Sonnenlichts ASTM 1.5 von etwa 3 % ausgenutzt, maximal etwa 35 W/m2. Allerdings liegt die Sonneneinstrahlung unter diesem Maximalwert und im Jahr 2011 in der BRD im Mittel 1.134 kWh/m2, also 130 W/m2 und entsprechend 4 W/m2 UV-Strahlung. Innenanwendungen fallen meist ungünstiger aus, zum einen ist der UV-Anteil sehr gering oder bei dotierten Katalysatoren ist Reaktionsrate gering. Die Kenngrößen in der Photokatalayse sind verschieden definierte Quantenausbeuten, typische Werte können kaum angegeben werden, da sehr viele Paramater in die Katalyse eingehen, meist werden aber Größenordnungen von 1 Reaktion auf 1000 Photonen genannt. Ein weiteres Problem dabei ist, das die photokatalytischen Reaktionen keine Unterscheidung zwischen der organischen Bindermatrix und den Schadstoffen machen, ungeeignete Bindersysteme neigen daher zu einer frühen Kreidung.
Sonstige Anwendungen
Bei der Herstellung spezieller optischer Gläser wird TiO2 zur Beeinflussung der optischen Dispersion, Abbesche Zahl, eingesetzt. Titandioxid in der Anatas-Modifikation ist Hauptbestandteil der Katalysatoren, die für die industrielle Entstickung von Rauchgasen nach dem SCR-Verfahren eingesetzt werden. Auf den Halbleitereigenschaften des Titandioxids basiert die Farbstoffsolarzelle (Grätzel-Zelle). Mit Hilfe von Titandioxid gelang die Herstellung von Memristoren. Titandioxid wird ebenfalls als Hauptbestandteil des Keramik-Dielektrikums in Klasse-1-Keramikkondensatoren eingesetzt.
Biologische Bedeutung
Titandioxid ist ungiftig. Eine biologische Bedeutung, siehe auch unter Titan, ist bisher nicht bekannt. Sehr hohe Konzentrationen von Nanopartikeln, also Partikeln mit weniger als 100 nm, in der Lunge führen zu Immunreaktionen. Die Immunreaktion wird mit der Möglichkeit eines entzündungsbasierten Krebsriskos diskutiert, wobei oftmals mit nanoparituklärem TiO2 kleiner 100 nm getestet wird und pigmentäres TiO2 größer 200 nm als Beispielanwendung und für die Produktionsmenge herangezogen wird. In einer Gruppe aus 56 Personen, die selektiv aufgrund von Problemen mit Titan-Implantaten ausgewählt wurden, zeigten 21 Personen eine positive Reaktion im MELISA-Test (Lymphozytentransformationstest) mit TiO2, während alle 54 Personen der Gruppe die mittels Patch-Test getestet wurden, negativ getestet wurden. In einer Studie der University of North Carolina wurde gefunden, dass Titandioxid- Nanopartikel giftig für Microglia-Gehirnzellen bei Mäusen sind. Die Universität Koblenz-Landau fand, dass Titandioxid-Nanopartikel in Wasser Wasserflöhe (Daphnia) bis in die zweite Generation schädigte.
Nachweis
In der Kälte frisch gefälltes Titandioxid ist amphoter und in verdünnten Mineralsäuren löslich. Ein Aufschluss erfolgt mit Kaliumhydrogensulfat im Porzellantiegel. Anschließend wird in kaltem Wasser mit etwas Schwefelsäure gelöst. Mit einigen Tropfen Wasserstoffperoxid bildet sich das gelbe (basisch) bis gelborange (sauer, Foto) [Ti(O2)·aq]2+-Kation. Mit Salzsäure und Zink(granalie) bildet sich naszierender Wasserstoff, der Ti(IV) zu rotviolettem [Ti(H2O)6]3+ reduziert.
Basierend auf einem Artikel in Wikipedia.de
Seite zurück
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.12. 2024