Neue Wege in der Luftahrt
Bionik
Die Bionik setzt sich aus den Begriffen Biologie und Technik zusammen und nimmt die Natur als Vorbild für technische Problemlösungen. Der Begriff "Bionik" wurde auf einem Kongreß 1960 in Dayton/Ohio von J. E. Steele geprägt. Bionik bedeutet von der Natur zu lernen, d.h. Wissen von den Konstruktionen und Verfahrensweisen der Natur auf die Technik zu übertragen.
Die Bionik stellt keine Blaupausen für die Technik bereit, sondern überschreitet die Grenzen unterschiedlicher Forschungsgebiete in interdisziplinärer Weise um neue Anwendungsgebiete herzuleiten: aus Konstruktionen der Natur ("Konstruktionsbionik"), aus Vorgehensweisen oder Verfahren der Natur ("Verfahrensbionik") sowie aus deren Datenübertragungs-, Entwicklungs- und Evolutionsprinzipien ("Informationsbionik").
Das älteste bekannte Beispiel dafür ist Leonardo da Vincis Idee, den Vogelflug auf Flugmaschinen zu übertragen. Das gängigste Beispiel aus dem modernen Alltag ist der von Kletten inspirierte Klettverschluss. Der Bionik liegt die Annahme zugrunde, dass die belebte Natur durch evolutionäre Prozesse optimierte Strukturen und Prozesse entwickelt, von denen der Mensch lernen kann
Insbesondere in der Luftfahrt zeichnen sich durch die Anwendung bionischer Prinzipien erhebliche Leistungsverbesserungen von Flugzeuge ab. Bereits Otto Lilienthal erkannte, daß es möglich ist, die Natur als Vorbild für technische Lösungen zu nutzen. Er war es, der als erster die Bedeutung von leicht gewölbten Flügelflächen für den Auftrieb erkannte. Mit seinen Gleitflugmodellen gelang es ihm, den uralten menschlichen Traum vom Fliegen Wirklichkeit werden zu lassen. Innerhalb eines Jahres konnte er die Flugweite seiner Gleiter von 15 auf 80 Meter steigern. Nach dreijährigen Flugerprobungen an unterschiedlichen Modellen brachte er 1894 seinen Normal-Segelapparat mit 13 m2 Flügelfläche und 20 kg Gewicht heraus, den er bis Ende des Jahre 1896 acht mal im In- und Ausland verkaufte.
Besonders wurde die Entwicklung des Flugzeugdesigns durch den sogenannten Zanonia-Samen beeinflußt, der einen fliegenden Flügel ohne Rumpf repräsentiert. Diese Flügelform hat für den Samen den besonderen Vorteil, daß sich durch diese das Ausbreitungsgebiet erhöhen läßt und somit die Überlebenschancen der Population gesteigert werden können. 1903 wurde von Karl Jatho ein solcher Nurflügler als Doppeldecker realisiert, dem er die Umrißform dieses Samens gab. Bei diesem Konstruktionsprinzip aus der Natur, wird am Flügelende ein anderes Profil gewählt, um dort die Abrissgefahr der Strömung zu reduzieren (Flügelschränkung). Die Vorteile von Nurflüglern gegenüber Flugzeugen mit Leitwerken bestehen vor allem in einem geringen Widerstandsbeiwert, der es erlaubt größere Flugstrecken im Gleitflug zurückzulegen.
Das Fliegen basiert auf dem Prinzip des Auftriebs an den Flügeln. Bei einem Profil entsteht jedoch auf der Flügelunterseite eine höherer Druck als auf der Flügeloberseite, was zu einer Druckdifferenz, dem sogenannten Auftrieb, führt. Da diese Druckdifferenz jedoch auch an den Flügelenden auftritt, kommt es zu einer Ausgleichströmung, die den sogenannten Wirbelzopf, einen unerwünschten Strömungswiderstand, nach sich zieht. Langgestreckte Flügel zur Reduzierung des induzierten Widerstandes, wie bei Albatrossen oder heutigen Segelflugzeugen, sind bei Passagierflugzeugen, wegen des immensen Raumbedarfes nicht möglich. Landvögel wie Adler reduzieren diesen induzierten Widerstand durch aufgefingerte Spreizflügel, die mehrere verlustärmere Wirbelzöpfe entstehen lassen, die zur Idee von Multi-Winglets führte, d.h. fächerförmigen Kanten an den Flügelenden.
Bei Flugzeugen kommt es beim Überziehen des Flugzeugs oder zu geringen Fluggeschwindigkeiten zu einem Strömungsabriß und Rückströmung der Grenzschicht auf der Flügeloberseite Vögel haben dieses Problem dadurch gelöst, daß sich bei diesen, die hochelastischen Deckfedern der Schwingen selbsttätig aufrichten und dadurch gefhrliche Rückströmungen verhindert werden, d.h. die Deckfedern übernehmen die Funktion einer Rückstrombremse. Dieses Prinzip wurde bereits 1938 vom Aerodynamiker Wolfgang Liebe zur Nutzung im Flugzeugbau vorgeschlagen, als er umfangreiche Beobachtungen an segelnden Bergdohlen vornahm. So zeigen heutige Experimente mit Deckfedern-Modellen, daß bis zu Anstellwinkeln von 40 Grad die Strömung anliegen kann, gegenüber lediglich 18 Grad bei Modellen ohne Deckfedern. Die selbständige Auslösung von Rückstrombremsen bei Verkehrsflugzeugen kann somit die Sicherheit im Flugzeugbau dramatisch erhöhen. Das intelligente Verhalten wird hierbei nicht vom Cockpit aus gesteuert, sondern wird vom Flügel autonom herbeigeführt.
Die von Étienne Œhmichen schriftlich und fotografisch festgehaltenen Beobachtungen des Vogel- und Insektenfluges dienen heutigen Wissenschaftlern der Biomechanik als Grundlage für weitergehende Forschungen im Bau von flexiblen Rotorblättern
Die Bionik kann in verschiedene Teilgebiete unterteilt werden: Die Konstruktionsbionik vergleicht Konstruktionselemente und deren Integrationen, die Sensorbionik untersucht die Systeme zur Reizaufnahme, die Strukturbionik analysiert biologische Strukturelemente, die Bewegungsbionik Antriebsmechanismen, Oberflächeneinfluss und Strömungsanpassung, die Neurobionik beobachtet natürliche Informationsübertragung und Übertragung auf informatische Systeme, die Baubionik untersucht komplette Konstruktionen von Lebewesen oder ihrer Produkte, die Gerätebionik setzt natürliche Gerätekonstruktionen um, die Verfahrensbionik stellt analytische Untersuchung biologischer Vorgänge wie z. B. Photosynthese an, die Klimabionik sucht nach Systemen zur passiven Lüftung, Kühlung oder Heizung, die Anthropobionik studiert tierische Bewegungen, oft zur Verwendung in der Robotik, die Evolutionsbionik überträgt Evolutionsverfahren auf Forschung (experimentelle Versuchs-Irrtums-Entwicklung).
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 21.04. 2020